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Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht.

Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spider-Man" Holland, einen der gefeiertsten Stars seiner Generation, für ihr neues Werk heran, welches sie für Apple TV inszenieren wollen: Das muss sich für den Streamingservice wie ein absoluter Sechser im Lotto angefühlt haben und wohl nicht wenige haben gespannt darauf gewartet, was die "The Gray Man"-Regisseure wohl nun aus dem Hut zaubern würden. Ganz unproblematisch ist ihre pompöse Marvel-Vergangenheit dabei allerdings nicht, da sie hier nun auch einen Film als pathetischen Überblockbuster der ganz lauten Töne inszenieren, zu dem das gar nicht so richtig passen mag. Superzeitlupen, ein dröhnender Soundtrack, unglaublich viele dramatische Übertöne... die Russos packen den Holzhammer praktisch schon nach wenigen Minuten aus und lassen ihn dann stets in ihren Händen ruhen, um alle paar Szenen wieder damit zuzuschlagen. Das verfehlt seine Wirkung nicht immer, wirkt oftmals aber auch arg überzeichnet.
So haben andere Antikriegs-Dramen wie "Brothers" in den letzten Jahren bereits bewiesen, dass es alles andere als laut zugehen muss, um die erschütternden Botschaften eines solchen Films auch kraftvoll herüberzubringen. Die Botschaft kommt auch hier an und sie bewegt über weite Strecken auch sehr... doch oftmals wird dem Publikum dabei so überdeutlich klargemacht, was es nun zu fühlen hat, dass sich eben diese Emotionen dann nicht immer einstellen wollen. Die Russos haben ein starkes Gefühl für eindringliche und auch schön komponierte Bilder, doch wirkt "Cherry" dabei oftmals viel zu sicher durchgetaktet. Diese äußere Schönheit einer düsteren Handlung täuscht in der zweiten Hälfte auch nicht über diverse Längen hinweg, wenn doch etwas zu zäh in den tragischen Selbstzerstörungen des Protagonisten gebadet wird. Wie gesagt, das hat alles seine starken Momente, aber es ist hin und wieder zu viel des Guten und wirkt deswegen nicht immer richtig glaubwürdig, auch wenn die Message dahinter durchweg eine löbliche ist, die ihr Ziel definitiv nicht verfehlt.
Bezüglich der Glaubwürdigkeit ist es auch bei der Besetzung so eine Sache: An den herausragenden und sehr kraftvollen Leistungen von Tom Holland und Ciara Bravo lässt sich im Grunde rein gar nichts aussetzen - beide agieren auf der Höhe ihrer Power und können den Zuschauer in sehr emotionalen und aufwühlenden Momenten voll abholen. Sehr kritisch wird es jedoch, wenn man sich die beiden nur ein wenig genauer anschaut: Sowohl Holland als auch (vor allem!) Bravo sehen wahnsinnig jung aus, was gerade im späteren Verlauf des Films, wenn beide ein etwas höheres Alter erreichen, zu extremen Glaubwürdigkeitsproblemen führt. Besonders Bravo sieht schlicht und einfach aus wie eine vierzehnjährige, was rein gar nichts über ihr klar zu sehendes Schauspieltalent aussagt, aber immer wieder für Brüche sorgt, da man ihrem kindlichen Gesicht viele der Etappen auf ihrer Reise nicht abnehmen mag. Trotzdem funktionieren beide zusammen sehr gut, auch da sich das Drehbuch genügend Zeit nimmt, um ihre erst sprunghaft wirkende und letztendlich sehr nahbar erzählte Beziehung genau auszutarieren. Der Mix aus Kriegs-Drama, Beziehungsgeschichte und Kriminal-Thriller schlägt sich dabei gut, ohne aus dem Takt zu kommen.

Fazit: Die Überinszenierung des Regie-Duos ist leider oft zu viel des Guten und nimmt "Cherry" immer wieder seine Kraft. Unter der Schale verbirgt sich jedoch ein grimmiger, bewegender und hervorragend gespielter Film, der ab und zu auch gern etwas leisere Töne hätte anschlagen können.

Note: 3



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