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Kranker Walross-Scheiß: Filmkritik zu "Tusk" (2014)

Wallace Bryton (Justin Long) veranstaltet gemeinsam mit seinem Freund Teddy Craft (Haley Joel Osment) einen Podcast, bei welchem vor allem über obskure Geschichten und Vorfälle anderer Menschen gesprochen wird. Wallace reist nach Kanada, um dort mit einem Jungen zu sprechen, der sich versehentlich ein Bein abgeschnitten hat, muss vor Ort jedoch feststellen, dass diese Quelle versiegt ist. Auf der Suche nach einer anderen, spektakulären Geschichte trifft er auf den alten, ehemaligen Soldaten Howard Howe (Michael Parks), der allein in seiner Villa wohnt und mit diversen Geschichten aus seiner Zeit als Seemann prahlt. Dabei erzählt er auch, dass er eines Tages von einem Walross auf einer Insel gerettet wurde. Wallace verspricht sich davon einen spannenden Inhalt für den Podcast, muss bald darauf jedoch erkennen, dass er stattdessen eine Tortur durchmachen muss, die jedem Vergleich trotzt...

Kevin Smith war ja noch nie ein Mann der leisen Töne, doch was der Regisseur und Schauspieler mit seinem abendfüllenden Werk "Tusk" aus dem Jahr 2014 ablieferte, das ist schon... anders. Die gesamte zweite Hälfte des Films lässt sich dabei als eine Art völlig kranke, aber auch ungemein überzogene und skurille Grenzerfahrung beschreiben, bei der man nie weiß, was man eigentlich fühlen soll. Smith scheint uns zum Lachen bringen zu wollen, denn nur so sind einige der völlig banalen Nebenhandlungen sowie der grandios-schräge Auftritt eines Megastars als französischer Detektiv zu deuten. Was er in seiner Walross-Geschichte jedoch im Fokus abliefert, ist auf ganz neue Art und Weise verstörend. Natürlich total drüber, absolut lächerlich... aber es tut wirklich weh. Mit hervorragenden Maskeneffekten und einigen wirklich kranken Ideen, die sich gegenseitig immer wieder selbst übertreffen, erzeugt Smith zwar keinerlei dramaturgische Spannung, aber durchaus ein fortwährend-unangenehmes Gefühl. Dabei wankelt "Tusk" unentschlossen zwischen einer albernen Komödie und groteskem Horrorfilm und kriegt keins davon so richtig hin, sammelt aber immer wieder Extrapunkte in beiden Bereichen.
So schießt die Geschichte um den völlig abgedrehten Detektiv im Comedy-Bereich den Vogel ab und die Performance des Hollywood-Stars, dessen Identität hier jedoch aufgrund des Überraschungseffekts nicht verraten werden soll, ist einfach nur köstlich. Es nimmt aber auch ordentlich Wind aus den zuvor gesetzten Tiefschlägen, die in ihrem grotesken Wahn wahrlich schmerzhaft sind, auch wenn man sie in ihrem Übersinn nicht ernstnehmen kann. "Tusk" ist also selbst in seiner völlig kranken Ausgangslage noch ein ziemliches Hin und Her, welches grenzenüberschreitend sein könnte, sich selbst aber immer wieder ausbremst. Dazu passt auch die Zeichnung von Hauptcharakter Wallace als absolut ekelhafter Unsympath - seine pubertären Dummi-Sprüche, seine egomanischen Züge sowie sein widerlicher Voyeurismus schließen ihn als Sympathieträger von vornherein aus, weswegen es schwerfällt, mit ihm mitzufiebern oder mitzuleiden. Eine richtige Identifikationsfigur, die wir nicht von Anfang an hassen, hätte das nachfolgende Martyrium sicherlich noch heftiger und brutaler gemacht als es das nun ohnehin schon ist. Womöglich fehlte den Machern an dieser Stelle der Mut.
"Drag Me To Hell"-Star Justin Long darf man dennoch Lob zollen, denn was dieser vor allem in der zweiten Hälfte vorgibt, obwohl er sich dabei körperlich in... nun ja, schwierigen Situationen befindet, sollte man durchaus berücksichtigen. Der wahre Star des Films ist jedoch ein anderer: Der im Jahr 2017 verstorbene Michael Parks muss als fieser Senior zwar gehörig chargieren, agiert dabei jedoch dem verrückten Tonfall des Films angemessen. Keine glaubwürdige Leistung an dieser Stelle, aber durchaus eine effektive, die seinen Howard Howe zu einem erinnerungswürdigen Psychopathen macht, den man so in dieser Form auch noch nicht gesehen hat. Den diversen Nebenfiguren kommt später dann zwar noch erstaunlich viel Leinwandzeit zu, doch so richtig absetzen können sich sowohl Genesis Rodriguez als besorgte Partnerin sowie "The Sixth Sense"-Kinderstar Haley Joel Osment nicht so recht, was sowohl an ihren schwach geschriebenen Figuren als auch an dem besagten Superstar-Gastauftritt liegt, der beiden sehr die Schau stiehlt und dabei in seinem eigenen, sehr gelungenen, aber auch tonal völlig wirren Mikrokosmos zu existieren scheint.

Fazit: "Tusk" ist von seiner grotesken Ausgangsidee bis hin zur belastenden Ausführung wirklich kranker Scheiß. Wilde Comedyeinlagen sowie ein wahrlich unsympathischer Protagonist sorgen jedoch dafür, dass der Stresspegel bei all diesem ekelhaften Irrsinn niemals in zu bedrohliche Regionen ausschlägt - der Film nimmt sich immer wieder den Wind aus den Segeln.

Note: 4+



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