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Jojo Rabbit

1945: Der Krieg in Deutschland ist in vollem Gange und der zehnjährige Johannes Betzler (Roman Griffin Davis), von seinen Freunden nur "Jojo" genannt, ist Feuer und Flamme für das Nazitum: Er besucht ein paramilitärisches Lager für die Hitlerjugend und unterhält sich sogar mit einer imiginären Version des Führers (Taika Waititi) selbst. Seine Mutter Rosie (Scarlett Johansson) über Jojo's Fanatismus... und als der Junge eines Tages in ihrem Zimmer, versteckt in den Wänden, das jüdische Mädchen Elsa (Thomasin McKenzie) entdeckt, will er sie gleich alle verraten. Doch dann findet ein Umdenken statt... und er beginnt damit, sich der Teenagerin anzunähern.

Auch "Jojo Rabbit" ging in diesem Jahr ins Oscar-Rennen und nun konnte ich den Film, der seinen Kinostart bei uns im Januar hatte, glücklicherweise noch nachholen, um mir ein Bild zu machen - immerhin wurde der neue Film von "Thor 3"-Regisseur Taika Waititi vergangenen Sonntag mit dem Drehbuchpreis ausgezeichnet. Und dieses ist dann auch nicht übel, doch stellt sich bei diesem Kandidaten nun die Frage, ob es wirklich all diese Nominierungen gebraucht hätte: "Jojo Rabbit" ist sicherlich ein mutiger Film, der mit Waititis speziellem Humor, der dramatischen Historie und einem Abenteuer aus Kinderaugen jongliert... allerdings fallen einige der Jonglierbälle dem Artisten auch regelmäßig vor die Füße, weswegen der Unterhaltungsfaktor in überschaubaren Ecken stagniert und alsbald sogar vollständig verschwindet.
Wer mit dem Humor schon in Waititis vorherigen Werken wenig anfangen konnte, der wird sicherlich auch mit diesem Film seine Schwierigkeiten haben: Ich konnte immer wieder lachen, auch mal lauter, allerdings versanden einige der simplen und teils auch arg veralberten Gags vor allem in der zweiten Hälfte recht deutlich. Der Kniff, dass der zehnjährige Protagonist mit einem imaginären Adolf Hitler spricht, sorgt für den meisten Spaß, allerdings ist es eben auch ein ziemlich simpler, der nur für wenig mehr genutzt wird als den Regisseur selbst, der hier deutlichen Spaß am überzeichneten Spiel hat. Der Rest bleibt dann teils vollkommen unlustig (im Grunde der gesamte Auftritt von "Cats"-Star Rebel Wilson) oder wunderbar schrullig (der gesamte Auftritt des großartigen Sam Rockwell). Wie im gesamten Film ist es also eine zweischneidige Angelegenheit, auf die man sich einlassen muss... und selbst dann nicht vollends zufriedengestellt wird.
Der Dramaaspekt läuft erst nur mit gebremstem Schaum an, wird dem Zuschauer dann später aber immer deutlicher vorgeführt. Hier hätte ich einen leiseren Ton bevorzugt, denn Waititis Message ist als solche schon laut genug als dass man sie nicht auch noch zu krachend präsentieren müsste. So wird später auf Gedeih und Verderb versucht, eine emotionale Reaktion beim Publikum hervorzurufen, was in Einzelszenen auch durchaus funktioniert... aber eben auch nicht so stark, wie man das hier wohl gedacht hat. Waititi will sehr viel und schießt daher immer wieder übers Ziel hinaus - es gelingt ihm nicht, dieses ohnehin wacklige Konstrukt richtig zusammenzuhalten, weswegen seine Charaktere weitestgehend Abziehbilder bleiben und auch die heftigeren Momente als reiner Selbstzweck verblassen. Dem gegenüber stehen immer wieder wunderbar leise Szenen oder kreative Momente, in denen der Schrecken des Krieges aus den Augen eines zwar fanatischen, aber dennoch eben auch noch naiven Kindes gezeigt wird.
Ob Scarlett Johansson in ihrer Nebenrolle hier nun wirklich eine Oscarnominierung verdient hat, darüber darf gerne gestritten werden. Ich empfand ihren Part als längst nicht so gut, wie er überall gemacht wird - sie ist gut, aber mehr auch nicht. Da hätte sich "Leave No Trace"-Star Thomasin McKenzie in der wesentlich akuteren Rolle als versteckte Jüdin doch wesentlich deutlicher angeboten, auch, weil ihrer Figur die deutlich interessantere ist. Und auch darüber hinaus liefern Rockwell, Waititi und Co. viel schillerndere und in sich viel komplexere Leistungen als Johansson, die dafür im parallel laufenden Netflix-Drama "Marriage Story" besser punkten konnte. Eine Bank ist hingegen der junge Hauptdarsteller Roman Griffin Davis, der glücklicherweise niemals nervt und mit einer glaubwürdigen und energetischen Performance nachhaltig beeindruckt.

Fazit: Ein mutiger und selbstbewusster Film, der in dem bemühten Handeln, zeitgleich eine skurille Komödie, ein herzerweichendes Drama und eine spannende Coming-of-Age-Geschichte zu erzählen, deutlich zerfasert. Am Ende kann keines der Elemente durchweg überzeugen, einzelne Szenen sind aber immer wieder ein grandioses Erlebnis.

Note: 3



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