Netflix führt seinen Siegeszug weiter fort. Trotz zeitweiliger schlechter Neuigkeiten (wie dem plötzlichen Absetzen des beliebten Favoriten "Sense8") fahren sie immer noch ziemlich gut, die Streaming-Giganten und warten durchgehend auch mit immer neuen Originalen auf, sowohl an der Film- als auch an der Serienfront. Einer der ganz dicken Fische ist seit zwei Jahren die Thriller-Serie "Narcos", die sich mit dem Leben und dem Aufstieg von Pablo Escobar beschäftigt... und auch mit der ihm gegenüberstehenden DEA, die versuchte, ihn dingfest zu machen. Die Serie zählt noch immer zu den beliebtesten in Netflix' Auswahl und ich kann nach der Sichtung der ersten Staffel auch gut nachvollziehen, wieso das der Fall ist.
NARCOS - STAFFEL 1
In den 80ern kauft sich der zuvorige Alkohol- und Zigaretten-Schmuggler Pablo Escobar (Wagner Moura) in ein neues Geschäft ein: Das Geschäft des Kokains. Innerhalb weniger Jahre zieht er ein gefürchtetes Imperium hoch und verschifft die Drogen nicht nur in seinen Bereichen, sondern per Flugzeug und gekauften Piloten auch nach Miami. Aufgrund dieser Taten schaltet sich schon bald die DEA in Escobars Schmugglerring ein. Der junge Agent Steve Murphy (Boyd Holbrook) reist nach Kolumbien und bildet dort mit seinem neuen Partner Javier Pena (Pedro Pascal) eine zweiköpfige Mannschaft, unterstützt von der Regierung und der Armee, um Escobar zu fangen oder, wenn nötig, auch zur Strecke zu bringen...
Gerade im Kino wurden in den letzten Jahren schon mehrere Geschichten rund um Pablo Escobar und die mutigen Männer und Frauen, die sich ihm entgegenstellten, erzählt... oftmals auch mit der Einsicht, dass diese wahren Begebenheiten in solch kurzer Zeit nicht immer abzuhandeln sind. Dementsprechend konzentrierte man sich dieses Jahr im Kino im neuen Tom-Cruise-Film eben auch nur auf die Geschichte rund um den Schmugglerpiloten Barry Seal - der auch in der ersten "Narcos"-Staffel Erwähnung findet. Eine Serie hat nun aber das Potenzial, die ganze Geschichte dank einer wesentlich längeren Laufzeit ausführlicher zu erzählen - so ganz genutzt hat man die Chance aber nicht.
Ich will aber nicht gleich anfangen zu meckern und zuerst sagen, dass mir die Staffel generell sehr gut gefallen hat. Besonders beeindruckt war ich davon, wie gut die Serie im Allgemeinen aussieht. Die Kameraarbeit grenzt an wahre Meisterleistungen, bringt uns den Figuren unglaublich nah und erschafft streckenweise auch Bilder ungeahnter Schönheit. Die Musik ist ungemein stimmig, die Ausstattungswut enorm detailreich und generell ist die Atmosphäre eine ganz Besondere - noch nie wurde Kolumbien in einer Serie oder einem Film so realistisch dargestellt, noch nie hat man sich gedacht, dass all dies tatsächlich wirklich so stattgefunden haben muss. Natürlich stützt man sich dabei auch auf die wahren Begebenheiten - ob das nun alles so stimmt, kann man schwer sagen, ich neige jedoch dazu, dass die Macher gerade in einigen dramatischen Szenen sicherlich auch ein wenig auf die Überspitzung gewisser Ereignisse gesetzt haben. Das ist aber gar nicht schlimm, denn insgesamt wirkt all das schon sehr glaubwürdig und man nimmt sich auch immer wieder Zeit für interessante Details, die in einem wesentlich flotter erzählten Film vielleicht keinen Platz gefunden hätten.
Dementsprechend sehen wir ungemein tief wirkende und fantastisch geschriebene Dialoge, die sich mit teils sehr drastischer, aber auch in diesem Bereich ungemein realistischer Action abwechseln - ein sehr, sehr stimmiges Bild, getragen von wahnsinnig gut aufspielenden Schauspielern. Boyd Holbrook bleibt dabei noch etwas unterfordert in der Erzählerposition, wirkt in seiner Rolle als eigentlich im Fokus stehender Agent eben auch etwas bärbeißig und übereifrig - kein perfekter Sympathiekandidat. Diesen Posten nimmt hingegen "The Great Wall"-Star Pedro Pascal ein, der schließlich noch von dem Aushängeschild der ganzen Serie überstrahlt wird: Wagner Moura ist als Pablo Escobar einfach gnadenlos gut. Jede Geste, jeder Blick sitzt, dem tyrannischen und eiskalten Killer werden dabei auch überraschend sanfte und emotionale Seiten zugestanden - ein unglaublich faszinierender Charakter, dem Moura mit seiner enormen Präsenz wahnsinnig viel Ausdruck und Kraft verleiht. Ihm und all den anderen Schauspielern wird auch die Wahrung der Originalsprache in die Karten gespielt: Über sechzig Prozent der gesamten Staffel hindurch wird spanisch gesprochen, was (zum Glück) nicht ins Deutsche übersetzt, sondern gerecht untertitelt wurde. Für Zuschauer, die ungern lesen, könnte "Narcos" also eine Geduldsprobe werden, insgesamt wirkt dies jedoch auch im Gesamtkonstrukt zur restlichen Atmosphäre aber ebenfalls sehr stimmig.
Und dennoch... nach einer Handvoll Folgen hatte ich den Eindruck, dass sich der Zugang doch etwas erschwerte. Die Geschichte verläuft doch etwas rasant, springt immer wieder um Monate oder gar Jahre nach vorne, sodass ich mich fragte, was nur in der Zwischenzeit passiert war. Hier hätte ich mich über mehr Details doch sehr gefreut, leider werden aber ganze enorme Handlungsstränge in nur eine Folge gepresst, sodass man teils sehr schnell voranschreitet, woran auch einige Figurenentwicklungen leiden. Das ist nicht so schlimm wie in viel zu flott verlaufenden Flops wie "Orphan Black", es fällt angesichts der realen Begebenheiten aber dennoch auf, dass man interessante Details und Subplots hier doch sichtlich beschneidet, etwas zu faktisch agiert und somit eine gewisse Tiefe vermissen lässt. In den schwächsten Folgen fühlt sich dies gar ein wenig kühl an.
Fazit: "Narcos" ist streckenweise hochspannend, ungemein atmosphärisch und dicht inszeniert und hervorragend gespielt. Dennoch fühlte ich mich eher durch Fakten als durch emotionale Tiefe unterhalten, was der Intensität nicht schadet, den Emotionen aber schon.
Note: 3+
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