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Brügge sehen... und sterben?

Martin McDonagh hat seinen großen Coup endlich gefeiert - sein für mehrere Statuen nominiertes Tragi-Drama "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" ging als einer der ganz großen Favoriten in die diesjährige Oscar-Hatz. Eigentlich ist es verwunderlich, dass es so lang dauerte, bis er solch einen großen Erfolg feierte, waren Kritiker und Fans doch schon zuvor mehrheitlich begeistert von seinem Tun. "7 Psychos" erfüllte 2012 die Erwartungen zwar nicht komplett, gilt aber trotzdem als angenehm durchgeknallter Thriller und vier Jahre zuvor begeisterte der Autorenfilmer mit seinem Werk "In Bruges". Diesen habe ich nun zum mittlerweile vierten Mal gesehen und obwohl ich noch immer nicht ganz begeistert bin, muss man sagen, dass McDonagh einige grandiose Momente erschaffen hat...

BRÜGGE SEHEN... UND STERBEN?


Auftragskiller Ray (Colin Farrell) hat seinen ersten Auftrag gründlich versaut und bekommt daher von seinem Vorgesetzten, dem cholerischen Killer Harry Walters (Ralph Fiennes) die Anweisung, sich mit seinem Partner Ken (Brendan Gleeson) nach Brügge in Belgien abzusetzen. Dort sollen sie in einem Hotelzimmer auf weitere Befehle warten, was Ray jedoch bald zu viel wird - er ist genervt von alten Gemäuern, der stoischen Langeweile und der kargen Stadt. Während sie die Kultur in Belgien in Augenschein nehmen, verpassen sie einen Anruf ihres Bosses... und damit fangen die wahren Probleme erst an.

Das Drehbuch wurde für den Oscar nominiert und das ist sicherlich verdient, denn wenn schon die Handlung nicht konstant rund ist, so sind es immerhin die grandios geschriebenen Dialoge, die hier teilweise förmlich jauchzen lassen. Die Stimmung wechselt ungemein gelenk zwischen einer enormen Tragik und herrlichem, britischen Humor, wobei man manchmal schon erstaunt ist, dass man angesichts der Brutalität und der psychischen Zwiespältigkeit der Handlung doch immer wieder lachen kann... was an den gut geschriebenen Charakteren und den spritzigen Dialogen liegt. Ein Vergleich zu Quentin Tarantino drängt sich angesichts der sich plötzlich entladenden Feuergefechte und der ebenso langen wie herrlich verrückten Dialoge auf, trotzdem findet Martin McDonagh durchaus seinen eigenen Stil, kopiert nicht, verbeugt sich allerhöchstens. 
Die Figuren, gespielt von namhaften Stars, sind echte Originale, müssen sich nicht dem Willen des Drehbuchs beugen, atmen und leben... auch wenn manche von ihnen beim Rollen des Abspanns genau das nicht mehr tun, doch erklärt sich dies bei einem Thriller, und sei er auch noch so vordergründig als Komödie beheimatet, doch von selbst. Die aufkeimenden Konflikte sind angenehm menschlich oder vollkommen verrückt und wechselnd zwischen herrlicher Komödie und grausamen Abgründen - unglaublich, dass sich dies hier so passend vereinen lässt. Während der Film ebenso ruhig wie sein Handlungsort (Brügge als Location für einen brutalen Thriller ist ebenso witzig wie originell) beginnt, der hauptsächliche Konflikt darin besteht, dass sich die beiden grundverschiedenen Killer Ray und Ken nicht über ihre Freizeitbeschäftigungen einigen können (während es Ray durchgehend nach Bier gegen die erstickende Langeweile dürstet, verlangt Ken dringend nach Kultur und Historie), wird es später auch sehr dramatisch. 
Das wirkt oftmals etwas obskur und verliert im Mittelteil dann auch ein wenig den roten Faden - hier haben die Macher offensichtlich einige Ideen zu viel in die sonst zu kurze Laufzeit einfließen lassen, was den Film etwas überladen wirken lässt. So sind der "Gnom" Jimmy und auch die charmante, aber dennoch etwas halbgare Liebesgeschichte zwar essentiell und wichtig, über manch ein Besäufnis hätte man jedoch hinwegsehen können, um sich anderen Plots zu widmen. Diese Zeit hätte man zum Beispiel "Harry Potter"-Star Ralph Fiennes geben können, der sich erst recht spät in den Sattel wirft und daher als Bösewicht auch irgendwie unterzeichnet, wenn auch immerhin unglaublich charismatisch bleibt... sobald er auftritt, bebt aber wie zu ewarten der Bildschirm vor seiner Ausstrahlung. 
Zuvor hat man sich bereits an anderen bekannten Gesichtern erfreut - die ebenfalls unter anderem durch die Zauberreihe bekannten Colin Farrell und Brendan Gleeson ergänzen sich herrlich: Während Gleeson die ruhige Atmosphäre von Brügge aufsaugt und auf sein Spiel überträgt, ist Ray durchgehend unter Strom... ein irrwitziges Duo. Erwähnen sollte man auch Clemence Poesy, deren Geschichte zwar nicht wirklich rund zu Ende gedacht wird, die aber dafür mit viel Charme zu überzeugen weiß und dabei gemeinsam mit Farrell, Gleeson und Fiennes über manch ein schwaches Plothole hinwegtröstet.

Fazit: Der ganz große Wurf ist "In Bruges" leider nicht, dafür fehlt es ihm im Mittelteil doch an Fahrt und auch das Ende gerät zu konventionell. Die großartigen Dialoge, vorgetragen von hervorragend aufgelegten Schauspielern in Kombination mit einem funktionierenden Mix aus heftigem Drama und charmanter Komödie, laden jedoch besonders in der ersten Hälfte zu Begeisterung ein.

Note: 3+



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