"Narcos" hatte sich bereits während der ersten Staffel zu einer der beliebtesten Original-Serien gemausert, die Netflix so in seinem gigantischen Programm hatte. Und obwohl ich in die Jubelstürme noch nicht ganz einsteigen wollte, musste auch ich zugeben, dass die Macher hier schon verflixt intensive und atmosphärische Serienunterhaltung erschaffen haben - eine, die zudem das Potenzial hatte, einige Fehler mit der zweiten Season auszubügeln und noch besser zu werden. Und genau das haben sie nun auch getan und obwohl dies noch immer nicht reicht, um in den großen Serienolymp aufgenommen zu werden, besticht die zweite Staffel doch mit gleichbleibender, teils noch besser werdender Qualität...
NARCOS - STAFFEL 2
Der Sturm auf das eigens errichtete Privatgefängnis von Drogenbaron Pablo Escobar (Wagner Moura) ist umsonst gewesen. Unter zahlreichen Toten und tausenden, abgefeuerten Salven gelingt dem Mörder die Flucht und er hält sich bedeckt. Doch die DEA gibt nicht klein bei, auch wenn es ihr wirklich nicht einfach gemacht wird. Nach der fehlgeschlagenen Operation wird die Abteilung rund um Steve Murphy (Boyd Holbrook) und Javier Pena (Pedro Pascal) unter neue Leitung gestellt. Diese verfolgt zwar das gleiche Ziel wie die DEA und Kolumbiens Präsident Gaviria (Raul Mendez) - und zwar Escobars Verhaftung oder Tod -, sorgt mit ihren neuen Mitteln jedoch auch dafür, dass sich die Jagd nicht unbedingt einfacher gestaltet...
Dem größten Kritikpunkt, den man der ersten Staffel noch anlasten konnte (die enorm schnelle Erzählweise, die viele Jahre in wenigen Folgen abhandelte und somit sehr faktisch wirkte), wird hier tatsächlich weitestgehend ausgemerzt. Der gesamte Plot dieser zehn Folgen beschränkt sich dabei auf ca. zwei bis drei Jahre, was die Erzählweise nicht unbedingt langsamer gestaltet, aber dennoch mehr Zeit lässt für intensivere Details, für klarere Fakten und auch für die Charakterentwicklung. Einige von ihnen bekommen zwar weiterhin wenig Raum, doch gerade die Hauptfiguren können endlich mehr Entfaltung zeigen - der von Boyd Holbrook gespielte Steve Murphy, der weiterhin als Erzähler fungiert, obwohl er nicht die erste Geige spielt, wird hier deutlich greifbarer und auch sympathischer und ganz besonders Pedro Pascals Javier Pena weiß hier durch geschickt eingefädelte Subplots zu überzeugen und wird zum heimlichen Helden der bisherigen zwei Staffeln.
Die Hauptattraktion bleibt jedoch Pablo Escobar, der von Wagner Moura weiterhin mit enormer Kraft und Ausstrahlung gespielt wird und den Drogenbaron nicht als einfachen, eiskalten Verbrecher skizziert. Natürlich war Escobar das, doch die Szenen, wenn er mit seiner Familie am Tisch sitzt, mit seinen Kindern spielt und seiner Frau mehr und mehr seine unabdingbare Liebe gesteht, sind dennoch von solch faszinierender Ehrlichkeit, dass man ihn glatt mögen könnte... würde er nicht so viele andere, schreckliche Dinge tun. Diese nehmen nun den hauptsächlichen Fokus der zweiten Staffel ein, denn dass Escobar nach seiner Flucht nun klar zum Abschuss freigegeben ist, sämtliche zuvor ausgehandelten Verträge nichtig sind, das lässt er nicht auf sich sitzen und holt zum Gegenschlag aus. In den folgenden zehn Episoden werden wir also Zeuge eines erbitterten Krieges mehrerer Parteien, zwischen Escobars Männern und der Polizei... und einigen anderen, auf den Zug aufspringenden Gruppen, die ich hier jedoch noch nicht enträtseln möchte. Wer die wahre Geschichte nämlich nicht kennt, dürfte hier das ein ums andere Mal überrascht werden und zuzusehen, wie sich all diese Parteien treffen und was für grausame Opfer sämtliche Seiten dabei aufbieten, das ist schon ganz große Serienkunst.
Hier spielt die Serie auch mit der Empathie des Zuschauers, lässt im Grunde in jeder Episode handlungstragende Figuren über die Klinge springen und gibt uns somit ein Gefühl der Unsicherheit - zu jeder Zeit können weitere Charaktere aus dem Spiel genommen werden, in einer Welt, in der Bombenanschläge und Racheakte an der Tagesordnung stehen, scheint alles möglich. Wie gehabt ist dies alles enorm intensiv und realistisch inszeniert, besitzt eine Atmosphäre, die das Kolumbien der frühen 90er auf den heimischen Bildschirm schlichtweg mit enormer Kraft und grandioser Ausstattungswut zum Leben erweckt. Der passende Soundtrack und ganz besonders die meisterhafte Kameraarbeit sorgen für einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann - die Spannung erreicht ungeahnte Höhen.
Allerdings dreht sich die Serie, auch wenn sie immer wieder mit überraschenden Wendungen und intensiven Momenten aufwartet, doch einige Male im Kreis, lässt unsere "Helden" immer wieder Türen und eintreten und mal verwertbaren, mal unsinnigen Spuren nachjagen. Das ist alles durch die Bank weg stark inszeniert, doch mit der Zeit stellt sich eine leichte Lethargie ein, besonders da einige der grandiosen Nebenhandlungen letztlich nicht ganz auserzählt werden und manch eine interessante Fragestellung (wie weit darf man gehen, um einen Verbrecher zu schnappen?) doch etwas zu leichtfertig unter den Tisch gekehrt wird. Das sorgt dann schon für ein paar Abzüge, dafür sind die letzten Minuten der zehnten Folge intensivste Serien-Unterhaltung... und die letzte Szene zeigt uns, wohin die Reise nun geht. Neue und dennoch bekannte Ufer erwarten uns und es scheint nicht so, als würde den "Narcos" in nächster Zeit der Stoff ausgehen. Ich freue mich drauf!
Fazit: Die zweite Staffel bügelt einige Fehler aus und sorgt durch die grandiose Optik, starke Schauspieler und spannende Drehbücher erneut für diesmal noch intensivere und auch emotional treffsicherere Serienunterhaltung, die zu fesseln und manchmal auch zu bewegen weiß.
Note: 2-
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