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Albert Nobbs

Dublin, 19. Jahrhundert: Im Hotel der emsigen Margaret Baker (Pauline Collins) arbeitet Albert Nobbs (Glenn Close) als pflichtbewusster, verschwiegener und akkurater Butler. Hinter dieser beinahe perfekten Maskerade verbirgt sich allerdings eine Frau - niemand weiß um das Geheimnis des Butlers, welches Nobbs seit Jahren aufrecht erhält. Eines Tages soll er sich jedoch das Bett mit dem Anstreicher Hubert Page (Janet McTeer) teilen und glaubt, sein Geheimnis würde sich entblättern. Page jedoch teilt dieses ebenso und nimmt Nobbs unter seine Fittiche. Dieser versucht indes, mit der Angestellten Helen Dawes (Mia Wasikowska) anzubandeln, um seine Zukunft abzusichern - Helen jedoch hat nur Augen für den draufgängerischen Joe (Aaron Johnson), der neu zur Besatzung des Hotels gestoßen ist...

ALBERT NOBBS


Mit "Albert Nobbs" ist Regisseur Rodrigo Garcia ein gefühlvolles Historiendrama gelungen, welches sich mit aktuellen Themen beschäftigt und sie dem Zeitgeist entsprechend und dennoch ohne Holzhammer aufarbeitet. Im Fokus steht dabei die Ungerechtigkeit zwischen Geschlechtern und wie eine Frau im 19. Jahrhundert damit umzugehen wusste - sie musste sich als Mann verkleiden, um gleichgestellt zu werden, erkennt jedoch mit der Zeit, dass es wichtig ist, einfach sie selbst zu sein und aus ihrem eigenen Leben das Beste zu machen. Aus dieser Message kann sich jeder etwas herausziehen, ob nun auf Geschlechterkritik oder den eigenen Werdegang bezogen. Leider agiert Garcia auf den letzten Metern etwas ungenau, wenn es darum geht, seinen Messages den letzten Schliff zu verpassen und hadert etwas unentschlossen, beinahe flau ins Ziel.
Auch der Konflikt, wie dieser Albert Nobbs, dessen wahrer, weiblicher Name tatsächlich ein Geheimnis bleibt, denn nun in seine missliche Lage hineingerutscht ist, bleibt an sich eher schwammig. Der Zuschauer kann ihn dennoch nachfühlen, da Rodrigo Garcia ein glaubhaftes Zeitportrait erschafft, in welches sich die Haupt- und Nebenfiguren sinnig und stimmig einfügen. Rein inszenatorisch gleitet Garcia, der ruhig und besonnen agiert, nie aus den Händen und innerhalb des Genres sind die Arbeiten in Sachen Kostüm, Ausstattung und Maske absolut gelungen - für letzteres gab es dann gar eine Oscarnominierung, auch wenn man gerade an diesem Punkt ein wenig Streitmaterial finden kann.
Denn die Maskenbildner haben sicher Großes geleistet, wenn sie "Die Frau des Nobelpreisträgers"-Star Glenn Close und Janet McTeer hier zurechtmachen, damit sie in ihrer Zeit als Männer durchgehen. Dennoch bleiben ihre weiblichen Züge recht auffällig erhalten und als Zuschauer, der natürlich von Anfang an weiß, wie der Hase hier läuft, ist das etwas verwirrend. Irgendjemandem hätte dieses Geheimnis eigentlich auffallen müssen, denn so gut versteckt sind die weiblichen Geschlechtsmerkmale hier eben auch nicht - und in der deutschen Synchronisation fällt der Unterschied zwischen weiblicher und männlicher Stimme dann auch so extrem auf, dass man sich wundert, wieso Nobbs hier nur von aufmerksamen Kindern etwas länger angestarrt wird und nicht auch noch von den Kollegen und "Kunden".
Für Glenn Close ist es aber natürlich eine Traumrolle, die sie im Jahr 2012 zum wiederholten Male nah an einen Oscargewinn herbrachte. Ob es nun die Rolle ihre Lebens ist, darüber mag man streiten, ist Close's Rollenauswahl in den letzten Jahren doch ohnehin so gut, dass man da von mehreren Spitzenparts sprechen mag. Der "Das krumme Haus"-Star liefert auch hier eine ungemein nuancierte, bewegende Vorstellung ab, die in manchen Momenten gar in den Grundfesten erschüttert. Auch ihre Spielpartnerin Janet McTeer, unter anderem bekannt aus "Ein ganzes halbes Jahr" und der Netflix-Serie "Jessica Jones", war für ihre Rolle für einen Oscar nominiert und das vollkommen zurecht - gerade in den gemeinsamen Szenen mit ihr und Close brennt die Luft förmlich. Neben den beiden zementiert auch die großartige Mia Wasikowska weiterhin ihren Status als Arthouse-Star - schade, dass man von ihr in den letzten Jahren leider immer weniger hört.

Fazit: "Albert Nobbs" ist ein großartig gespieltes und stimmig inszeniertes Historien-Drama, welches ab und an an seiner etwas einseitigen Plotstruktur krankt und seinen Konflikten zu wenig Zeit einräumt. Dafür ist es aber ein packendes Konstrukt einer vergangenen Zeit, aufgearbeitet mit aktuellen Problemen, die Gewicht und Gravitas haben.

Note: 3+






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