Direkt zum Hauptbereich

Etwas mehr Pepp bitte: Filmkritik zu "Palmer"

Eddie Palmer (Justin Timberlake) ist gerade frisch aus dem Gefängnis entlassen worden, nachdem er zwölf Jahre dort eingesessen ist, und kehrt in seine Heimat Louisiana zurück. Dort kommt er bei seiner Großmutter Vivian (June Squibb) unter, die sich seit dem Tod seines Vaters um ihn gekümmert hat. Palmer versucht einen Job zu finden, doch seine Vorstrafe steht ihm dabei mehrfach im Weg. Sein zielloser Alltag ändert sich, als der Nachbarsjunge Sam Burdette (Ryder Allen) in sein Leben tritt - da dessen Mutter Shelly (Juno Temple) aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit immer wieder tagelang verschwindet, kommt dieser dann bei Vivian unter. Sam baut rasch eine Bindung zum wortkargen Palmer auf, was für diesen erst nach einer gewissen Weile auf Gegenseitigkeit zu beruhen beginnt. Dabei wird Palmer auch Teil der dunklen Seiten von Sams Leben, in welchen dieser sich mit schwerem Mobbing in seiner Schule sowie seiner zerrütteten Familie auseinandersetzen muss...

Emotional verschrobener Ex-Straftäter, der versucht in sein Leben zurückzufinden, trifft auf ein aufgewecktes Kind, welches ihn aus seiner Komfortzone lockt. Wer an dieser Stelle aufgrund dieses konventionellen Plot-Aufhängers gähnt, dem kann man dabei gar nicht mal böse sein und hat bei der Sichtung von "Palmer", der exklusiv auf dem Streamingdienst von Apple zu sehen ist, auch gar nicht mal so viele Argumente parat, um dessen Abneigung zu widerlegen. Das muss ja aber prinzipiell erstmal nichts Schlechtes sein, denn eine altbekannte Geschichte kann mit dem Herz am rechten Fleck und einigen schönen Ideen auch beim tausendsten Anlauf noch funktionieren. Und das "Palmer" Herz hat, das kann man ihm wahrlich nicht absprechen. Obwohl es an einem eigenen Stempel mangelt und die diversen Höhen und Tiefen, durch die der Film fliegt, ebenso vorhersehbar wie konventionell ausgearbeitet sind, sind die Figuren sympathisch und die Fallhöhe tief genug alsdass man irgendwie dranbleibt. Gerade die wortkarge und zumeist sehr grimmig dreinschauende Titelfigur eignet sich, da sie auch einige Ecken und Kanten mitbringt, sehr gut als stimmige Identifikationsfigur.
Allerdings neigt der Film dazu, irgendwann doch in eine recht dröge Stimmung zu kippen. Es klingt irgendwie oberflächlich und man möchte einem leisen Drama wie diesem nun wirklich nicht zu arg auf die Finger klopfen, da man hier ja wirklich kein großes Spektakel erwartet (und das wäre auch irgendwie ziemlich verwirrend), aber "Palmer" hat einfach keinen Schwung. Die Regie von Fisher Stevens ist in fast jedem Moment ziemlich einschläfernd geraten, wenn er ohne eigenen Stempel und ohne nur den Hauch einer winzigen, inszenatorischen Idee die Gespräche am abendlichen Essenstisch abfilmt und jeden Dialog fantasielos im Schuss-Gegenschuss ablichtet. Noch dazu fehlt es dem Plot an echtem Tempo: Wenn man schon weiß, wie das ganze Ding weiter- und ausgehen wird, dann sollte man es zumindest mit ein wenig Schwung abschmecken. Etwas zackiger Humor wäre dabei gar nicht so verkehrt gewesen, stattdessen zielt "Palmer" mit jeder Pore voll auf die Tränendrüsen - und das oftmals auch ein wenig zu gewollt. Das führt zu einigen erheblichen Längen, die einem nicht nur die vorhersehbare Geschichte bisweilen verhageln, sondern irgendwann auch aus der eigentlich berührenden Beziehung zwischen Sam und Palmer herausziehen.
An der Performance von Justin Timberlake gibt es wenig auszusetzen - seine ausdruckslose, grimmige Miene hätte ein wenig mehr Bewegung vertragen und generell wirkt er eine Spur zu nuanciert, was als Ansatz für seinen Charakter aber sicherlich nicht ganz verkehrt ist: Er ist ein ruhiger Geselle mit schweren Päckchen auf dem Rücken. Im direkten Kontrast haben die Nebenfiguren aber oft auch nicht mehr zu sagen als er... mit der Ausnahme von Sam natürlich, der Palmers tristes Leben sogleich mit einer ganzen Portion Farbe überschüttet. Ryder Allen mag nun auch nicht der talentierteste Kinderstar der letzten Jahre sein, aber in den gemeinsamen Momenten mit Timberlake profitieren beide - die Beziehung zwischen Mann und Junge wirkt dabei nur selten wirklich aufgesetzt. So richtig begeistern will das aber, trotz einiger charmanter Einzelmomente, dennoch nie, denn dafür ist das Drehbuch doch zu konventionell und hakt im Grunde nur die bekannten Checkboxen ab, ohne dabei für ein wenig eigenen Dampf zu sorgen. Das ist dann nicht schlecht, aber eben auch nichts, was man so nicht auch schon besser gesehen hätte... und deswegen wirklich nur halbgarer Durchschnitt. Aber wie gesagt, mit Herz.

Fazit: Generell herzlicher und einfühlsam gespielter, aber dennoch viel zu konventioneller und etwas lahm abgespulter Film, dessen Geschichte ebenso altbekannt wie unaufgeregt daherkommt. Das kann dann, auch aufgrund der ziemlich lahmen Regie, sogar in Richtung ernsthafte Langeweile abdriften.

Note: 4+



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid