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Verspieltes Durcheinander: Filmkritik zu David O. Russell's "Amsterdam"

Während des Ersten Weltkrieges lernen sich die Krankenschwester Valerie (Margot Robbie) und die beiden Soldaten Burt (Christian Bale) und Harold (John David Washington) in einem Lazarett kennen - rasch werden sie Freunde, auch wenn sich einige der Wege in späterer Zeit wieder trennen sollen. Jahre später arbeiten Burt und Harold gemeinsam an einem prekären Fall, als sie Zeugen eines grausamen Mordes und für diesen auch gleich beschuldigt werden. Den beiden Freunden bleibt angesichts der aufgebrachten Menge nur die Flucht - nun müssen sie sich daranmachen, ihren Namen wieder reinzuwaschen. Die wahren Mörder sind ihnen jedoch schon auf der Spur und da ihnen die Zeit davonläuft und sich um sie herum gar ein wahnwitziges Komplott auszubreiten beginnt, müssen sie sich Hilfe in der Obrigkeit der Gesellschaft suchen...

Es dürfte wohl kaum einen Filmfan geben, der David O. Russell's bisherige Werke nicht liebt oder zumindest schätzt - gleich viermal hintereinander hat er dabei die Oscars aufgemischt oder zumindest ordentlich mitbestimmt und mit "The Fighter" und "Silver Linings" sowie mit Abstrichen auch "Joy" und "American Hustle" bockstarke Filme abgeliefert. Umso enttäuschender, was Russell nach siebenjähriger Abstinenz als nächstes abliefert, denn sein "Amsterdam" sprüht zwar vor Tempo, Verspieltheit und allerlei ulkiger Gesellschaftskritik, ist dabei aber in Sachen Plot ein solch heilloses Durcheinander, dass schon bald jede Dramaturgie flöten geht. Angesichts eines wahnsinnig spielfreudigen Ensembles, allen voran ein mal wieder hervorragender Christian Bale, kann man durchaus seine Freude an diesem Verwirrspiel haben... bis in die Nebenrollen ist "Amsterdam" namhaft besetzt und nicht einer dieser Superstars gibt sich hier auch nur ansatzweise die Blöße. Das, was sie hier jedoch darbieten müssen, ist nicht immer wirklich glänzendes Gold.
So werden viele Figuren förmlich nur in die Handlung hineingeschoben, um dann wieder herausgezogen zu werden... mit einem möglichen, aber nicht zwingenden Comeback in den späteren Filmminuten. Das Ensemble sorgt dabei immer wieder für viele amüsante Situationen - so sind die Auftritte von der brillanten Anya Taylor-Joy oder von "Knives Out"-Star Michael Shannon quasi in jeglicher Hinsicht Gold wert. Der Film zerfasert aufgrund seiner unnötig komplizierten Erzählstruktur aber auch schnell, da Russell immer wieder mit Rückblenden arbeitet und die drei Hauptfiguren von einer kruden Situation in die nächste stolpern lässt, oftmals ohne direkt sichtbaren Zusammenhang. Der an und für sich dramatische Hintergrund verschwimmt dabei immer weiter, weswegen auch das Finale, welches all diesen Ballast einigermaßen verschnüren soll, eher kraftlos verpufft. Die Geschichte an sich ist im Kern nämlich relativ simpel, wird durch zahlreiche Zwischenstopps und noch mehr Charaktere jedoch unnötig aufgebläht, was den Film Kurzweil und letztendlich auch Unterhaltungswert kostet.
An der Inszenierung des Regisseurs lässt sich gemeinhin wenig aussetzen - selbst langwierige, bisweilen sogar verquatschte Dialogszenen filmt er noch mit viel Verve und der wunderbare Soundtrack "Mollys Game"-Komponist Daniel Pemberton unterlegt solcherlei mit schönem Schwung. Letztendlich findet "Amsterdam" jedoch keinen klaren Fokus und lässt die an und für sich interessanten, aber auch viel zu arg durchgehetzten Charaktere kaum richtig zu Wort kommen. Der Plot verschwimmt in mal mehr, mal weniger amüsanten Einzelmomenten und die Trefferquote der Gags bewegt sich allenfalls irgendwo im Durchschnittsbereich. Dass da wahnsinnig viel Talent an einem Ort versammelt ist, sieht man dem Film durchweg an, doch das zerfaserte Drehbuch und der Sinn, immer noch mehr und mehr erzählen zu wollen, obwohl dies der Dramaturgie schadet, lässt dieses Talent eher oberflächlich durchblitzen. Insgesamt also ein reichlich enttäuschendes Werk, welches keinen echten roten Faden findet und daher eher durchläuft statt wirklich zu packen.

Fazit: Das spielfreudige Ensemble amüsiert in vielen Szenen, doch sind Plot, Dramaturgie und Charaktere viel zu unfokussiert dargeboten, um wirklich mitreißen zu können. Ein unnötig aufgeblähtes, wenn auch immer wieder erfrischendes Stück, welches letztendlich eher anstrengt als erheitert.

Note: 4+



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