Einen geliebten Menschen, vielleicht gar den geliebten Menschen zu verlieren, ist die wohl schmerzlichste Erfahrung, die man sich überhaupt nur vorstellen kann. Das Leben verliert Fokus und Sinn oder scheint dies zumindest zu tun und manchmal fällt man gar in ein tiefes Loch... tatsächlich geht aber jeder Mensch vollkommen anders mit einem einschneidenden und plötzlichen Verlust um. Ein gutes Beispiel ist das stille Drama "Demolition", in welchem Jake Gyllenhaal in einer perfekt auf ihn zugeschnittenen Rolle den Tod seiner Ehefrau verkraften muss... und dabei anders reagiert, als man vielleicht zuvor denken würde.
DEMOLITION
Innerhalb von Sekundenbruchteilen ändert sich das Leben des jungen Investment-Bankers Davis Mitchell (Jake Gyllenhaal) um hundertachtzig Grad: Seine Frau Julia (Heather Lind) kommt bei einem schweren Autounfall, bei welchem der auf dem Beifahrersitz anwesende Davis kaum einen Kratzer davonträgt, ums Leben. Julias Familie ist aufgelöst, doch Davis' Gefühle wollen nicht zünden. Stattdessen schreibt er einen Brief an die Firma eines Süßigkeiten-Automaten, welcher im Krankenhaus kurz nach Julias Tod keine M&Ms rausrücken wollte... und gerät gerade deswegen an eine junge Frau, die womöglich seine wirkliche Seelenverwandte sein könnte.
Wir wissen nie, ob der Mensch, in den wir verliebt sind, mit dem wir zusammen sind oder den wir heiraten, wirklich die Liebe unseres Lebens ist. Das Leben kann uns furchtbare Streiche spielen und ganze Beziehungen von jetzt auf gleich vernichten... eine Situation, mit der sich Travis Mitchell nicht zu plötzlich konfrontiert sieht. Wie wir früh erfahren, war seine Beziehung zu Julia gar nicht so emotional, was sich auch in Davis' Reaktion wiederspiegelt. Die Emotionen aufgrund ihres plötzlichen Todes sind da, irgendwo, doch sie brechen nicht raus. Wie der junge Banker stattdessen mit der Situation umgeht, das ist sehr schön zu sehen, hat immer wieder Momente leisen, skurillen Humors, verfehlt aber auch das Herz nicht.
Leichtfüßig weicht "Dallas Buyers Club"-Regisseur Jean-Marc Vallee dabei den gröbsten Klischees der Geschichte aus und entwirft Figuren, die immer ein wenig obskur wirken, die uns auch nie ganz nahkommen. Wir können nicht alle ihre Taten verstehen oder gar billigen und gerade Travis wirkt in seinen Momenten der zügellosen Zerstörung (deswegen trägt der Film auch seinen Titel) gar ein wenig wahnsinnig. Und dennoch fühlen und leiden wir mit diesem seltsamem Menschen mit, verstehen ihn manchmal gar besser als die trauernden Eltern oder Freunde. Vallee verweigert uns einen wirklichen Blick hinein in die Seele des jungen Mannes, aber er erzeugt dennoch genügend emotionale Kraft, damit wir wirklich mit ihm mitgehen... einige etwas überzogene Szenen ausgenommen.
Und selbst die Geschichte, in welcher sich Mitchell zumindest ansatzweise wieder unters Volk wirft und neue Kontakte knüpft, greift nicht in die Klischee-Schublade. Dem romantischen Kitsch verschreibt sich dieser weitestgehend leise Film nicht und lässt seine Figuren stattdessen glaubwürdig atmen. Trotzdem verhilft dies dem im Fokus stehenden Plot, indem auch "The Book of Henry"-Star Naomi Watts eine prägnante Rolle spielt, nicht zum richtigen Schwung. Manchmal reden die Figuren eher aneinander vorbei und mit der Zeit wird es etwas anstrengend, Mitchell bei seinem ebenso selbstzerstörerischen wie teilweise egomanischen Zügen zuzusehen... denn so richtig ins Herz will Vallee hier eben nicht treffen.
Um dramaturgisch aus den Vollen zu schöpfen, fehlt es ein wenig an Arroganz, gar ein wenig an Mut, weswegen "Demolition" über weite Strecken eher vor sich hindröppelt. Das soll, und das muss hier klar angemerkt werden, aber eben auch genauso sein, weswegen der Film nicht jeden Geschmack treffen wird, einige Zuschauer sogar komplett kaltlassen wird. Doch selbst die, die mit der etwas eigensinnigen Geschichte wenig anfangen können, werden sich an einer grandiosen Darstellung von "Life"-Star Jake Gyllenhaal ergötzen - nuanciert, niemals überzeichnend, dabei aber mit so enorm viel Energie, ohne in überdramatische Unglaubwürdigkeiten abzurutschen, spielt sich Gyllenhaal hier wie gewohnt die Seele aus dem Leib.
Fazit: Das Drama ist nicht immer ganz fokussiert, verliert in einigen Plots an dramaturgischem Schwung. Trotzdem lohnt sich der Film aufgrund seines leisen Humors, den fehlenden Klischees und ganz besonders wegen einem mal wieder außergwöhnlich brillanten Jake Gyllenhaal.
Note: 3+
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