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Molly's Game

Ich mag Poker. Das erste Mal spielte ich das Kartenspiel vor gut acht Jahren mit einigen Freunden am heimatlichen Wohnzimmertisch - nicht professionell, auch nicht außergewöhnlich gut, aber immerhin mit viel Freude und einigen spannenden Duellen. In den folgenden Jahren spielten wir wöchentlich, mittlerweile nur noch alle paar Monate, sind aber immer noch mit genauso viel Finesse dabei. Filme zu dem Thema habe ich schließlich aufgesogen - gerade deswegen gehört "Casino Royale" noch immer zu meinen Favoriten unter den Craig-Bond-Streifen. Als ich dann hörte, dass Aaron Sorkin, der oscarprämierte Drehbuchautor von Meisterwerken we "The Social Network" und "Moneyball", seine erste Regiearbeit einer wahren Geschichte zu diesem Thema widmen würde, war ich Feuer und Flamme und sah mir den Film direkt am Starttag an...

MOLLY'S GAME


Ihre Ski-Karriere ist nach einem verheerenden Unfall beendet, sie hat keinen Plan mehr: Molly Bloom (Jessica Chastain) weiß nicht mehr weiter. Dann beginnt sie jedoch, für den arroganten Möchtegern-Star Dean Keith (Jeremy Strong) zu arbeiten, der einmal in der Woche eine private Pokerrunde veranstaltet. Dabei anwesend: Filmstars, Rapper und Wirtschafts-Mogule. Bloom macht ein enormes Trinkgeld und setzt sich schon bald über den Willen Keiths hinweg, indem sie ihre einige Pokerrunde eröffnet - angelockt von ihrem Charme folgen die Stars ihr auch. Dort gerät sie angesichts der Schulden, die sich von verlierenden Spielern anhäufen, in Geldbedrängis und bald auch ins Scheinwerferlicht des Gesetzes...

Basieren tut all dies auf den Memoiren von Molly Bloom selbst und wie der Film damit umgeht, nicht unbedingt konkrete Tatsachen zu schildern, sondern sich um Fakten, die Bloom so niemals gegeben hat, herumzuschlawinern, das hat schon eine einnehmende Qualität. Perfektioniert wird dies natürlich von den grandiosen Dialogen, die noch immer das größte Talent des Autors Sorkin sind. Wie sich die Figuren und die grandios aufgelegten Schauspieler die verbalen Bälle hin- und herschießen, so etwas hat man wahrlich selten gesehen, schwarzer Humor, bissige Pointen und leise, schreiend ehrliche Dramatik treffen geballt aufeinander, sprühen Funken, lassen den Zuschauer an den Lippen der Darsteller hängen. Als Regisseur ist Sorkin nicht immer ein solch wandelbares Genie - zwar gelingen ihm einige visuelle Ideen, insbesondere, wenn er zu Beginn Mollys Ski-Karriere in den Vordergrund stellt und ihre belehrende Off-Stimme mit den einzelnen Tricks und Ticks der Läuferinnen bildlich gegenüberstellt, dennoch unterlaufen ihm auch immer wieder auffällige Schnittfehler, manchmal fehlt es den Bildern auch an Kraft. 
Das ist aber halb so schlimm, denn wo es eben mal an Ausdrucksstärke fehlt, macht diese wahre, aber dennoch unglaubliche Geschichte diesen Fauxpas locker wieder wett. Sorkin wagt einen Blick hinter den Vorhang, hinein ins illegale und dennoch höchst glamouröse Glücksspiel, wenn etliche Millionen innerhalb eines Kartenblattes hin- und hergeschoben werden, wenn Sorgen in Alkohol und Drogen ertränkt werden und sogar die Geburtstagsparty der eigenen Frau vor der alles einnehmenden Spielsucht weichen muss. Nicht immer gelingt es Sorkins Skript, sämtliche Subplots und die zahlreichen Charaktere zu einem großen, runden Ganzen zu bündeln, dennoch haben sie alle ihre Momente. Selbst für Nicht-Poker-Fans ist das Werk einen definitiven Blick wert, zieht "Molly's Game" seine Spannung doch weniger aus dem Kartenspiel an sich (es wird wesentlich weniger gepokert als in vergleichbaren Filmen), sondern eher daraus, wie sich die Figuren in den teils prekären Situationen bewegen und ihre Moral verbal aushandeln, was eine noch deutlich höhere Qualität hat als einige der hier aufgezeigten, für Fans des Spiels hochspannenden Blätter. 
Für die Schauspieler ist solch ein Werk natürlich ein gefundenes Fressen und mit der Sichtung des Films hat es doch mit dem Teufel zugehen müssen, dass Jessica Chastain und Idris Elba bei den diesjährigen Oscars nicht einmal mit einer Nominierung bedacht wurden. Sicher, die Konkurrenz war groß, doch beide spielen sich hier mit unvergleichlichem Charme und beeindruckender Finesse und gewaltigen, hochscharfen Dialogen schier die Seele aus dem Leib. "Interstellar"-Star Chastain gibt Molly Bloom als clevere, nicht immer vorsichtige, dafür aber höchst zerbrechliche und nachdenkliche Frau, deren Off-Kommentare ein Schmankerl sind. Einen beinahe noch besseren Eindruck, neben soliden Performances von Kevin Costner und "Juno"-Star Michael Cera, gibt jedoch Idris Elba, der als wortgewandter, strenger Anwalt, der dennoch das Herz am rechten Fleck trägt, so aufgeweckt war wie lange nicht mehr. 
Er ist dann gar auch ein wenig Schuld daran, dass der Rest des Films neben seinen Momenten ein wenig verblasst - Elba beherrscht die Szenerie, kommt jedoch angesichts des ständig die Zeitebenen wechselnden Plotmusters nur sporadisch vor. Wenn der "Bastille Day"-Star fehlt, spürt man die 140 Minuten gerade im zweiten Drittel, wenn er nicht gerade mit einer solchen Leichtigkeit die Leinwand auffrisst, spürt man, dass die Handlung sich das ein oder andere Mal im Kreis dreht, dass es ihr ab und an bei all dem Glamour doch an Herz mangelt. Momente, in denen Elba's Charlie Jaffrey dann urplötzlich ein göttliches Plädoyer vor dem Staatsanwalt zum Besten gibt, lassen das Herz hüpfen - dagegen ist der Rest des Films ein beeindruckender, aber teils auch etwas langatmiger Ritt, den auch die grandiosen Dialoge nicht immer davor retten können, dass zwanzig Minuten weniger auch okay gewesen wären.

Fazit: Brillant gespielt, voller geschliffener Dialoge - Aaron Sorkin hat erneut ein starkes Skript abgeliefert und hatte auch visuell einige tolle Ideen. Spürbare Längen gibt es leider obendrauf und nicht immer kann die Geschichte der Pokerrunde mit dem dringlicheren Plot rund um Mollys Gerichtsverfahren mithalten.

Note: 3+





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