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Ein US-Remake, das überzeugt: Filmkritik zu "Verblendung" (2011)

Der Journalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) steht am Pranger, weil er bei einem Enthüllungsbericht auf eine falsche Quelle setzte - das kostete ihn nicht nur seinen guten Ruf, sondern auch sehr viel Geld. Eher aus der finanziellen Not heraus nimmt er deswegen den Auftrag des reichen Großindustriellen Henrik Vanger (Christopher Plummer) an, der Blomkvist mit einem vierzig Jahre zurückliegenden Verbrechen an seiner Nichte Harriet beauftragen möchte, die seitdem spurlos verschwunden ist. Zuvor wurde Blomkvist reichlich durchleuchtet: Die junge Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara) muss sich nach ihren Recherchen über den Journalisten ebenfalls mit erheblichen Geldsorgen herumschlagen und geht in ihrem Leben durch die psychische und körperliche Hölle. Die Wege des Detektivs und der Hackerin sollen sich jedoch bald wieder kreuzen... ausgerechnet aufgrund des Falles Harriet.

Eine wichtige Sache gleich vorab: Ich habe die schwedische Originalversion "Verblendung" aus dem Jahr 2009, dort noch mit Mikael Nyqvist und Noomi Rapace in den Hauptrollen, nie gesehen - habe jedoch vor, die originale Trilogie (im Gegensatz zum Remake brachte es die schwedische Fassung also gleich zu einer ganzen Reihe) bald mal nachzuholen. Einen Vergleich zwischen Original und Remake kann ich hier also nicht ziehen - allerdings weiß ich, dass die Kenner des Originalstoffes allein schon mit der Existenz der US-Neuverfilmung ihre Probleme hatten, da diese nur kurze Zeit später erfolgte und sich die Frage nach dem Sinn eines solchen Films stellte. Allerdings saß da auch ein gewisser David Fincher auf dem Regiestuhl, der zuvor mit heute als Meisterwerken angesehenen Filmen wie "Fight Club", "Zodiac" und natürlich "Sieben" eine ganz prächtige Vita vorzuweisen hatte. Irgendetwas musste also wohl doch dran sein an diesem Film, wenn es sogar einen Fincher beeindruckt. Und dementsprechend liefert der Regisseur dann auch stilistisch ab - die schneidende Atmosphäre, die finsteren Abgründe, das langsame Hochkurbeln der Spannungskurve. All das ist Fincher at its best, wie man es von ihm einfach erwartet.
Ob das den Fans der Originale genügt, kann ich nicht sagen - offensichtlich hält sich das Remake nämlich sehr eng an die erste Verfilmung und somit auch an die zugrundeliegenden Romane. Als bisheriger Nichtkenner des Stoffs hatte ich jedoch fast durchweg meine Freude mit diesem Film. Der Plot braucht während der ersten Stunde ein wenig, um in Gang zu kommen - gerade das erst langsame Suchen und Finden von kleinen Hinweisen bezüglich der verschwundenen Harriet, die in der Erzählung rund um Journalist Blomkvist fokussiert sind, geht doch etwas langsam und ab und zu etwas zu verkopft und ziellos vonstatten. Im direkten Gegensatz präsentiert sich der Plot rund um Lisbeth Salander, der (wenn man mal von ihren anfänglichen Recherchen zu Blomkvists Person absieht) quasi völlig losgelöst vom Rest des Films läuft. In drastischen Gewaltszenen, die teils bis zur Unerträglichkeit inszeniert sind und in jeder Faser des Körpers und der Seele wehtun, bekommen wir einen Einblick in Salanders persönliche Hölle - besser kann man ein Publikum kaum an eine Protagonistin binden. Dass beide Plots über lange Zeit jedoch so getrennt voneinander verlaufen, sorgt durchaus für ein paar Hänger, über welche die feine Inszenierung nicht immer hinwegtäuschen kann.
Sobald sich ab der Halbzeit zwei zentrale Charaktere jedoch über den Weg laufen, nimmt der Plot noch einmal deutlich mehr an Fahrt auf. In einem berechnenden, perfekt kalkulierten und letztlich ebenso spannenden wie bewegenden Krimi entführt Fincher uns in die Finsternis und lässt uns aus dieser sobald auch nicht mehr entkommen. Das ist so gut erzählt, dass sogar die (gar nicht so) typische Lovestory noch ziemlich gut eingefädelt wirkt, auch wenn der große Überraschungseffekt bezüglich der Auflösung eher verpufft. Auch die letzte halbe Stunde wirkt eher so, als würden da noch Fortsetzungen aufgebaut werden, die zumindest für dieses Remake aufgrund der eher enttäuschenden Einspielergebnisse niemals kamen. Das macht aber nicht so viel aus, denn obwohl es runde 158 Minuten (damit bewegt sich Fincher schon fast wieder auf "Zodiac"-Niveau) sicherlich nicht gebraucht hätte, ist sein Regiestil viel zu einnehmend, um groß zu langweilen. Und wem das nicht reicht, der bekommt mit der großartigen Rooney Mara, die mit diesem Film ihren endgültigen Durchbruch in Hollywood feierte, eine solch intensive, erhellende und anrührende Performance, die gleichermaßen erschüttert wie fesselt, dass man sich an ihrer Lisbeth Salander kaum sattsehen kann. Dafür gabs dann auch gleich die erste Oscarnominierung, die hochverdient war... denn wer einem Daniel Craig die Schau stiehlt, der sich hier definitiv auch keine blöße gibt, muss schon etwas geleistet haben. Mara ist jedenfalls der Star dieses Films, ohne Wenn und Aber.

Fazit: Ganz gleich, ob man nun diese oder doch die schwedische Version vorzieht - "Verblendung" von David Fincher ist ein stark inszenierter, düsterer und hochspannender Thriller, der nach anfänglichen Startschwierigkeiten fesselt und bewegt. Die grandiose Performance von Rooney Mara hilft zudem sehr exzessiv über etwaige Längen hinweg.

Note: 3+



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