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Shine - Der Weg ins Licht

Den meisten jüngeren Filmfans (zu denen ich mich auch noch zähle) dürfte Geoffrey Rush aus der fünfteiligen "Pirates of the Caribbean"-Reihe bekannt sein. Darin war Rush sogar so etwas wie der heimliche Star, brachte er das Piratenthema durch seine eindringliche, kraftvolle und manchmal gar erhabene Performance als Captain Hector Barbossa einfach vollkommen auf den Punkt. Aber Rush hat natürlich auch weitaus mehr als den womöglich zweitwichtigsten Part in meinen Lieblingsfilmen zu verkörpern. Nein, er hat beispielsweise auch schon einen Oscar im Schrank stehen. Diesen nahm er für das sensible Musikdrama "Shine" an sich, welches ich nun zum ersten Mal gesehen habe...

SHINE


Peter Helfgott (Armin Mueller-Stahl) lebt mit seiner Familie in Australien. Dort versucht er, seinen schüchternen Sohn David (Noah Taylor) zu einem begnadeten Pianisten auszubilden. Durch die enorme Verschrobenheit und die kalte Strenge seines Vaters zieht sich David weitestgehend in sich zurück, schafft es jedoch, innerhalb der klassischen Musikszene Bewunderung auszulösen. Diese geht soweit, dass ihm gar ein Stipendium für eine renommierte Kunstschule in London angeboten wird - man rechnet damit, dass David einer der größten Pianisten aller Zeiten werden könnte. Dieser Chance steht jedoch sein Vater im Weg, der auf keinen Fall seine Familie trennen will und deswegen versucht, David mit aller Kraft an seine Heimat zu binden... auch wenn sein Sohn dafür seinen größten Traum aufgeben muss.

Geoffrey Rush nahm für seine Darstellung in "Shine" den Oscar als bester Hauptdarsteller mit nach Hause - trotz mehrfacher Nominierungen (unter anderem für "The King's Speech") blieb es bislang auch bei dieser einen Goldstatue. Tatsächlich gehört dem "Fluch der Karibik"-Star aber erst die zweite Hälfte des Films, ist die erste doch als eine Art lange Rückblende aufgebaut, die Davids Kindheit, Jugend und schließlich seine ersten Schritte in der Musikszene aufzeigen. Zu dieser Zeit spielen Alex Rafalowicz als Kind in wenigen Szenen und schließlich "Tomb Raider"-Star Noah Taylor den jugendlichen David... und Taylor hat dabei insgesamt mindestens ebenso viel Screentime wie Rush. Welcher von beiden letztendlich besser ist, lässt sich schwer sagen, da sowohl Rush als auch Taylor mit schlichtweg phänomenalen Leistungen aufwarten... und das in einer der schwierigsten Herausforderungen, die überhaupt auf einen renommierten Schauspieler warten können. 
Einen, sagen wir mal, psychisch angeknacksten Charakter zu spielen, kann schnell in eine unangenehm overactende und überzeichnete Darstellung ausarten, die dann kunstvoll sein soll, die Emotionalität oder gar die Glaubwürdigkeit aber nicht trifft - im schlimmsten Fall wirkt das dann gar lächerlich. In diese Gefahrenzone rutscht Rush erwartungsgemäß nicht, auch wenn nicht zu übersehen ist, dass er sie gelegentlich ein wenig zu streifen droht. In seinen unglaublich schnellen, wirren und schier sausenden Monologen übertreibt er es manchmal, bleibt dabei in seiner menschlichen und besonders gegen Ende schier entblätternden, minimalistischen Darstellung auf dem Boden der Tatsachen und holt den Zuschauer letztendlich voll ab. Noah Taylor ist ähnlich gut, überzeichnet weniger, ist stiller und leiser... und hat außerdem mt dem deutschen Armin Mueller-Stahl, der Davids überstrengen und emotional verkorksten Vater spielt, auch erhebliche Konkurrenz auf dem Parkett. 
Diesen Kampf kann Taylor, trotz einer schier meisterhaften Darstellung, nur verlieren - Mueller-Stahl agiert so nuanciert und in den wenigen Momenten emotionaler Ausbrüche so dermaßen kraftvoll, intensiv und unglaublich mächtig, dass man sich seinem Spiel schier nicht entziehen kann. Dafür gabs dann eine weitere Oscarnominierung auf dem Nebendarstellerfeld und zu gerne hätte ich Mueller-Stahl, dass er diesen Preis ebenfalls gewinnt - es wird vielleicht die beste oder zumindest eine der grandiosesten Darstellungen seines Lebens bleiben. 
Dabei stemmt er auch den interessantesten Part einer Geschichte, die sich über gute hundert Minuten flügellos entfaltet: Die Beziehung zwischen einem Vater, der an seiner Kunst scheiterte, und seinem Sohn, der dies nun ausbaden muss... und dabei zu mehr Erfolg bestimmt scheint. Das sorgt für erheblichen Konfliktstoff und erst spät wird klar, wie Peter überhaupt zu seinem Sohn steht. Liebt er ihn, trotz all der Hürden, die er ihm in den beschwerlichen Weg legt, wirklich? Oder liebt er nur die Kunst, die dieser erschafft? Antworten auf diese Fragen zu finden und dabei drei Schauspieltitanen bei ihrer famosen Arbeit zuzusehen, begleitet von einem wunderbaren Soundtrack und einer schnörkellosen Regie, das macht durchaus Freude und sorgt letztendlich für kein perfektes, aber dennoch nachhaltiges Filmerlebnis.

Fazit: Das Aufeinandertreffen dreier Schauspieler auf der Höhe ihres Könnens. Für Geoffrey Rush gabs den Oscar, für Mueller-Stahl immerhin eine Nominierung. Obwohl der Plot nicht immer SChritt hält, ist gerade die düstere und entblätternde Familiengeschichte, in denen alle drei zu Höchstleistungen auflaufen, ein Erlebnis, das ins Herz trifft.

Note: 2-




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