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Konventionell, aber absolut großartig: Filmkritik zu "Coda"

Die siebzehn Jahre alte Ruby (Emilia Jones) ist das jüngste Kind ihrer Familie... und die einzige, die darin nicht taub ist. Als Dolmetscherin ist sie dabei fest an ihre Familie verknüpft, da diese sonst nicht ihre Jobs auf einem Fischkutter ausführen könnte. Ihre eigenen Träume hat Ruby niemals wirklich verfolgt, stolpert aber förmlich über sie, als sie ihrem heimlichen Schwarm Miles (Ferdia Walsh-Peelo) in den Schulchor folgt. Dort wird der engagierte Musiklehrer Bernardo Villalobos (Eugenio Derbez) Zeuge ihres besonderen Gesangstalents und beschließt, sie für ein Stipendien-Vorsingen an der renommierten Berklee-Musikakademie in Boston zu fördern. Um diesem Traum nachzujagen, müsste Ruby sich jedoch deutlicher von ihrer Familie lossagen, die ihre Leidenschaft aufgrund des fehlenden Hörvermögens nur schwer greifen kann...

"Coda" gelang im vorigen Jahr ein sogenannter "Clean Sweep", indem er alle Trophäen gewann, für die er nominiert war - das waren zwar "nur" drei, aber immerhin versteckte sich darunter auch der Preis für den besten Film des Jahres, was so wohl nur die wenigsten kommen gesehen haben. Dabei wurde solch namhafte Konkurrenz wie "Dune" oder der haushohe Favorit "The Power of the Dog" ausgestochen und Apple TV+ wurde zum ersten Streamingdienst, der diese Trophäe sein Eigen nennen durfte. Nun ist die Wahl dieses Werks zumindest auf den ersten Blick überraschend, ist "Coda" doch deutlich konventioneller und massentauglicher als viele Filme, die in den letzten Jahren ausgezeichnet wurden. Andererseits schmeckte angesichts der Diversitäts-Versuche der Academy sicherlich auch das Thema einer gehörlosen Familie ziemlich gut. Und darüber hinaus ist "Coda", trotz einer im Grunde sehr schematischen Geschichte, ein ganz und gar wundervoller, zutiefst anrührender und fantastisch inszenierter Film, der jedem auch noch so grimmigen Zuschauer das Herz aufgehen lassen dürfte... und das ohne große Mühen, dafür aber mit sehr vielen Szenen, die schlichtweg emotional aufgeladen sind.
Man könnte durchaus einige Klischees bemängeln - so zum Beispiel der engagierte Musiklehrer, der in seiner energetischen Art im Grunde das Abziehbild eines aufgeweckten und manchmal für Außenstehende recht peinlich agierenden Künstlers darstellt. Oder auch die formelhafte Geschichte, die im Grunde keine Überraschungen bietet, sehr simple (wenn auch absolut herzerwärmende) Messages hat. Oder die etwas tumbe Liebesgeschichte, die ziemlich soapy daherkommt. Trotzdem findet "Coda" selbst in diesen Momenten noch so viel Herz, so viel ungestellte Wärme, dass man sich der Faszination des Films kaum entziehen kann. Daran nicht unschuldig ist die Inszenierung von Regisseurin Sian Heder, die immer wieder sehr feine, kleine Momente findet, um eine eigentlich klischeehafte Szene doch nicht in den Kitsch abdriften zu lassen. Und wenn es dann doch mal gefühlvoller werden soll, dann entlädt sich diese Emotionalität so hemmungslos, aber auch so treffsicher, dass man sich etwaigen Tränen wirklich nicht schämen sollte. Dabei findet "Coda" einen ganz wunderbaren Balance-Akt zwischen einer feinen Komödie und einem tiefsinnigen, sympathischen Drama - die ganz einfachen Seiten der Geschichte sind gerade aufgrund der feinen Herausarbeitung und dem, was man bisweilen zwischen den Zeilen lesen kann, so wahnsinnig treffsicher.
So werden einige Klischees, die man in einem anderen Film dieser Machart im Grunde kommen sehen würde, sehr galant vermieden - so zum Beispiel die Konsequenzen der Liason zwischen Rubys bester Freundin und Rubys Bruder oder auch die Ratschläge, die Lehrer Villalobos seiner Schülerin mit auf den Weg gibt. Schauspielerisch ist es prinzipiell "Locke & Key"-Star Emilia Jones, die den Film mit ihrer natürlichen Performance beherrscht - sie besitzt nicht nur eine intensive Singstimme, die allein für sich schon Gänsehaut verursacht, sondern bringt auch einen nuancierten, ungestellten Charme mit, der ihre Ruby quasi schnörkellos zu einem greifbaren Charakter macht. Kaum hoch genug zu schätzen sind auch die Performances von den Schauspieler*innen, die Rubys Familie spielen: Troy Kotsur, Marlee Matlin und Daniel Durant sind dabei alle auch im wahren Leben gehörlos und schaffen es daher auf intensive, aber auch mal sehr leichtfüßige und durchweg eindrückliche Art und Weise, ihren Charakteren ohne jedes gesprochene Wort Würde, Charme und Herz zu verleihen. Für Kotsur gab es dafür dann sogar den Oscar als bester Nebendarsteller, was durch und durch verdient ist. Insgesamt überzeugt "Coda" somit mit einem durchweg grandiosen Ensemble, einer schnörkellosen Inszenierung und einer rührenden Geschichte, die zwar praktisch nichts Neues erzählt, dabei das Herz aber so dermaßen am rechten Fleck hat, dass man eine wahre Freude mit ihm hat.

Fazit: "Coda" mag schematisch und durchaus konventionell sein und fällt unter den Oscar-Siegern somit durchaus ein bisschen aus dem Rahmen. Der Film ist jedoch so ehrlich herzlich, so aufbauend, so brillant gespielt und so voller Liebe und echter Leidenschaft, dass es quasi unmöglich ist, davon nicht vollends hingerissen zu sein.

Note: 2+



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