Direkt zum Hauptbereich

Geister-Comedy, Krimi, Drama und Romanze: Filmkritik zu Netflix' "We Have A Ghost"

Familienvater Frank (Anthony Mackie) zieht gemeinsam mit Frau und Kindern in ein neues Haus. Schon kurz nach dem Einzug entdeckt der jüngste Sohn Kevin (Jahi Di'Allo) auf dem Dachboden den Geist des verstorbenen Vormieters Ernest (David Harbour). Dieser ist jedoch nicht wirklich schaurig und eigentlich ein ganz und gar freundlicher Geselle, der sich nur leider nicht mehr an sein Leben vor dem Tod erinnern kann und auch die Fähigkeit des Sprechens verlernt hat. Frank möchte den unfreiwilligen Mitbewohner zugleich als Einnahmequelle nutzen, was rasch gelingt - Ernest wird zu einem Internetphänomen und Franks Familie quasi über Nacht berühmt. Das ruft jedoch auch eine Spezialeinheit auf den Plan, die sich auf paranormale Ereignisse spezialisiert hat... und die sowohl Ernest als auch Kevin in große Gefahr bringt.

So richtig weiß man nicht, was das Netflix-Original "We Have a Ghost" eigentlich für ein Film sein will. Beginnen tut er jedenfalls als recht schmissige Geister-Komödie, die sich vornehmlich an ein jüngeres Publikum richtet - dabei ist das Tempo hoch, viele der Gags sitzen und mit der Idee, den hauseigenen Spuk als großes Social-Media-Event hochzuziehen, hat man einen durchaus originellen und unverbrauchten Ansatz gefunden, der gut zu unserem heutigen Zeitgeist passt. Das allein würde eigentlich für einen vornehmlich auf kurzweiligen Spaß ausgerichteten Film reichen... aber das Werk von Regisseur Christopher Landon will noch mehr sein. Das verwundert bei dem Namen des Regisseurs, der sich zuletzt mit reichlich durchgeknallten und auch erwachseneren Horrorstoffen wie "Freaky" oder den beiden "Happy Deathday"-Filmen einen Namen machte, nicht unbedingt. Trotzdem ist die Fallhöhe von der harmlosen und teilweise auch herzlichen Komödie hin zu einem recht düsteren Krimi ziemlich hoch, weswegen die Zielgruppe für diesen Film nicht ganz klar ist.
Neben den Comedy-Plots gibt es nämlich nicht nur das Geheimnis um Ernests früheres Leben und auch seinen mysteriösen Tod aufzuklären, wobei sich der Film sogar noch in die Bereiche eines finsteren Slashers wagt. Auch ein Familiendrama will diskutiert werden, es gibt Anleihen beim Actionfilm und auch eine Teenie-Romanze. All diese Geschichten sind an und für sich schön und rund erzählt, doch wirkt "We Have a Ghost" in diesen Genre-Sprüngen tonal bisweilen sehr unentschlossen. Immerhin bleibt der Film dabei aber fast durchweg einigermaßen überraschend - nur selten weiß man, was nun hinter der nächsten Ecke wartet, obwohl eigentlich den Pfaden des Popcorn-Kinos gefolgt wird. Eine visuell ansprechende Ästhetik (was für Netflix ja auch nicht immer gilt) sowie ein paar knackige und spaßige Actionszenen tun ihr Übriges, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Und manchmal ist es gerade diese doch recht erfrischende Mischung aus verschiedenen Tonalitäten, die den Film ziemlich fein goutierbar machen und über das altbekannte Einerlei hinausgehen.
Und wem das nicht reicht, der bekommt immerhin noch David Harbour, der hier wahrlich jedem die Schau stiehlt - und das, obwohl er nicht ein Wort sagt. Der "Black Widow"-Star zeigt dem restlichen Cast hier so eindeutig die lange Nase, weil er es versteht, in kleinen Gesten und Blicken so viel mehr Gefühl hineinzulegen als es der Rest der Besatzung mit vielen Worten kann. Harbour muss also nicht fürchten, dass er hier irgendwie überflügelt wird... und das Jahi Di'Allo und Isabella Russo in den zentralen Teenager-Rollen nun auch nicht die Jungdarsteller mit der größten Ausstrahlung sind, kommt ihm ebenfalls zu Gute. Eine stilvolle Extrabenotung verdient sich die Comedienne Tig Notaro, unter anderem bekannt aus "Plötzlich Familie" oder Zack Snyders "Army of the Dead". Die agiert in ihrer Figur zwar wirklich nur als Klischee, holt dabei aber immer wieder mühelos solch feine Gags hervor, dass es wirklich eine Freude ist. Dagegen ist der arg die Nerven strapazierende Gastauftritt von Jennifer Coolidge als durchgedrehte Fernseh-Moderatorin eine ganz andere, albernere Nummer.

Fazit: Wer als Geister-Komödie beginnt und später noch zum Familiendrama, zum düsteren Krimi und sogar zu einer Slasher-Kopie wird, der muss tonal irgendwo Schwierigkeiten bekommen. Trotz dieser dramaturgischen Holperern und farblosen Jungschauspieler*innen macht "We Have a Ghost" mit seinen originellen Ansätzen Spaß... vor allem dank einem herrlich aufgelegten, vollkommen stumm agierenden David Harbour.

Note: 3



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid