Die ehemalige Türsteherin Lindy (Kate Beckinsale) leidet seit ihrer Kindheit an einer schweren Aggressionsstörung - ihre Zündschnur ist so kurz, dass sie schon bei der kleinsten Unhöflichkeit vollkommen freidreht und dann pyhsisch nicht mehr zu halten ist. Aufgrund ihrer Schnelligkeit und Stärke sowie nicht zuletzt der Gefahr, die sie so für andere Menschen darstellte, musste sie sich aus dem sozialen Leben fast vollständig zurückziehen. Mit der Hilfe ihres Psychiaters Dr. Munchin (Stanley Tucci) gelang es ihr zwar, ihre Ausraster mit Hilfe einer Elektroschocktechnik zu beherrschen, doch ist auch diese Lösung anfällig für diverse Fehler. Als ein nahestehender Freund Lindys unter mysteriösen Bedingungen ermordet wird, lässt sie jedoch alle Mühen, ihre Wut im Zaum zu halten, endgültig fallen und begibt sich auf einen blutigen Rachetrip, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt...
Die Geschichte ist natürlich Nonsens. Das merkt man bei "Jolt", der im Juli 2021 direkt in die DVD-Regale wandete, vor allem in der zweiten Hälfte - der Plot ist dabei so dünn und steckt auch voller Löcher, die man besser schlucken sollte anstatt länger über sie nachzudenken, dass es sich nicht lohnt, sich darüber aufzuregen. Obwohl es eigentlich ein wenig schade ist, das aus einer zu Beginn noch sehr fein aufgezogenen Prämisse doch wieder ein recht typischer, wenn auch sehr lässig inszenierter Rachethriller wird. Tatsächlich machte mir die erste halbe Stunde, in welcher uns Lindy als ebenso gefährliche wie verletzliche und somit sogar ein wenig tragische Figur vorgestellt wird, nämlich deutlich mehr Spaß und ich hätte gerne sogar den ganzen Film mit ihrem schwierigen Alltag verbracht. Wie sie versucht, zu anderen Menschen aufzuschließen, ihre Wut zu bekämpfen, mal zu verlieren und mal wieder zu gewinnen, das hatte eine schöne, menschliche Note, die zudem von einer endlich mal wieder richtig stark aufspielenden Kate Beckinsale locker getragen wird.
Der "Underworld"-Star ist es dann auch, der "Jolt" immer wieder angenehm auf den Boden holt. Denn auch wenn Beckinsale's Lindy später möglichst cool, stets mit einem lockeren Spruch auf den Lippen und meistens mit einer unangenehmen Waffe in der Hand durch den Film schlendert... sie bleibt niemals wirklich unnahbar. Regisseurin Tanya Wexler gesteht ihrer Heldin durchaus Schwächen zu, die sie greifbar machen - sie ist zwar eine Action-(Anti)heldin, aber auch eine, die mit sich und den Dingen, die sie tut, durchaus hadert. Das führt zu einigen Momenten überraschender Herzlichkeit, die uns richtiggehend mit Lindy mitfiebern lassen. Auch für trockenen Humor ist glücklicherweise noch genug Platz, wobei dieser deutlich weitergeht als diverse, glattgeleckte Action-Produktionen. Man kann sich schon vorstellen, dass gewisse Zuschauer*innen bezüglich einiger morbider Gags ziemlich zornig werden könnten - ich hingegen habe gerade aufgrund dieser "Scheiß drauf"-Mentalität immer wieder viel Spaß gehabt. Dank netter Nebenfiguren bleibt die ganze Power zudem nicht nur an Beckinsale hängen, sondern erschafft auch am Rande durchaus erinnerungswürdige Charaktere.
So richtig überzeugend ist das am Ende aber trotzdem nicht. Denn obwohl es zum Schluss noch eine ziemlich überraschende Wendung gibt, die sogar den recht albernen Plot noch mal aufwertet, fallen die Schwächen der anfangs noch schön erzählten und dann doch recht abstrusen Handlung recht deutlich auf. Vieles wirkt dabei sehr forciert: Die Einbindung eines Polizisten beispielsweise, der so herzensgut ist, dass ihn praktisch kein Wässerchen trüben kann, ist doch etwas zu viel des Guten. Und leider wollen auch die Actionszenen nicht wirklich überzeugen, was für einen Film dieses Genres eben doch eine blöde Sache ist. Wie man es heute (leider) gewohnt ist, sind die einzelnen Scharmützel ziemlich zerschnitten und den größeren Setpieces fehlt es an Dynamik und einem cleveren Schnitt. Eine Autoverfolgungsjagd ist dabei dermaßen undynamisch geschnitten, dass sich wahrlich kein Adrenalin einstellen will. Und auch der finale Showdown ist, trotz besagter Überraschung, nicht mehr richtig packend. Eine bereits angeteaste Fortsetzung würde ich mir dennoch gerne ansehen... und sei es nur, um Kate Beckinsale noch mal so aufdrehen zu sehen. Einen solch wilden Film, der auch wirklich mal dahin geht, wo es wehtut und nicht auf halber Strecke stoppt, um ja niemanden zu schockieren, sieht man ja auch nicht alle Tage.
Fazit: Nach einem vielversprechenden, äußerst spannenden Beginn wird aus "Jolt" doch nur wieder ein recht schematischer, aber immerhin lässig inszenierter Rachetrip mit vielen knackig-morbiden Szenen. Das macht durchaus finsteren Spaß, sofern man die wirklich banale Handlung und einige alberne Überzeichnungen nicht zu arg hinterfragt.
Note: 3
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