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Deutsche Stars als Horror-Eltern: Filmkritik zu "Frau Müller muss weg"

An einem Samstag in Dresden treffen fünf Elternteile an einer Grundschule ein. Ihr Plan: Sie wollen Frau Müller (Gabriele Maria Schmeide), die Klassenlehrerin ihrer Kinder, zu einem Rücktritt drängen. Der Grund: Die Unruhen in der Klasse sind gestiegen, die Noten werden schlechter und Frau Müller scheint auch psychisch dem Druck der Kinder nicht gewachsen zu sein. Als Jessica Hövel (Anke Engelke), Wolf Heider (Justus von Dohnanyi), Katja Grabowski (Alwara Höfels) und das semi-begeisterte Ehepaar Marina (Mina Tander) und Patrick Jeskow (Ken Duken) die überraschte Lehrerin mit den Vorwürfen konfrontieren, zeigt diese sich jedoch uneinsichtig und sieht die Schuld nicht bei ihren pädagogischen Ansätzen, sondern bei den verzogenen Kindern und deren Eltern. Dabei werden die Eltern auch mit ihren ganz eigenen Problemen konfrontiert und müssen feststellen, dass die Sichtweisen, in denen sie ihre geliebten Kinder eigentlich sehen wollen, womöglich nicht immer etwas mit der Realität zu tun haben... 

Auch im Jahr 2015 hat Sönke Wortmann für seine deutsche Filmkomödie, die ebenso wie die später erschienenen "Der Vorname" und "Eingeschlossene Gesellschaft" vordergründig als Kammerspiel funktioniert, eine beeindruckende Besetzung gewonnen. Justus von Dohnanyi ist, wie praktisch immer, mit dabei und kann als arbeitsloser Vater, der viel zu viel Zeit mit seiner Tochter verbringt, durchweg glänzen. Auch Anke Engelke gefällt als arbeitswütiges Biest, während Ken Duken und Alwara Höfels erst für die ruhigeren Töne zuständig sind, die dann nach und nach abblättern. Und genau dieses Herauskitzeln von wahren Seiten der Charaktere, die zu Beginn noch als Klischee eingeführt werden, gelingt Wortmann auch in diesem Film. Natürlich ist es klar, dass diese teilweise arg herrischen und kritikunfähigen Eltern irgendwann von ihrer eigenen Medizin kosten müssen, doch mit welch bitteren Realitäten sie dabei konfrontiert werden und wie diese darauf reagieren, ist immer wieder köstlich.
Am spaßigsten ist dabei die Gegenüberstellung von dem, was die Kinder in der Schulzeit tatsächlich tun und dem, was die Eltern gern hätten, was diese tun... und was diese dann auch, laut deren Aussagen, sicherlich tun. Für die Eltern sind ihre Kinder allesamt Goldstücke, die sicherlich keiner Fliege etwas zu leidetun können - Wortmann bewegt sich dabei sicherlich in überhöhten Komödienbereichen, klatscht aber auch sehr galant und mit viel Wortwitz die echten Helikoptereltern unserer Gesellschaft ab, die alle Fehler sehen, aber nicht die ihrer Goldschätze. Das führt immer wieder zu einigen herrlichen Dialog-Momenten, in denen die Eltern ihre Kinder nicht nur quasi gegeneinander antreten lassen, sondern auch immer wieder Ausflüchte für das Fehlverhalten ihrer Kids suchen... nur, damit sie ihre eigenen Sichtweisen und Erwartungen nicht verändern müssen. Wie Wortmann diese fünf schrägen, aber niemals unglaubwürdigen Figuren dabei passend aufeinander loslässt, ist in Sachen Timing und Ideenvielfalt nicht unbedingt meisterhaft, aber schon wirklich sehr spaßig.
Allerdings erschafft sich das sonst so stilsichere und witzige Drehbuch auch immer wieder unnötige Klötze am Bein, wenn durchaus klischeehafte und typische Konflikte aufgemacht werden. Dass bei dem Ehepaar Jeskow auch mal die Beziehung zur Debatte steht, kann man so noch hinnehmen; dass aber auch noch bei zwei weiteren Charakteren ein romantisches Techtelmechtel aufgemacht wird, welches es dann auszudiskutieren gilt, bremst den ansonsten so frechen Plot immer wieder unangenehm aus. Der Fokus geht alsbald weg vom spannenderen Grundkonflikt rund um die titelgebende Lehrerin und die vielleicht gar nicht so artigen Kinder und verirrt sich in langatmigem Liebesquatsch, der auch nicht sonderlich ansprechend oder clever aufgedröselt wird. Auch verhaut man sich im Finale mit einigen viel zu offensichtlichen Wendungen sowie unnötigem Comedy-Klamauk, bei welchem sich natürlich ordentlich auf die Birne gehauen wird, den zuvor leiseren und sanfteren Tonfall. Aber solcherlei Szenen machen sich in der Werbung natürlich gut, weswegen man auf ein paar lautere Zwischenfälle wohl nicht verzichten wollte, obwohl diese humortechnisch kaum zu landen wissen.

Fazit: Wie gehabt ein sehr spaßiges Kammerspiel aus der Feder Sönke Wortmanns, die schnippische Charaktere und einen herrlichen Grundkonflikt sowie scharfe Dialoge bietet. Mit der Zeit verliert der Film diesen Fokus zugunsten einiger schaler Beziehungsdiskussionen aber zu arg aus dem Auge.

Note: 3+



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