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Eine zahme Fantasie, die vielleicht mal wild war: Filmkritik zu "Three Thousand Years of Longing"

Die Literaturwissenschaftlerin Alithea Binnie (Tilda Swinton) ist förmlich der Archetyp einer Einzelgängerin - schon als Kind hatte sie keine Freundinnen, ist auch heute keine Freundin von sozialen Kontakten und ihre Ehe ist zuletzt brachial gescheitert. Als sie in Istanbul einen Vortrag hält, findet eine unscheinbare, kleine Glasflasche auf einem türkischen Basar in ihren Besitz. Aus dieser erwacht am nächsten Morgen in Alitheas Hotelzimmer ein wahrhaftiger Dschinn (Idris Elba), welcher der verdutzten Frau drei Wünsche gewährt. Nach dem ersten Schock ist sich Alithea ihrer Wünsche jedoch nicht nur unsicher, sondern fürchtet sich aufgrund der Märchen und Sagen sogar davor, diese auszusprechen. Stattdessen erzählt der Dschinn Alithea seine eigene Geschichte... und diese scheint viele der Befürchtungen der Frau zu bestätigen, wenngleich sie auch fesselnd und lehrreich ist.

So so, das hat George Miller also in den letzten Jahren getrieben. Die Fans des viel beachteten Regie-Masterminds warten seit einer halben Ewigkeit auf eine Fortsetzung zu "Mad Max: Fury Road" - stattdessen liefert Miller nun einen Film ab, der mit der actionlastigen Wüstenhatz nun wirklich gar nichts gemein hat. Sein Werk "Three Thousand Years of Longing" fühlt sich an wie eine recht interessante Fantasie, die sich sogar ein wenig wie eine Fanfiction liest - eine einsame Frau gerät in Kontakt mit einem sensiblen Flaschengeist. Das hätte durchaus Feuer und eine richtige Spur Wahnwitz haben können und man kann sich nur zu gut vorstellen, dass das Drehbuch beides in seinen ersten Versionen noch hatte... um dann doch kräftig beschnitten zu werden. Das Endergebnis hat nun nämlich immer noch ein paar originelle Ideen, bleibt sowohl in seiner behäbigen Inszenierung als auch in seinen fahrig geschriebenen Plots, aus denen Märchen-Kitsch aus jeder Ecke trieft, ziemlich belanglos.
Über einen Großteil des Films erzählt der sagenumwobene Dschinn seine eigene Geschichte und welche Lehren er daraus zog - da diese Geschichten als Rückblenden bebildert werden, kann Regisseur Miller doch noch auf spektakuläre Fotografien zurückgreifen. In einer opulenten Mischung aus "Aladdin" und "Game of Thrones" sehen wir daher wunderschöne Sets und knackige Spezialeffekte... fühlen jedoch praktisch nichts. Die Geschichte des Dschinn hat immer wieder originelle Momente (so zum Beispiel die Neigung eines gewissen Prinzen), die jedoch nicht wirklich ausgelebt werden. Miller verlässt sich auf die Ideen, führt diese aber nicht weiter aus, was das Erzählen der Geschichte über tausende Jahre zu einer Art Aneinanderreihung von Sagen werden lässt. Keine der Figuren, aber auch keiner der Plots scheint dabei eine richtige Dringlichkeit zu besitzen und obwohl der Dschinn immer und immer weiter erzählt, lernen wir über seinen Charakter äußerst wenig. Die fehlende Chemie zwischen Idris Elba und "Doctor Strange"-Star Tilda Swinton tut ihr Übriges, um im Grunde keinerlei Feuer in den Geschichten aufkommen zu lassen... obwohl gerade dieses in den Erzählungen rund um Liebe, Zurückweisung und Leidenschaft so wichtig gewesen wäre.
Im letzten Drittel findet der Film in einen anderen Drive, der deutlich interessanter wirkt als der überlange Flashback der ersten Hälfte. Ohne zu viel zu verraten - hier werden die Charaktere wesentlich stimmiger gezeichnet, auch wenn man weiterhin in einer seltsamen, sogar naiven Form des Kitsches badet. Die Karten werden praktisch neu gemischt und ziehen andere Handlungsstränge nach sich als die, die man vorab erwartet hätte. Hier kann George Miller sein Publikum doch noch mit ein paar einfühlsamen Szenen überraschen. Das Träumen, die wirkliche Fantasie hat er seiner eigenen Fantasie aber dennoch deutlich ausgetrieben: "Three Thousand Years of Longing" wirkt praktisch durchweg zurückgenommen, achtsam und überdeutlich. Das ist durchaus schade, denn zumindest aus der Grundidee hätte man einen feinen, kleinen Film basteln können, der über die Klischee-Grenzen des Genres hinausgeht. Miller wollte zugleich ein intimes Drama und ein großes Märchen drehen, wobei ihm beide Genres ein wenig über den Kopf gerutscht sind, sich beide gegenseitig auszulöschen scheinen. Das macht dann wenig Spaß, ist wenig bewegend und vor allem... es bleibt bis zum Ende erstaunlich belanglos, da man nicht wirklich erkennt, was uns Miller mit einer Geschichte wie dieser denn nun erzählen möchte.

Fazit: Zwischen Swinton und Elba gibt es keine Chemie, die zahlreichen Plots wirken wie aneinandergereiht und ohne jegliche Dynamik, Millers Inszenierung bleibt unentschlossen. Trotz eines feinen Drehs im letzten Drittel verschwindet sein Film vor allem dramaturgisch in der Belanglosigkeit und weiß selbst nicht, was er eigentlich aussagen will.

Note: 4



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