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Lebensgefühl einer Epoche: Filmkritik zu "Mid90s"

Der dreizehnjährige Stevie (Sunny Suljic) wächst mitten in den 1990er Jahren bei seiner Mutter Dabney (Katherine Waterston) und seinem älteren Bruder Ian (Lucas Hedges) auf. Eines Tages beobachtet er eine Clique etwas älterer Jungs beim Skaten und beschließt, sich ihnen anschließen zu wollen. Tatsächlich nehmen die Jungs Stevie, nach anfänglicher Skepsis, nur zu gerne auf und er schließt eine tiefe Freundschaft zu jedem von ihnen. Die Jungs prägen Stevie auf seinem Weg zum Erwachsenen und machen viele seiner wichtigsten Jugenderfahrungen an seiner Seite durch. Allerdings überträgt sich auch der teils schlechtere Einfluss der Skater-Szene, darunter Alkohol und Drogen, auf den Jungen, der daraufhin auf die falsche Bahn zu geraten droht. Doch Ray (Na-kel Smith), der Anführer der Clique, hat dabei eine schützende Hand auf dessen Schultern gelegt.

Man spürt zu jeder Sekunde, dass dieser Film seinem Regisseur Jonah Hill nicht nur wirklich etwas bedeutet, sondern auch etwas über sein eigenes Leben und seinen Werdegang erzählen möchte. Die Skater-Szene der 90er ist nicht nostalgisch übertragen, sondern beinahe wie aus dem echten Leben abgefilmt - in einem passenden 4:3-Format, mit teils grobkörnigen Bildern und einem passenden Soundtrack sowie rasch abgeschnittenen Szenenfolgen, fühlt sich Hill so dermaßen dicht in das Szenario ein, dass man sich ihm kaum entziehen kann. Dabei passiert in "Mid90s" wenig Dramatisches - in den 80 Minuten konzentriert sich Hill deutlich mehr auf ein Eintauchen in diese Zeit und in die Skater-Szene als Besonderes, ohne dem eine richtige Dramaturgie überzustülpen. Es gibt zwar durchaus ein paar zentrale Konflikte und auch eine Form der Charakterentwicklung, doch ordnen sich diese nicht den bekannten, dramaturgischen Wegen unter, die man aus anderen Dramen kennt. "Mid90s" bleibt unaufgeregt, konzentriert auf die Atmosphäre seines Szenarios und wahnsinnig gekonnt darin, verschiedene Etappen dieser Szene zu präsentieren.
Nicht immer wirkt das gekonnt - so wird vor allem das Thema der gegenseitigen Rivalität nicht genügend beleuchtet und letztendlich eher trivial zur Seite geschoben, ohne dass etwas wirklich Sinniges darüber erzählt worden wäre. Atmosphärisch dicht ist das Treiben trotzdem und erzählt besonders das Reifen und auch gelegentliche Fallen des jungen Stevie auf erstaunliche Art und Weise. Von den ersten Versuchen, überhaupt auf einem Skateboard zu stehen bis hin zu den ausladenden Partys, wo er gar seine ersten sexuellen Erfahrungen machen kann, wirkt das alles sehr, sehr rund, ohne dabei jemals in irgendeiner Form aufgeregt zu sein. Davon profitiert auch der Subplot rund um seine Familie: Besonders Stevies Beziehung zu seinem Bruder Ian, der seinen Frust aufgrund seiner eigenen sozialen Schwierigkeiten an dem jüngeren Geschwisterteil auslässt ist herausragend stark erzählt...besonders, weil der Film diese immer wieder gekonnt zwischen den Zeilen erzählt und erwartbares Payoff auf sympathische Art und Weise auslässt.
Noch mehr Screentime erhalten natürlich die vier Jungs, zu denen Stevie die tiefe Freundschaft knüpft. Dabei findet Regisseur Hill eine passende Balance zwischen wichtigen Lehren und tiefgreifender Liebe zu der Szene. Die Jungs verhalten sich oftmals absolut unkorrekt und schlichtweg falsch, aber lässt Hill solcherlei Fehltritte auch gerne einfach mal verstehen - nur selten gibt es Konsequenzen. Das Lebensbild der fünf Jungs wirkt dennoch sehr aufbauend, da Loyalität wie nichts anderes zählt und man sich an Stevies Stelle gar richtig aufgenommen und akzeptiert fühlt. Obwohl man sich gegenseitig oftmals foppt und es auch mal handfeste Keilereien gibt... am Ende stehen sie doch füreinander ein, können einander vergeben und wieder aufs Board steigen. Auch hier verhält sich der Film unaufgeregt, nimmt keine echte Haltung zwischen Kritik und Glorifzierung ein, sondern zeigt uns die Szene, wie sie damals war, mit allen Tücken, Fehlern und klein-großen Momenten. Das wirkt dann schon sehr dicht, ohne jemals zu tief schürfen oder aufrütteln zu wollen und funktioniert daher als dynamische Abwicklung eines Zeitgeistes, wo das Posen ebenso viel zählt wie eine manchmal stumpfe und plötzlich wieder tiefsinnige Unterhaltung.

Fazit: "Mid90s" ist ein unaufgeregtes, in dieser Form dramaturgisch quasi rausgefallenes Konstrukt, welches einer fast vergessenen, aber immer noch atmosphärischen Szene fröhnt, ohne diese dabei zu überhöhen oder auch zu zerlegen. Lebensecht, hin und wieder lustig und dabei sehr gekonnt inszeniert, auch wenn einige Themen dabei deutlich zu trivial ausgearbeitet sind.

Note: 2-



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