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Es müssen nicht gleich wieder Oscars sein: Filmkritik zu "Emancipation"

Am 1. Januar 1863 tritt die Emanzipationsproklamation in Kraft - Präsident Abraham Lincoln schafft somit per Gesetz die Sklaverei ab. Darauf beginnen hunderttausende schwarze Männer und Frauen vor ihren weißen Häschern zu fliehen - darunter auch der von der Armee mitgenommene und dadurch von seiner Familie getrennte Peter (Will Smith), der für den Eisenbahnbau abbestellt wurde. In den Unionsstaaten hat das neue Gesetz jedoch noch keine rechtliche Bindung, weswegen die weißen Sklaventreiber alles daran setzen, die Flüchtenden wieder einzufangen... auch unter dem Einsatz brutaler Waffengewalt. Mit dem kaltblütigen Menschenjäger Jim Fassel (Ben Foster) heftet sich zudem ein unnachgiebiger Feind an Peters Fesseln, welcher den Mann bis aufs Blut verfolgt. Peter kämpft sich durch die nahen Sümpfe, um seine Spuren zu verwischen... mit den Gedanken stets bei seiner Familie, die er um jeden Preis wiedersehen will.

Ein Wort pocht aus Will Smiths neuestem Film "Emancipation" quasi durchgehend heraus: Oscar. Der gesamte Film scheint nicht nur mit einem Auge auf die begehrten Goldstatuen zu schielen, sondern sich ihnen mit aller Kraft anzubiedern... und das wirkt durchaus störend. Mit aller grausamen Kraft werden die menschenverachtenden Taten der eindimensional gezeichneten Sklaventreiber bebildert, der pathetische Soundtrack dröhnt aus allen Ecken und Will Smiths tränenverschmiertes Gesicht wird immer wieder in Großaufnahmen abgefilmt. Dadurch wirkt "Emancipation" eher wie ein himmelschreiender Versuch, sich (auch aufgrund des von der Academy durchaus beachteten Themas) unbedingt bei der Oscarverleihung in die erste Reihe zu stellen - so richtig glaubwürdig kommt das aber nicht daher, denn dafür ist der Film viel zu sehr hochstilisiert. Der fast vollkommen farbentsättigte Look wirkt dabei mit seinen sparsamen Farbtupfern ziemlich beliebig und kann dieses Stilmittel niemals so intensiv einsetzen wie Steven Spielbergs meisterhaftes Drama "Schindlers Liste" beispielsweise - einige starke Bilder kommen, dank der knackigen Inszenierung von Regisseur Antoine Fuqua, aber dennoch herum. Besonders die lebensgefährlichen Sümpfe des Umlands sind dabei beeindruckend abgefilmt.
Dieses förmliche Betteln um den begehrenswertesten Filmpreis Amerikas läuft aber ohnehin ins Leere, da der Film aufgrund Will Smiths Skandal bei der letzten Verleihung (ein ekelhaft hochgetriebenes Stück Mediengeschichte, welches aufzeigt, dass die Cancel Culture durchaus auch mal falsch abbiegen kann) ohnehin keine große Rolle spielen wird. Und somit untergräbt sich "Emancipation" in seinem filmtechnisch beachtenswerten, aber auch viel zu polierten und angestrengten Versuch irgendwie selbst. Eine maßlose Heldengeschichte muss es dabei sein - als würden die realen Heldentaten des echten Peter nicht schon ausreichen, muss nun auch ganz im Stile eines "The Revenant" mit wilden Tieren gerungen werden. Und typische, überdramatisierte Filmklischees müssen auch ihren Raum bekommen, um ja auch das ohnehin schwer zu schluckende Drama noch einmal anzuspitzen: Die zigfach gesehene Szene, in welcher der Protagonist durch einen Revolver bedroht wird, bevor ein anderer rettender Schuss knallt, findet sich hier ebenso wie diverse Zeitlupenszenen und klagende Gesten. Erst gegen Ende gelingen dem Film einige ehrliche, sehr bewegende Szenen, die auch durchaus zu Tränen rühren können. Zuvor hat Fuqua aber wenig geschaffen, was seinen "Emancipation" von thematisch ähnlichen und durchaus aufrichtigeren Werken abgrenzen könnte.
An der Leistung von Will Smith lässt sich wenig aussetzen: Wie gehabt wirft sich der zuletzt für das Drama "King Richard" mit dem Oscar prämierte Superstar mit einer unbändigen Kraft in den Ring, die durchaus packen kann. Richtig hinter der Rolle verschwinden tut er aber diesmal nicht - da wirken die üblichen Schmerzensgrimassen manchmal doch etwas overactet und man erkennt zu sehr den großen Schauspieler und weniger die Filmfigur. Im weiteren Verlauf des Films wird aber nicht nur dessen Dramaturgie, sondern auch Smiths Performance deutlich echter, wodurch "Emancipation" deutlich stringenter und intensiver zu seinem Ende läuft als zuvor angenommen. Smiths Konterpart bleibt hingegen dauerhaft auf einer Linie hängen, was vom Drehbuch jedoch auch so vorgegeben ist: "Lone Survivor"-Star Ben Foster darf als fieser Menschenjäger zwar auch mal einen Monolog halten, der seine niederen Beweggründe erklären soll, bleibt darüber hinaus aber vollkommen eindimensional. Viel mehr als eine unmenschliche, treibende Kraft kann er überhaupt nicht darbieten. Das macht seine Performance sicherlich nicht schlecht, doch in Sachen Glaubwürdigkeit kann auch er nur wenig mehr als das herausholen, was das sehr auf die Inszenierung pochende Skript hier zu geben bereit ist.

Fazit: Toll bebildertes, aber viel zu glatt auf diverse Filmpreise zurechtgestutztes Werk - die Inszenierung ist intensiv, aber auch viel zu angestrengt und findet keinen eigenen Stempel. Dadurch ist "Emancipation", trotz einiger heraussagender Szenen, nur selten bewegend, obwohl er sich so anstrengt, mit aller Wucht Gefühle beim Publikum zu wecken.

Note: 3-



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