Auch Woody Allen stand, neben Kevin Spacey, Harvey Weinstein und Roman Polanski, längere Zeit im Kreuzfeuer der "Me Too"-Debatte, wobei sich sogar Familienmitglieder auf den Kultregisseur einschossen. Die Debatte machte auch vor den ganz Großen des Filmgeschäfts keinen Halt, was so absolut richtig ist... natürlich verlieren die jeweiligen Kunstwerke, die diese Menschen abseits ihres Privatlebens erschaffen haben, dadurch aber nicht an Wucht, Wichtigkeit und Verve. Allen-Filme darf man also auch heute noch gucken, insbesondere die alten Klassiker, denn wo das Besondere eines alljährlichen Films aus dem Repertoire des Regisseurs angesichts doch eher lauwarmer Unterhaltung wie "Cafe Society" mittlerweile ein wenig verlorengegangen ist, hat ein Film wie "Der Stadtneurotiker" nichts von seinem beißenden, unterhaltsamen Zynismus eingebüßt.
DER STADTNEUROTIKER
Alvy Singer (Woody Allen) arbeitet erfolgreich als Komiker und bringt die Herzen der Menschen, die vor der Bühne sitzen, zum Lachen. Im wahren Leben hat er jedoch nichts von seinem Witz: Er ist ein verkopfter, sehr intelligenter und starrköpfiger Mensch, der stets nachdenkt und sich über alles viele Gedanken macht. Dadurch verscherzt er es sich auch immer wieder in der Welt der Frauen und insbesondere bei seiner langjährigen Freundin Annie Hall (Diane Keaton). Diese liebt Alvy zwar abgöttisch, ist von seinen ständigen Manirismen aber genervt, bis sie versucht, ihn endlich zum Umdenken zu bewegen. Doch dies ist schwerer als gedacht...
1978 wurde "Der Stadtneurotiker" mit sage und schreibe fünf Oscars bedacht, darunter auch mit dem Hauptpreis für den besten Film. Auch heute noch ist es eines von Woody Allens bekanntesten und beliebtesten Werken, dem es weiterhin nicht an intelligentem Witz und viel Charme mangelt. In flotten und nicht immer einfach zu durchschauenden anderthalb Stunden enträtselt Allen dabei Geheimnisse und Konflikte einer Beziehung zwischen Mann und Frau, bricht Geschlechter-Klischees auf und glänzt dabei besonders mit grandiosem Wortwitz. Auf wunderbare Weise, die der Zeit damals mehr als voraus war, durchbricht er mehrfach die vierte Wand und bebildert die Gedanken, Ängste und Sehnsüchte seiner Protagonisten auf ebenso schräge wie herzliche Art.
Dabei gerät der Film, passend zu Genre und Thematik, sehr dialoglastig, was den Zugang besonders zu Beginn ein wenig erschwert und auch später manchmal für einige Längen sorgt. Richtig kurzweilig wird "Der Stadtneurotiker" daher nie, dennoch empfiehlt es sich, stets achtsam zu sein, da einem sonst vielleicht einige herrliche Gags am Rande sowie viel Dialogfeuer entgehen, die es auch heute noch in sich haben. Getragen wird das Spiel neben einer starken Regie dabei natürlich von den Darstellern. Heutige Top-Stars wie Christopher Walken oder der aus der "Jurassic Park"-Reihe bekannte Jeff Goldblum erhielten winzige Auftritte, die für sie den Beginn einer glorreichen Karriere bedeuteten - selbst die später in "Shining" auftretende Shelley Duvall ist hier in einer kleinen, aber prägnanten Rolle zu sehen.
Für den Hauptpart besetzte Woody Allen sich jedoch sogleich selbst, was von vorne bis hinten passt: Als verkopfter, leicht schräger und intellektueller Comedian ist er einfach umwerfend gut. Fast noch ein bisschen besser agiert hier Diane Keaton, die bereits damals starke Frauenfiguren förderte und ihren Teil dazu beiträgt, dass endlich Klischees gebrochen wurden: Keaton glänzt als starke Frau, die Allens Figur ordentlich Kontra gibt und markierte somit ebenfalls bereits früh einen der absoluten Höhepunkte ihrer Karriere.
Am Ende verbeugt sich Woody Allen dann auch noch vor der Kunst selbst. Das Leben ist lebenswert und wir müssen unbedingt darin verweilen und Zeit damit verbringen... aber Geschichten, erfundene und wahre, sind dennoch etwas, was wir nicht missen sollten. Später machten es ihm andere, versierte Filmemacher nach: In "Abbitte" dichtete man den Figuren ein anderes Ende an und in Quentin Tarantinos Meisterwerk "Inglourious Basterds" schrieb man sogar die Weltgeschichte um. Zuvor zeigte aber eben auch Woody Allen, dass sich Kunst nicht einsperren lässt und stets den Weg gehen kann und soll, den sie gehen will. Alleine deswegen ist "Der Stadtneurotiker" zeitlos. Es ist kein perfekter Film, auch keiner, den ich noch einmal sehen muss, denn dafür hat er mich zu wenig berührt. Dass er wichtig ist und Seele besitzt, ist aber nicht von der Hand zu weisen.
Fazit: Witzig, charmant und mit dem richtigen Händchen für auch heute noch aktuelle Themen. Allen bricht Klischees auf und sorgt für ein feuriges Dialogkämpfchen zwischen Mann und Frau. Das ist manchmal zäh und nicht immer aufregend, dafür aber klassisch und clever.
Note: 3+
1978 wurde "Der Stadtneurotiker" mit sage und schreibe fünf Oscars bedacht, darunter auch mit dem Hauptpreis für den besten Film. Auch heute noch ist es eines von Woody Allens bekanntesten und beliebtesten Werken, dem es weiterhin nicht an intelligentem Witz und viel Charme mangelt. In flotten und nicht immer einfach zu durchschauenden anderthalb Stunden enträtselt Allen dabei Geheimnisse und Konflikte einer Beziehung zwischen Mann und Frau, bricht Geschlechter-Klischees auf und glänzt dabei besonders mit grandiosem Wortwitz. Auf wunderbare Weise, die der Zeit damals mehr als voraus war, durchbricht er mehrfach die vierte Wand und bebildert die Gedanken, Ängste und Sehnsüchte seiner Protagonisten auf ebenso schräge wie herzliche Art.
Dabei gerät der Film, passend zu Genre und Thematik, sehr dialoglastig, was den Zugang besonders zu Beginn ein wenig erschwert und auch später manchmal für einige Längen sorgt. Richtig kurzweilig wird "Der Stadtneurotiker" daher nie, dennoch empfiehlt es sich, stets achtsam zu sein, da einem sonst vielleicht einige herrliche Gags am Rande sowie viel Dialogfeuer entgehen, die es auch heute noch in sich haben. Getragen wird das Spiel neben einer starken Regie dabei natürlich von den Darstellern. Heutige Top-Stars wie Christopher Walken oder der aus der "Jurassic Park"-Reihe bekannte Jeff Goldblum erhielten winzige Auftritte, die für sie den Beginn einer glorreichen Karriere bedeuteten - selbst die später in "Shining" auftretende Shelley Duvall ist hier in einer kleinen, aber prägnanten Rolle zu sehen.
Für den Hauptpart besetzte Woody Allen sich jedoch sogleich selbst, was von vorne bis hinten passt: Als verkopfter, leicht schräger und intellektueller Comedian ist er einfach umwerfend gut. Fast noch ein bisschen besser agiert hier Diane Keaton, die bereits damals starke Frauenfiguren förderte und ihren Teil dazu beiträgt, dass endlich Klischees gebrochen wurden: Keaton glänzt als starke Frau, die Allens Figur ordentlich Kontra gibt und markierte somit ebenfalls bereits früh einen der absoluten Höhepunkte ihrer Karriere.
Am Ende verbeugt sich Woody Allen dann auch noch vor der Kunst selbst. Das Leben ist lebenswert und wir müssen unbedingt darin verweilen und Zeit damit verbringen... aber Geschichten, erfundene und wahre, sind dennoch etwas, was wir nicht missen sollten. Später machten es ihm andere, versierte Filmemacher nach: In "Abbitte" dichtete man den Figuren ein anderes Ende an und in Quentin Tarantinos Meisterwerk "Inglourious Basterds" schrieb man sogar die Weltgeschichte um. Zuvor zeigte aber eben auch Woody Allen, dass sich Kunst nicht einsperren lässt und stets den Weg gehen kann und soll, den sie gehen will. Alleine deswegen ist "Der Stadtneurotiker" zeitlos. Es ist kein perfekter Film, auch keiner, den ich noch einmal sehen muss, denn dafür hat er mich zu wenig berührt. Dass er wichtig ist und Seele besitzt, ist aber nicht von der Hand zu weisen.
Fazit: Witzig, charmant und mit dem richtigen Händchen für auch heute noch aktuelle Themen. Allen bricht Klischees auf und sorgt für ein feuriges Dialogkämpfchen zwischen Mann und Frau. Das ist manchmal zäh und nicht immer aufregend, dafür aber klassisch und clever.
Note: 3+
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