Die Köchin und Restaurantbesitzerin Almut (Florence Pugh) ist noch keine vierzig Jahre alt, als bei ihr zum wiederholten Mal Eierstockkrebs diagnostiziert wird. Nur zwei Möglichkeiten scheinen der jungen Frau noch zu bleiben: Ganze Wagenladungen von Chemotherapie und heikle Operationen... oder es dabei zu belassen. Beide Optionen möchte sie mit ihrem Partner Tobias (Andrew Garfield) durchsprechen, wobei Almut nicht vehement, aber durchaus mit einer gewissen Präzision darauf hindeutet, dass ihr sechs intensive und lebensbejahende Monate lieber seien als zwölf voller Schmerzen und Depression, wenn daraufhin nur eine geringe Chance aufs Weiterleben besteht. Darüber hinaus müssen sich Almut und Tobias auch darüber klarwerden, wie sie mit ihrer dreijährigen Tochter über die Möglichkeit des baldigen Todes ihrer Mutter sprechen wollen...
Es gibt Schauspieler*innen, bei denen es im Grunde auf der Hand liegt, dass sie eher früher als später in ihrer Filmkarriere noch mindestens einen Oscar gewinnen werden. Die beiden Marvel-Stars Florence Pugh und Andrew Garfield waren zwar beide bereits im Rennen um die begehrte Goldstatue (Pugh für das brillante Kostümdrama "Little Women", Garfield für den packenden Kriegsfilm "Hacksaw Ridge"), doch gingen dabei beide leer aus. Das macht aber nichts, denn sowohl die Filmauswahl als auch ihre durchweg bravourösen, schauspielerischen Leistungen werden dazu führen, dass beide in ihrer Karriere mit Sicherheit noch so manche Preise abstauben - alles andere wäre schlicht und einfach nicht fair. Und was geschieht, wenn diese beiden Ausnahme-Talente dann mal in gemeinsam in einem Film zu sehen sind? Es entsteht natürlich durchweg herausragendes Schauspiel-Kino, welches eben nicht durch die ganz dick aufgetragenen Emotionen und ellenlange, tränendrückende Monologe glänzt, sondern durch ein subtiles Spiel, welches beide sowohl für sich als auch in gemeinsamen Szenen zu absolut meisterhaften Leistungen anspornt.
Pugh ist ja ohnehin das Paradebeispiel für eine Schauspielerin, die in allen Rollen durchweg natürlich und nahbar wirkt und trotz ihres gigantischen Star-Status prädestiniert dafür ist, normale, wie direkt aus dem Leben geschnittene Figuren zu spielen. Wie der "Fighting with my Family"-Star hier aufgeweckt und immer wieder auch aus den Fugen geratend zwischen echtem Familienglück, schwerem Trauma aufgrund ihrer Krankheit und gigantischem Lebenswillen tänzelnd, ist schlichtweg beeindruckend. Andrew Garfield wirkt dabei, wie so oft in seinen verschiedenen Rollen, durchweg charmant, ein bisschen tollpatschig und ungemein echt. Dass die Chemie zwischen den beiden stimmt, verwundert nicht und ist dennoch wahnsinnig befriedigend - Pugh und Garfield geben nicht nur ein äußerst überzeugendes Paar ab, sondern gehen auch mit ihren Dialogzeilen wunderbar spielerisch um. Da spielt ihnen auch die Regie in die Hände, welche sämtliche Szenen (seien es nun "banale" Momentaufnahmen aus dem Leben oder elektrisch aufgeladene Einblicke in die intimeren Seiten ihrer Beziehung) ohne melodramatisches Hochpushen einfangen kann.
Deswegen fällt es auch leicht, sich mit den Figuren zu identifizieren, da sie (wie übrigens alle Nebenfiguren auch) so wirken und gespielt werden, als könnten sie direkt unserer Nachbarschaft entstammen. "Brooklyn"-Regisseur John Crowley hat sich bei dem Drehbuch für einen schon oft gesehenen, hier jedoch durchaus sinnvollen Ansatz entschieden, bei dem die Geschichte nicht chronologisch von A nach B erzählt wird, sondern der Plot immer wieder nach vorne, zurück und wieder ganz woanders hinspringt. Durch kleine, feine Aufmerksamkeiten fühlen wir uns dabei nie verloren, sondern können beeindruckt dem Wechsel der Tonfälle zuschauen, bei denen sich ein herrlich sympathischer Humor mit einigen tragischen Momenten, die aber niemals gestelzt daherkommen, abwechselt. Das führt zu einem ebenso leichtfüßigen wie bewegenden Stück Film, welches allenfalls bezüglich manch eines klischeehaft aufgemachten Konflikts ein bisschen aus dem Tritt zu geraten droht. Doch selbst bei diesen beweist "We Live In Time" immer wieder eine entwaffnende Leichtigkeit, wenn solcherlei Szenen im späteren Nachgang doch noch charmant aufgegriffen und gelöst werden. Ich war gerade aufgrund dieses leichteren Stils, der die schwierigen und komplexen Themen der Figuren aber niemals versimpelt, mehrfach zu Tränen gerührt.
Fazit: "We Live In Time" ist vordergründig eine Steilvorlage für zwei der besten Schauspieler*innen ihrer Generation, die mit leichtfüßigen und wahnsinnig authentischen Performances zu beeindrucken wissen. Daneben erzählt der Film sowohl eine charmante Romanze als auch ein sensibles Drama, welches gleichermaßen bewegt wie amüsiert und letztendlich gar zu Tränen rührt... und das ohne jeden Kitsch.
Note: 2+
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