Manchmal entsteht der Horror aus den alltäglichsten Dingen, denen, die uns am gewohntesten sind oder sogar in unserem Umfeld. Am intrigantesten und gefährlichsten scheint er zu sein, wenn er aus unseren engsten Vertrautestenkreisen wie Freunden und Familien heranwächst und uns auch noch dann ereilt, wenn wir einen schweren Schicksalsschlag verarbeiten müssen und unsere schwächsten Momente haben. Genau in diesen Momenten nimmt der Terror in "Stoker" seinen Lauf, nur handelt es sich hierbei nicht um einen herkömmlichen Horrorfilm, sondern eher um ein durchgetaktetes und sehr interessantes Psychogramm, welches jedoch an seinen eigenen, hoch gesetzten Plänen recht deutlich scheitert...
STOKER
Nach dem Unfalltod ihres Vaters Richard (Dermot Mulroney) lernt die gerade achtzehn Jahre alt gewordene India Stoker (Mia Wasikowska) kurz nach der Beerdigung den Bruder ihres Vaters kennen, ihren Onkel Charlie (Matthew Goode). Aus unerfindlichen Gründen möchte er für die nächste Zeit im Haus Indias und deren Mutter Evelyns (Nicole Kidman) wohnhaft bleiben, um noch einige Angelegenheiten zu klären. India ist skeptisch, doch Evelyn stimmt zu und scheint dem jungen, gutaussehenden Mann schnell verfallen zu sein. Schon bald deckt das junge Mädchen jedoch auf, dass Charlie ein schreckliches Geheimnis mit sich herumträgt...
Regisseur Park Chan-wook machte sich bereits durch seinen Kultklassiker "Oldboy" einen deutlichen Namen in der Filmwelt - sein Actioner zählt zu den bedeutensten Werken des Genres. Dennoch dauerte es gut zehn Jahre, bis er den Versuch unternahm, auch international mal etwas zu bewegen, was nun in Form dieses kleinen Psycho-Spiels geschah, welches er nach einem unter Pseudonym abgegebenen Drehbuchs von "Prison Break"-Hauptdarsteller Wentworth Miller verfilmte. Das ist schon eine recht einmalige Kombination, aber so wirklich einmalig ist bei "Stoker" sonst nur wenig - im Grunde ist die Thematik auch bereits bekannt.
Abheben tut man sich hier im Grunde nur durch die brillanten Bilder, die Chan-wook und sein Kameramann Chung Chung-hoon hier erschaffen. Die Realität scheint das ein ums andere Mal glatt zu zerschmelzen, die Bilder entführen uns in einen Wirbel aus Schwung, Finsternis und Lethargie, jede Aufnahme wirkt wie ein eigenes kleines Kunstwerk. Dadurch entsteht, trotz des in der ersten Hälfte eher gemächlichen Tempos, eine Atmosphäre wie ein kleiner Rausch. Sie ist durchgehend unkomfortabel, seltsam und bringt eine bedeutungsschwangere Note der Ungewissheit mit sich - der Film erstrahlt in untersaturierten Farben und bringt somit das fade, farblose Leben der Hauptfigur auf den Punkt, die nun langsam reift und die anderen Seiten ihrer Persönlichkeit entdeckt, auch durch den nun in ihr Leben tretenden Charlie.
Das ist alles nicht neu und verliert später, wenn man sich doch sehr offensichtlich an einem Psychogramm über die bösen Menschen und deren ebenso bösen Taten versucht, deutlich an Schwung. Hier biedert man sich am Genre an und vergisst, dem Ganzen eine eigene Note zu geben, übertreibt es einige Male sowohl in der inszenatorischen Optik als auch in der Ausgestaltung der Handlung und der Entwicklung der Charaktere, lässt Klischees glänzen und stellt den Fuß aufs Gas. Das möchte dann irgendwie alles nicht mehr richtig zusammenpassen, wird nie wirklich spannend und endet auch ziemlich dummdreist - kein sonderlich großer Wurf. Schön gelungen ist dabei jedoch die Auflösung, wer dieser Charlie eigentlich ist, denn auch wenn man in dieser Szene um einige Erklärbär-Momente nicht herumkommt, wirkt das alles schon ziemlich schlüssig und einigermaßen originell und packend und verliert sich nicht im Genre-Allgemeinen.
Auch die zwischendrin eingeflochteten Szenen einer düsteren, sexuellen Grundspannung sind dabei ebenso stark wie sinnlich inszeniert - ein Partner-Klavierspiel steht dabei in jeglicher Bedeutung und wird von allen Beteiligten, über Kamera, Schnitt, Regie und die Schauspieler, hervorragend getragen. Dass Mia Wasikowska besonders außerhalb großer Event-Filme ihr Talent zeigen kann, hat sie schon mehrere Male bewiesen - in kunterbunten Fantasy-Bonbons wie den beiden "Alice im Wunderland"-Streifen bleibt sie daher eher blass, in kleineren, unkonventionellen Filmen glänzt sie mit nuanciertem und eindrücklichem Spiel, wie auch hier in "Stoker". Ihr Gegenüber steht Matthew Goode, der nur in ganz seltenen Momenten etwas zu gewollt mysteriös rüberkommt, ansonsten jedoch durchgehend passend das Gefühl von leiser Gefahr ausdrückt und dabei nicht so schrecklich chargiert wie noch in "Watchmen", während Nicole Kidman als Mutter eher zwischen den Fronten steht - die undankbarste Rolle des Trios, die hier dann auch wesentlich farbloser wegkommt.
Fazit: Die brillante Inszenierung erschafft kraftvolle, fast majestätische Bilder - etwas, womit die Geschichte nie ganz Schritt halten kann. Trotz bemühter Darsteller fehlt dem Skript der letzte Schliff und gegen Ende dreht man dabei doch spürbar zu sehr frei und tappt in manch ein Klischee.
Note: 3-
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