Direkt zum Hauptbereich

RomCom-Rückkehr ohne jeden Charme: Filmkritik zu "Your Place or Mine"

Vor zwanzig Jahren landeten Debbie (Reese Witherspoon) und Peter (Ashton Kutcher) zwar gemeinsam im Bett, hielten anschließend jedoch eine rein platonische Beziehung - die sich aufgrund der Entfernung, in der sie leben, zudem fast ausschließlich auf Telefonate begrenzt. Als Debbie wegen eines wichtigen Kurses in Peters Heimatstadt New York reisen muss, entschließt dieser sich, nach Los Angeles zu gehen, um dort während ihrer Abwesenheit auf ihren Sohn Jack (Wesley Kimmel) aufzupassen. Beide tauschen dabei ihre Wohnungen und nehmen Platz im Leben und Alltag des jeweils anderen. Dabei finden sie an den Lebensplätzen des anderen mehr über die Person heraus, als sie zuvor gedacht hätten... und krempeln diese sogar ordentlich um.

Es ist eine Rückkehr, auf die man nicht zwingend gewartet hat, die aber dennoch wie eine sehr große Reunion anmutet: Nach Jahren der Genre-Abstinenz im Falle Witherspoon und der Film-Abstinenz im Falle Kutcher kehren beide in das Genre zurück, was sie einst groß gemacht hat: Die Romantic-Comedy. Die originelle, aber letztlich nicht wirklich nützliche Idee dieses Films (wenn man mal vom Casting absieht), besteht darin, dass eigentlich erwartbare Liebespaar über den größten Teil der Laufzeit des Films nicht aufeinander treffen zu lassen. Kutcher und Witherspoon sind über viele Meilen voneinander getrennt und laufen so jeweils ihren ganz eigenen Plot ab. Was sich zumindest frisch anhört, bringt aber ein großes Problem mit sich, da zwischen den beiden Liebenden (was dem Zuschauer sofort klar ist) natürlich keinerlei Chemie entstehen kann. Und diese gehört für eine funktionierende RomCom schließlich immer noch zum Wichtigsten.
Auch getrennt voneinander können die beiden Hauptdarsteller*innen hier nicht überzeugen. Dass Kutcher niemals ein brillanter Schauspieler war, ist zwar bekannt, doch hatte er immerhin Charme. Den darf er hier nur stückweise rauslassen, wobei er sich aber immer noch besser aus der Affäre zieht als seine Kollegin. Denn so wie Reese Witherspoon hier auftritt, kommt einem der Gedanke, dass diese innerhalb der letzten Jahre, in denen sie wenig bis gar nicht auf Leinwänden oder Bildschirmen vertreten war, schlichtweg alles verlernt hat, was sie sich in ihrer Karriere angeeignet hatte. Mit einem grotesken Mienenspiel, gestelzten Gängen und einer unglaubwürdigen, viel zu aufgesetzt-rehäugigen Ausstrahlung stolpert sie durch den Film, sodass jede Szene von ihr gespielt, falsch und angestrengt wirkt. Dass diese Frau mal völlig zurecht einen Oscar gewonnen hat, lässt sie hier nicht mehr durchblicken - mit hoher Wahrscheinlichkeit ist diese Performance der absolute Tiefpunkt in einer Karriere, die darüber hinaus ja eigentlich auch nicht wirklich viele hatte.
Doch auch darüber hinaus fehlt es diesem generischen Netflix-Original an vielem, was eine stimmige RomCom ausmacht: Die Nebenfiguren beispielsweise sind so schal und funktional angelegt, dass man dem vorhandenen Potenzial manch eines Charakters hinterherweinen will. Was man beispielsweise aus der Figur des schrägen Gärtners hätte machen können, liegt praktisch auf der Hand - stattdessen lässt man ihn immer nur leicht irre guckend durch den Garten tanzen. Zudem ist das Pacing des Films förmlich entschleunigt: Trotz einiger netter Momente zieht sich "Your Place or Mine" über 111 Minuten erschreckend in die Länge. Das mag zum einen an der vorhersehbaren Geschichte liegen, die aber nicht der Kern des Problems ist - denn auch eine altbekannte Story kann mit inszenatorischem Verve und süffisantem Humor sowie einer Portion Herz noch aufpeppen. Dieser Film hat davon jedoch zu wenig: Die netten Lacher lassen sich leider an einer Hand abzählen und die romantisch angehauchten Momente wirken vollkommen zurechtgestellt. Insgesamt also wirklich nicht das Werk, für welches man die Rückkehr dieser beiden Genre-Ikonen gerne hätte sehen wollen.

Fazit: Sehr müde RomCom, die vor allem an einer desaströsen Performance der Hauptdarstellerin leidet und noch dazu seine originelle Grundidee völlig außer Form agieren lässt. Ohne Charme, weitestgehend ohne Witz und ohne wirklich gute Einfälle dümpelt dieser Hochglanz-Kitsch völlig ereignislos vor sich hin.

Note: 4



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid