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Frisches Ende einer einst festgefahrenen Reihe: Filmkritik zu "Halloween Ends"

Vier Jahre sind vergangen, seit Michael Myers (Nick Castle) sich durch den Mob der angefeuerten Einwohner Haddonfields metzelte und Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) ihm, nachdem er ihre Tochter Karen (Judy Greer) ermordete, den Kampf angesagt hat. In dieser Zeit ist Michael nicht mehr aufgetaucht, wohingegen Laurie sich dazu entschieden hat, den irren Mörder nicht mehr in ihr Leben eingreifen zu lassen - sie hat, ebenso wie ihre Enkelin Allyson (Andi Matichak), ihre Lebensfreude zurückgefunden. Doch Michaels Taten haben Haddonfield noch immer im Griff und die Bewohner suchen sich neue Feindbilder... so auch den wegen eines verheerenden, tödlichen Zwischenfalls brandgemarkten Corey Cunningham (Rohan Campbell). Und auch Laurie weiß, dass sie vielleicht niemals ganz mit Michael Myers abschließen kann, solange er dort draußen noch irgendwo am Leben ist.

Was sich mit dem direkten Vorgänger "Halloween Kills" bereits deutlich anbahnte, findet mit dem Abschluss der neuen "Halloween"-Trilogie nun ihren eindeutigen Höhepunkt: Weniger funktioniert der Film als weitere, schnöde Metzel-Orgie des vielleicht berühmtesten Massenmörders der Slasherfilm-Geschichte, sondern als gar nicht so dumme und ziemlich düstere Abhandlung darüber, wie die Überlebenden und Bewohner der Start, die von ihm terrorisiert wurden, mit dieser Geschichte umgehen. Die Macher rund um "Bad Sitter"-Regisseur David Gordon Green, der auch bereits die beiden direkten Vorgänger inszenierte, beweisen zumindest für dieses sonst oft in sehr vertrauten Bahnen verlaufende Genre eine ganze Menge Mut. Sie hätten das große Finale der "Halloween"-Trilogie auch erneut als normalen Slasher mit einem sich durch zahlreiche Figuren schnetzelnden Myers drehen können - das Einspiel an den Kinokassen wäre sicherlich dasselbe gewesen. Tatsächlich wollten sie aber offenbar nicht noch einmal dasselbe machen und verwandeln "Halloween Ends" in einen Film, der über lange Strecken eher wie ein finsteres Drama anmutet und mit seinen typischen Slasher-Anleihen sehr lange wartet... um dann auch diese atmosphärisch anders zu inszenieren.
Natürlich bekommen die Fans, die von Michael Myers' letztem (?) Streifzug durch Haddonfield vordergründig einiges an Blut und extremen Kills erwarten, auch genau das - zahlreiche Charaktere landen im Verlauf unterm Messer oder auch unter anderen, zweckentfremdeten Gebrauchsgegenständen und die erneute FSK-Freigabe ab 18 Jahren verdient sich der Film auch absolut gerechtfertigt. Trotzdem erzählt "Halloween Ends" unter der Oberfläche noch so viel mehr - was besonders ersichtlich daran ist, wie wenig Screentime der echte Michael Myers hier letztendlich erhält. Das Finale erzählt noch wuchtiger und bösartiger als "Halloween Kills" davon, wie eine ganze Stadt nicht nur von den Taten eines einzelnen traumatisiert wird, sondern von dem bedrohlichen Schatten, beinahe einer Legende, die von dieser Person ausgeht. Es geht um Feindbilder, um Vorverurteilung, ums Gefangenwerden und Fallenlassen, um falsches und richtiges Vertrauen... und um das, was ein Mensch werden kann, wenn er nur den falschen Schlagkräften ausgesetzt ist. Das ist atmosphärisch dicht inszeniert und geht, zumindest für einen Film dieses Genres, ziemlich stark in die Tiefe. Einige kleinere Längen sowie ein Finale, welches dann doch etwas flott mit den zuvor aufgebauten, sehr großen Themen aufräumt, gibt es zwar zu beklagen, doch ist "Halloween Ends" mit dieser Umstrukturierung nicht nur der spannendste, sondern auch der dramatischste Film der neuausgelegten Reihe geworden.
Die Anspielungen auf das übergroße Original fallen dabei nicht so extrem plakativ aus wie zuvor - "Halloween Ends" schleppt das Erbe zwar weiterhin mit sich herum, was sich vor allem in der alles verbindenden Rolle der Laurie Strode spiegelt. Trotzdem versucht der Film mit seinem ganz eigenen Story-Konstrukt, welches den Charakter Michael Myers und seinen Schatten etwas deutlicher erklärt, ihn aber niemals entmystifiziert, auf eigenen Beinen zu stehen... und allein das macht dieses Werk mutiger und packender als zuvor zu erwarten war. Natürlich tummeln sich auch hier weiterhin typische Genre-Klischees und einige Figuren bringen sich schon sehr früh in Stellung, um auch ja so bald wie möglich dahingemeuchelt zu werden. Meistens findet der Film aber einen schönen Bogen, um die klassische Slasher-Nummer mit einer aktuellen, so noch nicht oft gesehenen Sichtweise zu verbinden. Das mag für den ein oder anderen etwas zu weit weg vom originalen Atem sein, ist aber immerhin sehr frisch und somit stets für eine Überraschung gut. Und ganz nebenbei ist "Halloween Ends" auch noch sehr schick gefilmt und auch die meisten Darsteller*innen, allen voran natürlich Jamie Lee Curtis, machen einen mehr als soliden Job. Dass die Reihe auf diesem Punkt nun endet, tut ihr rückblickend sehr gut - denn einen deutlicheren und befriedigenderen Schlussakt, der wirklich den Deckel zuhaut, hätte man wohl auch nicht mehr hinbekommen können.

Fazit: "Halloween Ends" ist ein mutiger Schnitt, der sowohl als befriedigendes Finale als auch als ziemlich düstere Debatte funktioniert. Obwohl im Kern immer noch ein blutiger Slasher, verbirgt sich unter der Oberfläche weit mehr, als man erahnen würde, auch wenn dabei der typische Myers-Zug ins Hintertreffen gerät... was nach so vielen Filmen kein Nachteil mehr sein muss.

Note: 2-



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