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Straw

In zwei Jobs schuftet sich Janiyah Wiltkinson (Taraji P. Henson) jeden Tag die Hände wund, um irgendwie für ihre kleine Tochter Aria (Gabby Jackson) sorgen zu können. Doch das Geld reicht hinten und vorne nicht, beide müssen, auch aufgrund teurer Medikamente für die kleine Aria, täglich am absoluten, finanziellen Limit leben. Eines Tages wird genau dieser Stress für Janiyah zu viel, als in wenigen Stunden gleich mehrere Schicksalsschläge auf die alleinerziehende Mutter einprasseln: Nach dem Verlust von Job, Wohnung und sämtlichen Sicherheiten spaziert sie schließlich mit einer geladenen Waffe in die Bank - laut eigener Aussage nur, um ihren letzten Arbeitsscheck einzulösen. Daraus resultiert jedoch ein komplettes Chaos, eine ungewollte Geiselnahme und schließlich sogar ein regelrechter Aufstand unter der Bevölkerung...

Was ist das Schlimmste, was einem Film, der eine wirklich ernsthafte Botschaft in ein tiefschürfendes und aufrüttelndes Drama verpacken möchte, passieren kann? Ganz einfach: Wenn über ihn gelacht wird. Im Ernst: Nichts an der Situation der Hauptfigur wäre im Grunde lustig, doch das neue Werk von Regisseur Tyler Perry, welches vor einigen Tagen bei Netflix aufgeschlagen ist, schafft es völlig unfreiwillig, dass sich dieses handfeste Drama in eine Komödie wandelt. Dabei meinen alle Beteiligten diese Sache mehr als nur ernst und das sollten sie auch, denn generell werden hier einige heiße Eisen angefasst. Man hätte dafür dann jedoch noch mal mindestens das Drehbuch, eher sogar noch die gesamte Dramaturgie auf Herz und Nieren prüfen müssen, denn dann wäre selbst den Unaufmerksamsten aufgefallen, dass man das hier Gezeigte nur noch als billigen Scherz auffassen kann. Es mag etwas überzeichnet klingen, ist aber leider wahr: Würde man Hauptdarstellerin Henson gegen einen Comedy-Schauspieler wie Seth Rogen austauschen, ohne besonders in der ersten Hälfte nur eine Dialogzeile abzuändern, dann würde aus diesem Kram ganz flott eine ziemlich wilde Komödie werden.
Dass sich Regisseur Perry in der zweiten Hälfte seines Films doch noch ein wenig besinnt und zumindest versucht, den zuvor völlig willenlos eingeführten Figuren noch einen gewissen Grundboden an nachvollziehbaren Emotionen zu verpassen, mag man anerkennen. Doch selbst dann kommen gewisse, weitere Nackenschläge für die Figuren so willkürlich, so manipulativ daher, dass man ohnehin nicht mehr wirklich mit ihnen fühlen kann. Wie denn auch, wenn "Straw" in seiner ersten Hälfte so unfreiwillig komisch daherkommt, dass man trotz des im Kern ernsten und wichtigen Themas kaum mehr in der Lage ist, all das noch für bare Münze zu nehmen? Wie die Autoren hier zum Beispiel versuchen, verschiedene Figuren aufgrund einer gewissen Bedrohung an Ort und Stelle zu behalten, ist in höchstem Maße lächerlich. Hinzu kommen dann noch Nebendarsteller*innen, die ohnehin schon arg mies besetzt sind... dass sie dann auch noch mit Entscheidungen ihrer Figuren zu jonglieren haben, die mehr als nur an den Haaren herbeigezogen sind und dramaturgisch völlig flach daherkommen, setzt dem Spiel die Krone auf.
Und Taraji P. Henson? Die scheint erkannt zu haben, dass sie hier nicht erneut in einem echten Meisterwerk mitspielen und sich keinerlei Hoffnungen auf eine dritte Oscarnominierung machen darf, nachdem sie in echten Dramen wie "Der seltsame Fall des Benjamin Button" und "Hidden Figures" so geglänzt hat. Dementsprechend überdreht Henson, ganz getreu zu diesem entladenden Skript, in einem Maße, wie man es so auch noch nicht gesehen hat. Etwas anderes blieb ihr aber kaum übrig, um die hier aufgezeigten Wendungen und "Ideen" zu präsentieren - wenn schon lächerlich, dann bitte mit Schwung. Ähnlich scheint auch Regisseur Perry selbst zu verfahren, dessen Inszenierungsstil nah an der Lächerlichkeit vorbeischrammt und in vielen Momenten richtiggehend trashig wirkt. Nicht unbedingt billig, aber zumindest ungekonnt sieht dieser Film aus und schafft es dabei selbst dann nicht Gefühle beim Publikum zu wecken, wenn es tatsächlich mal emotional wird. Das ist dann ein weiterer Originalfilm-Flop für Netflix, der wohl nicht völlig grundlos irgendwie unter der Hand auf der Streaming-Plattform erschienen ist und keine großen Wellen schlägt. Man könnte sich also einfach drüber amüsieren, wie man es schon so oft bei neuen, großen Filmen von Netflix tat... doch da das Thema im Kern so wichtig ist, ist diese Missetat eines Films eigentlich mehr ärgerlich denn wirklich witzig.

Fazit: Hätte man die Hauptdarstellerin ausgetauscht, hätte "Straw" auch einfach als Komödie vermarktet werden können, so überzeichnet und unfreiwillig komisch entwickelt sich dieser hundsmiserabel geschriebene Plot. Selbst wenn später deutliche Drama-Anleihen das im Kern wichtige Thema besser auf den Punkt bringen möchten, verhindern die dilletantische Inszenierung und die grausam geschriebenen Dialoge, dass man hier irgendwie mitfiebern könnte.

Note: 5+



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