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Reise ins (Un)Gewisse: Filmkritik zu "The Invitation - Bis dass der Tod uns scheidet"

Nach dem Tod ihrer Eltern glaubt die in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Evie (Nathalie Emmanuel), keinerlei Familie mehr zu haben... ein DNA-Test beweist jedoch das Gegenteil. Dieser führt sie zu einem in London lebenden Cousin namens Oliver (Hugh Skinner), der sie sogleich treffen und sogar zu einer Hochzeit innerhalb der Familie einladen will. Nach anfänglicher Skepsis sagt Evie zu und muss sich vor Ort erst einmal in die arg schnöseligen Gebärden ihrer "neuen", sehr reichen Familie einfinden. Zudem bandelt sie auch mit Walter (Thomas Doherty), dem adeligen Herren des Hauses, an. Während ihres Aufenthaltes glaubt Evie jedoch, dass mit dem Haus und den dort lebenden Menschen etwas ganz und gar nicht stimmen könnte... und dass sie sich womöglich gar in Gefahr befindet.

Über eine lange Zeit macht dieser kleine Horror-Thriller ein großes Geheimnis daraus, was in dieser adeligen Familie denn nun vor sich geht. Und obwohl kaum jemand vorab erraten dürfte, was dieses düstere Geheimnis ist, so stellt sich nie die Frage, ob denn hier alles mit rechten Dingen zugeht. Denn wir befinden uns hier schließlich immer noch im Horrorkino - und da ist es dann überraschend, wie viel Zeit sich "The Invitation" damit lässt, das Publikum vollkommen im Ungewissen tappen zu lassen und die üblichen (und hier recht geschickt gemachten) Grusel- und Schockerszenen außen vor zu lassen. Das kann sogar, trotz einiger sehr hübsch komponierter Bilder, zu einer gewissen Langeweile führen, denn da das Publikum um das Genre weiß, ist die Reise ins Ungewisse zwangsläufig nur für die naive Protagonistin eine eben solche. Alle anderen erwarten eine Wendung und bekommen diese natürlich auch. Bis diese dann allerdings zelebriert wird, vergeht viel Zeit, die der Film nicht immer mit spannenden oder zumindest originellen Momenten füllen kann.
Oftmals geht es dabei nämlich sogar ziemlich klischeebeladen zu - "The Invitation" scheint sich nahezu eine Freude daraus zu machen, solch freundliche Gesellen einzuführen, dass man förmlich sofort weiß, dass diese nichts Gutes im Schilde führen können. So entpuppt sich dann auch der ebenso kitschige wie zähe Romantik-Plot als lästiges Füllmaterial, welches zudem die zuvor noch so klug und tough agierende Evie in ein etwas schlechteres Licht rücken lässt. Daneben hat der Film dann auch noch weitere Themen abzugrasen, die aber fast durchgehend nur angesprochen und nicht weiter vertieft werden. Rassismus, MeToo und die Schere zwischen Arm und Reich - all das ist drin, wird aber eher wie auf einer Checkliste abgearbeitet und zu keinem tieferen Sinn der Handlung genutzt. Letztendlich dienen diese Themen dazu, Evie als Protagonistin sympathischer zu machen, was aber auch ohne diese Holzhammer-Methodik möglich gewesen wäre. Die aus der Hit-Serie "Game of Thrones" und dem Blockbuster-Franchise "Fast & Furious" bekannte Nathalie Emmanuel verleiht ihr nämlich genügend Power, dass man kaum anders kann als sie zu mögen.
Ein Horrorfilm wie dieser steht oder fällt aber natürlich mit der bereits erwähnten Wendung - ob man diese schluckt oder nicht, davon dürfte maßgeblich abhängen, ob einem "The Invitation" letztendlich zusagt. Ich habe diese Wendung hingenommen... auch da ohnehin ansatzweise klar war, in welche Richtung man sich grob bewegen würde. Es lässt sich allerdings nicht verhehlen, dass der Film in seinem letzten Drittel durchaus in einige trashige Gefilde abrutscht, die nicht nur die üblichen Horror-Klischees vereint, sondern auch in einen arg überzeichneten Showdown mündet. Das kann man mögen, aber es ist auch durchaus möglich, dass ein Großteil des Publikums bei dieser Effekthatz aussteigt. Immerhin bekommt man aber genug Spektakel geboten, um einige vorherige Längen auszugleichen. Die Parallelen zum wesentlich frecheren und wilderen "Ready or Not" sind bezüglich des Settings und einiger Ausgangslagen allerdings überdeutlich zu sehen und da zieht "The Invitation" dann in praktisch jeglicher Hinsicht den Kürzeren. Ein Flop ist das nicht, denn dafür ist der Film trotz seines schmaleren Budgets handwerklich zu gut gemacht. Herausragen kann das Werk aus der Genre-Konkurrenz aber auch nie.

Fazit: Nach einem langwierigen Beginn, der allenfalls durch die hübschen Bilder und die einnehmende Präsenz von Hauptdarstellerin Nathalie Emmanuel gefällt, wandelt sich der Gruselfilm zu einem überspitzten Horror-Actioner. Das kann man mögen, muss man aber nicht - die Mixtur aus Schauermärchen, Gesellschaftskritik und Horror-Trash ist jedenfalls nicht immer wirklich überzeugend austariert.

Note: 3-



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