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Nicht so denkwürdig: Filmkritik zu "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe"

Im Jahr 1830 wird der pensionierte, mit einem Alkoholproblem behaftete Polizist Augustus Landor (Christian Bale) zur US-Militärakademie in West Point. Dort hat es einen scheinbaren Selbstmord eines jungen Kadetten gegeben, den Landor untersuchen soll. Schon nach kurzer Zeit ist sich Landor gewiss, dass der junge Mann keinen Suizid begangen hat und stattdessen die Tat eines Mörders dahintersteckt... der zudem einen Hang zur extremen Brutalität hat, da das Herz des Opfers nach dessen Tod herausgeschnitten und entwendet worden ist. Landor schließt sich mit dem Kadetten Edgar A. Poe (Jarry Melling) zusammen, der unter den Männern als Außenseiter und Sonderling gilt. Mit ihm gemeinsam glaubt Landor, den Fall zur Zufriedenheit aller aufklären zu können.

Opfer, denen das Herz fehlt - daran musste ich während der teils sehr langen zwei Stunden, welche ich für die Sichtung des neuen Filmes von "Hostiles"-Regisseur Scott Cooper benötigte, immer wieder denken und das nicht nur, weil dies ein wichtiger Teil der Handlung ist. Denn ebenso wie manch einem armen Opfer könnte man meinen, dass auch dem Film nachträglich das Herz entnommen wurde, so kühl und berechnend fühlt er sich an. Das ist besonders deswegen tragisch, da "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" erschreckend viel Zeit darauf verwendet, seinen Figuren einen dramatischen Background zu verpassen und diesen dann auch noch in den zentralen Kriminalfall einzuweben. Dabei wird der Film nicht nur ziemlich zäh, sondern bleibt in diesen bemüht wirkenden Szenarien auch noch erstaunlich handzahm. Das trifft besonders auf die Geschichte des zwar historischen, hier aber weitestgehend fiktionalisierten Edgar Allan Poe zu, dessen Lovestory über weite Strecken eher langweilt als wirklich berührt.
Der im Zentrum stehende Kriminalfall kann zu Beginn das Interesse noch wecken, wird dann aber immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Zudem lässt sich eine Auflösung, die natürlich bis zum bitteren Ende hinausgezögert wird, viel zu früh vorausahnen, was den Film dann auch noch einen seiner wenigen Überraschungsmomente kostet. Rein dramaturgisch lässt sich "Der denkwürdige Fall des Mr Poe" als altmodisch bezeichnen, was an und für sich nichts schlechtes sein muss - tatsächlich wirkt das langsame Tempo und das ruhige, beinahe besonnene Suchen und Finden von diversen Hinweisen auf eine gewisse Art und Weise charmant. Dabei kommt es aber mitunter, während ewig langer Recherchen, zu einer gewissen Geschwätzigkeit: Die Dialoge sind zwar nett geschrieben, bringen den Film aber viel zu selten wirklich voran. Dass er auf über zwei Stunden Laufzeit aufgeblasen wurde, obwohl weder die Charaktere noch der Krimi-Plot allzu doppelbödig oder komplex daherkommt, ist schlicht und einfach der Langsamkeit der Erzählung geschuldet. Das wirkt dann zwar immer wieder angenehm atmosphärisch, rechtfertigt aber diese extremen Längen nicht.
An der Inszenierung des Regisseurs lässt sich hingegen wenig aussetzen - Cooper findet immer wieder atmosphärische Bilder, die das schneeumwucherte Treiben wunderbar in Szene setzen. Enge, dunkle Kaschemmen und unaufgeregte, als solche aber schön anzusehene Naturbilder machen den Film zu einem Erlebnis für die Augen. Und selbstverständlich ist auch Christian Bale in der Hauptrolle absolut brillant, wie bei im Grunde allem, was er in den letzten Jahren so dargeboten hat - alleine die ersten 15 Minuten des Films, in denen er seinen Vorgesetzten immer wieder deren oberflächliche Theorien mit nur wenigen Worten und stählernen Blicken um die Ohren haut, sind schlichtweg Gold wert. Und auch der ehemalige "Harry Potter"-Star Harry Melling untermauert mit seiner Performance als schüchterner, von der Kunst umwobener Schriftsteller erneut, dass man in Zukunft noch einiges von ihm hören wird. Der Rest das Casts (wobei sich darunter solch illustre Namen wie Robert Duvall, Timothy Spall und Gillian Anderson finden lassen) leistet einen soliden, dem Thema angemessenen Dienst, ohne Bale und Melling dabei allzu arg die Show zu stehlen.

Fazit: Der neue Film von Scott Cooper ist zwar atmosphärisch dicht inszeniert und stark gespielt, die Handlung ist auf diversen Nebenschauplätzen und auch beim fokussierten Kriminalfall so banal, zäh und leidenschaftslos, dass sich schon früh echte Langeweile breitmacht.

Note: 4+



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