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Vice - Der zweite Mann

In der Nacht von Sonntag auf Montag werden wieder die Oscars vergeben. Sicherlich werde ich mir die gesamte Veranstaltung auch diesmal, trotz eventuell müder Augen, wieder ansehen, aber dann wesentlich weniger mit den nominierten Werken mitfiebern. Mit vielen der Nominierungen gehe ich gar nicht d'accord, insbesondere die Lobhudelei auf den Marvel-Blockbuster "Black Panther" ist ausschließlich politisch... für sieben Oscarnominierungen, inklusive bester Film, ist dieser nette Comic-Blockbuster einfach nicht gut genug. Vielleicht wird das Starauflaufen, welches das Fehlen eines diesjährigen Moderators überschatten soll, aber noch ganz interessant. Und ansonsten klammern wir uns eben an die anderen Filme - da wäre zum Beispiel auch "Vice", für welchen Christian Bale in dieser Nacht seinen nächsten Oscar abholen könnte...

VICE


Lynne Cheney (Amy Adams) ist drauf und dran, ihren Mann Dick (Christian Bale) zu verlassen, der aufgrund seiner Alkoholkrankheit sein Leben völlig aus den Fugen hat gleiten lassen. Cheney erkennt die Folgen seiner Taten und aufgrund zur Liebe zu seiner Frau spricht er für ein Praktikum im Weißen Haus vor... wo er prompt genommen wird. Dort beginnt er dann glatt eine politische Laufbahn, unterstützt und angeführt von Donald Rumsfeld (Steve Carell), die ihn schließlich sogar unter den amtierenden Präsidenten führt, wo er Verteidigungsminister werden soll. Seine Karriere verläuft steil und unnachgiebig... sogar bis ins neue Jahrtausend hinein, als der Irakkrieg beginnt.

Ein richtiger Überfavorit ist "Vice" bei den Oscars nicht - wahrscheinlich ist er dafür viel zu provokant, viel zu bissig... und dabei besser als zumindest ein Großteil der Kandidaten für den Hauptpreis, die ich bislang gesehen habe. Tatsächlich ist, obwohl es dem Film nicht an Humor mangelt, das Werk von "The Big Short"-Regisseur Adam McKay alles andere als ein Feel Good Movie. Stattdessen zeigt man dem Zuschauer auf ebenso skurille wie teilweise schockierend ehrliche Art und Weise, wie Dick Cheneys Karriere über fünfunddreißig Jahre verlaufen ist, was für grausame Gräueltaten er einzig und allein durch Worte in Büros verbrachte... und mit welchen Entwicklungen seiner damaligen Fehler sich unsere Welt und somit auch wir als ihre Bewohner noch heute herumschlagen müssen.
Wie auch schon bei "The Big Short" verzichtet McKay von Anfang an darauf, die Geschichte als trockenes Politiker-Drama aufzutischen - hüben wie drüben gibt es vollkommen skurille Unterbrechungen, bekannte Stars treten in Cameos auf, um gewisse Dinge für den nicht allzu politikgewandten Zuschauer noch einmal genauer zu erklären und auch einige der Nebendarsteller chargieren streckenweise... dabei wird die Schmerzgrenze jedoch niemals überschritten und McKay ist sich der Verantwortung, die dieser Film mit sich bringt, durchaus bewusst. Wo er in einigen Momenten noch mit bitterbösem Humor aufwartet, weiß er jedoch auch genau, wann er einen emotionalen Punch austeilen muss und wenn sich später immer weiter entblättert, wie weitreichend Cheneys Taten waren und McKay diese Ergebnisse in schockierenden Nachrichtenaufnahmen aufzeigt, dann dürfte vielen Zuschauern ein Kloß im Hals stecken bleiben. Mit einem seligen Grinsen wird man sicherlich nicht aus dem Kinosaal entlassen, viel mehr ertappte ich mich dabei, wie ich noch länger über die 134 Minuten, die sich soeben erlebt hatte (und die auch nicht ganz ohne kleinere Längen bleiben) nachdachte.
Manchmal ist aber auch genau dieser etwas obskure Mix, der nicht jedem gefallen wird, etwas zu viel des Guten. Bisweilen teilt McKay so heftig aus, dass man sich des Gefühls nicht erwehren kann, der Regisseur wolle uns mit aller Nachdrücklichkeit und mit einem Holzhammer im Anschlag seine Meinung einbläuen - ganz gleich, ob wir diese nicht auch zuvor schon vertreten haben. Der skurille Humor wirkt bisweilen aufdringlich, in einigen unpassenden Momenten sogar klamaukig und dementsprechend dann auch etwas bemüht. Weniger wäre hier sicherlich manchmal mehr gewesen, obwohl man sich in der wesentlich gesetzteren und dementsprechend auch kraftvolleren zweiten Hälfte wieder ein wenig fängt.
Die Politsatire ist jedoch, neben der kreativen Regie und des herrlichen Schnitts, aber auch der Gewinn von Christian Bale, der hier nach "The Fighter" seinen zweiten Oscar mit nach Hause nehmen könnte - die ernsthafteste Konkurrenz droht ihm dabei wohl von Seiten Rami Maleks und seiner brillanten Performance als Freddie Mercury in "Bohemian Rhapsody". Es ist schwer zu sagen, welcher der beiden den Gewinn eher verdient hätte (ich tendiere ganz leicht zu Malek), dass Bales Leistung hier aber schlichtweg phänomenal ist, ist ganz klar. Damit meine ich sogar weniger seine mal wieder schockierende Körperlichkeit, die schlichtweg nicht gesund sein kann, aber aufzeigt, wie sehr Bale jedes Mal kämpft. Schlichtweg sitzt beim ehemaligen "The Dark Knight"-Star jede Geste, jeder Blick, ohne Überzeichnung und seine Monologe sind einfach nur Gold wert. Dabei stiehlt Bale sogar seinen Co-Stars die Schau: Amy Adams ist grandios, ihre Rolle fällt jedoch weitestgehend etwas undankbar aus. Währenddessen sind Vorjahres-Oscargewinner Sam Rockwell (als bester Nebendarsteller für "Three Billboards outside Ebbing, Missouri") und Steve Carell für ihre herrlichen Portraits als George W. Bush bzw. Donald Rumsfeld kaum ausreichend zu bewundern.

Fazit: Bissige Politsatire, die es mit ihren Seitenhieben manchmal etwas zu klamaukig und anstrengend übertreibt, dabei aber oft den richtigen Ton trifft und mit bösem Humor und einigen heftigen Punches bzgl der realen Politik punktet. Highlight ist erwartungsgemäß eine der besten Performances, die Christian Bale in seiner langen Karriere bislang hingelegt hat.

Note: 2-





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