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Skurille Figuren in handzahmem Plot: Filmkritik zu "Mein Schatz, unsere Familie und Ich"

Eigentlich hatten Kate (Reese Witherspoon) und Brad (Vince Vaughn) vor, die Weihnachtstage wie jedes Jahr fernab ihrer Familien zu verbringen, wobei sie bizarre Ausreden nutzen, um nicht bei diesen aufschlagen zu müssen. Aufgrund einiger Zwischenfälle sehen sich beide jedoch gezwungen, bei allen Familienhäusern am Weihnachtstag Halt zu machen - ganze vier an der Zahl, da alle vier Elternteile des Paares mittlerweile mit neuen Partner*innen zusammenleben. Schon der Ausflug zu Brads Vater Howard (Robert Duvall) eskaliert rasch in einer mittelschweren Katastrophe und es scheint nicht so, als würden die restlichen Familientreffen harmonischer ablaufen. Tatsächlich droht für Brad und Kate sogar der erste, handfeste Krach in ihrer glücklichen Beziehung, da diese sich von den aggressiven Familienmitgliedern förmlich einschüchtern lassen...

Die Idee ist wirklich nicht neu und schon der unglücklich gewählte, deutsche Titel soll das Publikum wohl mit den Erwartungen in die Richtung der "Fockers"-Reihe drücken, obwohl die ersten Treffen eines Teil des Paares mit der Familie des jeweils anderen nun wirklich nicht den Kernkonflikt ausmacht. Tatsächlich geht es vermehrt darum, die beiden Protagonisten abwechselnd in ihre ganz persönliche Familienhölle zu schicken und dabei geht es dann auch ziemlich rabiat zu. Für kitschige Weihnachtsgefühle bleibt da erstmal kein Raum, stattdessen schießt "Kill the Boss"-Regisseur Seth Gordon von Anfang an mit der humoristischen Bazooka. Beinahe alle Familienmitglieder des glücklich unverheirateten und kinderlosen Paares sind vollkommene Chaoten und diese skurillen, völlig überdrehten Figuren machen dann bisweilen auch viel Freude. Man darf hier keinerlei anspruchsvollen Humor erwarten, doch schießen die Autoren immer wieder mit neuen, brachialen Ideen um die Ecke, um das Weihnachtschaos immer perfekter zu machen. Längst nicht alle Gags treffen dabei ihr Ziel, doch gibt es genügend Punktlandungen, um sich zumindest kurzweilig zu amüsieren.
Die erstaunlich namhafte Besetzung macht dabei einen ziemlich guten Job - so sind fast alle Familienmitglieder der Protagonisten mit größeren Hollywood-Stars besetzt worden, die offensichtlich viel Freude daran hatten, hier mal so richtig abzudrehen. Altstar Robert Duvall hält sich mit dem Chargieren angenehm zurück und wirkt dennoch herrlich rustikal, während Marvel-Star Jon Favreau als wrestlingbesessener Bruder mit Geschmack für Hühnchen so dermaßen überdreht, dass es nur eine wahre Freude ist. Diese Armada an recht überzogenen, aber auch erheiternden Starauftritten würde jedoch kaum funktionieren, wenn nicht auch die Hauptdarsteller*innen auftrumpfen dürften. Die Chemie zwischen Vince Vaughn und Reese Witherspoon stimmt dabei und schon ihr erstes "Aufeinandertreffen" macht mit einer netten Wendung ziemlich Laune. Beide spielen sich passabel die Bälle zu und dürfen dabei praktisch abwechselnd ihr bekanntes Comedy-Timing beweisen... bis das Drehbuch ihnen dann doch sehr enttäuschend die Steine vor die Füße schmeißt.
Denn dass es dann irgendwann auch rührselig wird, ist ebenso erwartbar wie schwach inszeniert. Es ist gar ein wenig ärgerlich, dass aus den anfänglich so rustikalen Figuren, die sich über Selbstbestimmtheit und ein modernes Beziehungsbild ins Herz des Publikums spielen, letztendlich zugunsten der durchsichtigen Hollywood-Schemata so versimpelt werden müssen. Letztendlich steht die Message da, dass es ohne Hochzeit und Kinder eigentlich doch nicht geht - dabei waren die klar gezogenen Linien zuvor genau das, was Brad und Kate von den typischen RomCom-Pärchen so abgehoben hat. Nicht nur versinkt der Film dann doch im typischen Weihnachtskitsch und plätschert so förmlich unaufgeregt zu seinem Ende - er macht auch noch seine Hauptcharaktere kaputt, um sie dem typischen Weltbild anzupassen und ihnen jegliche Ecken und Kanten abzuschleifen. Es ist nicht so, dass man das nicht erwartet hätte, aber wie das Drehbuch diese Schritte vornimmt, ist wahnsinnig penetrant. So wird die zuvor so selbstbewusste Kate quasi mit dem Holzhammer zum Kinderwunsch gezwungen, während der arme Brad quasi durch die Hölle geht und dafür sogar noch abgestraft wird. Das ist eine Message, die ziemlich typisch ist und noch dazu einigermaßen verlogen wirkt.

Fazit: Durch die typisch-kitschige Message, die nicht versöhnlich stimmen mag, sondern eher erzürnt, verliert diese zuvor so rabaukige Komödie fast ihren kompletten Charme. Dabei machte das große Chaos in gleich vier Familienhäusern mit überdrehenden Stars und treffsicherem Slapstick vorher sogar einigermaßen Spaß.

Note: 4+



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