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Im Rausch der Sterne

Ich bin kein Gourmet - wer schon einmal mit mir essen war, der weiß das. Ich bin enorm leicht zu begeistern, esse fast alles, was mir vor die Nase gestellt wird, habe eine Schwäche für einfache Nudelgerichte und besuche hin und wieder auch eine McDonalds-Filliale, Schande über mein Haupt. Das bedeutet aber nicht, dass ich gutes Essen nicht zu schätzen weiß, ganz im Gegenteil. Ich hege tiefe Bewunderung für die großen Köche, die auf jegliches Detail achten, sich niemals unterhalb der Perfektion verkaufen - ich halte das für eine große Kunst. Deswegen hat mich auch "Im Rausch der Sterne" gepackt... jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt.

IM RAUSCH DER STERNE


Starkoch Adam Jones (Bradley Cooper) wurde einst mit zwei Sternen ausgezeichnet, verlor sich dann jedoch im Drogen- und Alkoholrausch. Nun ist er wieder in London angekommen, wo er erneut auf die Beine steigen und sich seinen dritten Stern verdienen will. Dafür übernimmt er das Restaurant seines überforderten Freundes Tony (Daniel Brühl) und kocht förmlich um sein Leben - alles hängt von der Neueröffnung ab, wenn die Kritiker auf die Bühne treten und nur auf einen einzigen Fehler des gescheiterten Kochs warten. Im Stress legt sich Jones auch mit seinen Mitarbeitern an und verlangt alles von ihnen ab... bis ihn die Vergangenheit wieder einholt und er alte Rechnungen begleichen muss.

Nein, es handelt sich hierbei tatsächlich nicht um eine der etlichen, kitschigen Verfilmungen aus der Nicholas-Sparks-Weder, auch wenn der deutsche Titel tatsächlich so anmutet. Gemeint sind hier nämlich nicht die Sterne, zu denen schmachtenden Paare am Nachthimmel hinaufsehen, sondern die Sterne, die sich ein Koch zu verdienen hat, mit denen ein guter Name vorangeht. Und in genau diesem Rausch hängt Protagonist Adam Jones fest, er hat nichts anderes vor Augen als diesen einen, dritten Stern - sein großes Ziel. "Im August in Osage County"-Regisseur John Wells porträtiert Jones als schillernden Charakter, der niemals sympathisch wird, den wir manchmal gar hassen und der sich förmlich in seinen emotionalen Ausbrüchen verliert. Keine ganze einfache Figur, um sie in den Fokus eines Hollywood-Dramas zu stellen und leider versäumt man es auch, dem Charakter den Spiegel vorzuhalten, seine Taten wirklich in Frage zu stellen. 
Dafür darf Bradley Cooper dann auch richtig von der Leine gelassen werden: Er geht in der Rolle voll auf und bei manch einem seiner schlichtweg cholerischen Anfälle, wenn er ein ganzes Team von Superköchen zusammenfaltet, weil der Fisch eine Kruste bekommen hat, bleibt einem schier der Atem weg. "Der Sternwanderer"-Star Sienna Miller gebietet Cooper dabei überraschend gelungen Paroli und schafft es, ihre Rolle nicht zu einem puren Stichwortgeber verkommen lassen - dass ihr noch ein recht farbloser, romantischer Sideplot hinzugedichtet wird, der aus dem Nichts kommt und hier auch etwas fehl am Platze wirkt, dafür kann sie schließlich nichts. Auch die weitere Besetzung besteht aus großen Namen, von denen einige mehr (Matthew Rhys als Kochrivale mit viel Wut sowie die europäischen Stars Omar Sy und Daniel Brühl) und einige weniger gut agieren - "Kill Bill"-Star Uma Thurman hat beispielsweise gar nichts zu tun, Lily James schaut für eine kurze Szene vorbei und auch die immerhin oscarprämierte Alicia Vikander bleibt arg unterbeschäftigt. 
Dennoch sieht man der spielfreudigen gerade während der ersten, schlichtweg energiegeladenen Hälfte sehr gerne zu. In dieser inszeniert Wells die Arbeit in einer professionellen Großküche wie einen ganz eigenen Rausch. Glaubwürdig, rasant und in exquisiten Bildern entführt er uns hinter die Küchentüren, lässt Persönlichkeiten aufeinanderknallen, Teller klirren und herrliche Speisen durch Gänge tragen. Und das alles so dermaßen gut durchgetaktet, dass die Küchenszenen zu den wahren Highlights werden - da vergisst man manchmal sogar, wie gut Cooper und Miller hier spielen. 
Den Biss, der auch in den hübschen Dialogen vorgetragen wird, verliert "Im Rausch der Sterne" leider mit der Zeit, wenn er auch seinen zuvor so bärbeißigen Protagonisten durch die Lehren des Lebens führen muss. Das Tempo wird niedriger, die Charaktere werden gar ein wenig an die Leine gelegt und der film büßt dadurch an Energie und Strahlkraft ein, führt seinen Plot eher gemächlich zu einem sehr plötzlichen Schluss - der Abspann läuft auf einmal über den Bildschirm, ohne dass man die Gelegenheit hatte, passend aus der Handlung entlassen zu werden. Das sind klassische Schönheitsfehler, die doch ein wenig Enthusiasmus rauben, weswegen ich mich lieber an die erste Stunde erinnere und das finale Drittel durch etwas anderes austauschen würde. Etwas, was diesem zuvor so starken Film ebenbürtiger gewesen wäre.

Fazit: Bradley Cooper und Sienna Miller spielen sich um alle Sinne, Regisseur John Wells inszeniert den hektischen Alltag in der Großküche wie in einem durchgetakteten, sogartigen Rausch. Leider büßt der Film später an Biss und Energie ein, wird konventionell und läuft recht platt aus.

Note: 3+




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