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Der verlorene Sohn (2018)

Man mag es kaum glauben, aber noch heute gibt es zahlreiche Menschen, die in Homosexualität eine Krankheit sehen. Schlimm genug, dass es Homophobie gibt oder Menschen, die Schwule und Lesben hassen... aber Menschen, die darin tatsächlich eine reine Sünde sehen und glauben, dass dieses "Ungleichgewicht" geheilt werden könnte? Ich kann viel Dummheit ertragen, muss es in meinem Alltag eben manchmal auch, aber das tut wirklich weh. Aber nein, es gibt sie, und die Hintergrundgeschichte über Opfer und Täter zweifelhafter Einrichtungen, welche die Homosexualität ihrer "Patienten" auslöschen wollen, ist alles andere als lustig. Eine dieser Geschichten erzählt das bewegende Drama "Der verlorene Sohn", der seit vergangenem Donnerstag in den deutschen Kinos läuft...

DER VERLORENE SOHN


Als der achtzehnjährige Jared Eamons (Lucas Hedges) auf dem College bemerkt, dass er homosexuell ist, plagen ihn schwere Gewissensbisse - sein Vater Marshall (Russell Crowe) ist Baptistenprediger und kritisiert die Zuneigung zum gleichen Geschlecht scharf. Als er seinen Eltern von seiner sexuellen Ausrichtung erzählt, melden diese ihn zu einem mehrtägigen Programm: In zwölf Schritten soll er dabei schlichtweg umgepolt werden. Doch schon früh ist sich Jared gar nicht mehr sicher, ob er sich überhaupt verändern möchte. Während seine Mutter Nancy (Nicole Kidman) ihn so gut es geht zu unterstützen versucht, stößt er bei seinem engstirnigen Vater jedoch mehrfach auf taube Ohren...

Das ist tatsächlich eine wahre Geschichte und sie ereignete sich erst vor gut einer Dekade... und noch heute existiert diese Einrichtung, die etliche junge Männer und Frauen ihre Homosexualität auszutreiben versucht. Man mag es kaum glauben und angesichts der Szenen und Bilder, die uns innerhalb dieser Räumlichkeiten, in denen sich Jared gemeinsam mit anderen Gleichaltrigen während des 12-Schritte-Programms aufhält, gezeigt werden, neigt man glatt dazu, all das als vollkommenen Mumpitz abzutun. Wie sehr die Macher anschließend in die Trickkiste griffen und dramaturgisch neue Momente dazudichteten, lässt sich schwer sagen... doch auch so fasst man sich mehrfach vollkommen ungläubig an den Kopf. 
Man hätte die Geschichte auch etwas leiser erzählen können und einige Momente im Programm, in denen die "Dozenten" den jungen Menschen beinahe mit einer Art fehlgeleitetem Exorzismus ihren sexuellen Trieb auszutreiben versuchen, wirken beinahe skurill und vollkommen schwachsinnig. "The Gift"-Regisseur Joel Edgerton, der hier auch selbst die Rolle des Programmchefs Victor Sykes übernahm, setzt dabei auf dramatische Zeitlupen, auf einen dröhnend-dramatischen Soundtrack, auf Nahaufnahmen von weinenden Darstellern. Das ist sicherlich kalkuliert und in vielen Momenten auch etwas zu viel des Guten - diese Szenen hätten sich in ihrer Skurillität ohne all diese technischen Hilfen sicherlich kraftvoller erzählen lassen. 
Wesentlich griffiger und nahbarer wirken dabei die Szenen, in denen sich Jared mit seinen Eltern, vor allem aber mit seinem gläubigen Vater auseinandersetzen muss. Diese Momente sind nicht nur stiller, sondern auch wesentlich energiegeladener. Das liegt zum einen daran, dass sich mit Newcomer Lucas Hedges, der nach "Manchester by the Sea" und "Lady Bird" nun endgültig zu einer der größten Schauspielhoffnungen seines Jahrgangs mausert, und Megastar Russell Crowe zwei Darsteller gegenüberstehen, die schlichtweg brillieren. Gerade Crowe hat dabei das Glück, den sicherlich interessantesten Charakter spielen zu dürfen: Sein extrem gläubiger Prediger Marshall Eamons ist kein Sympathieträger, doch er ist auch kein Unmensch. Zu jedem Zeitpunkt sehen wir, dass er seinen Sohn abgöttisch liebt, dass ihm die Neuigkeit über die sexuelle Ausrichtung seines Kindes, die er mit seinen persönlichen Ansichten nicht vereinen kann (selbst wenn er wollte), den Boden unter den Füßen wegzieht. Diesen Kampf trägt Eamons weitestgehend in seinem Inneren aus und es ist der spannendste Konflikt des Films, der sich gegen Ende nicht entlädt, sondern in einem brillanten, herzzerreißenden Dialog zwischen Vater und Sohn einen phänomenalen, glaubwürdigen Abschluss erfährt. 
Mindestens ebenso stark ist jedoch die Geschichte von Protagonist Jared, der sowohl vor dem Eintritt ins Programm als auch während diesem mit harten Schicksalsschlägen umgehen muss. Er muss lernen, wofür er eigentlich lebt und wem er gefallen will. Anderen Männern? Seinen Eltern? Fremden Menschen, die ihn als fehlgeleitet sehen? Oder schlichtweg nur sich selbst? Auch das ist ein spannender Konflikt, der jedoch innerhalb der 115 Minuten nicht immer ausreichend in die Tiefe geht. Auch wenn Edgerton dabei also manches Potenzial liegen lässt, manchmal ruhig etwas mehr und manchmal etwas weniger hätte aufs Gas treten dürfen, ist ihm dennoch ein Film gelungen, der packend genug ist und auch genug Herz und Wahrheit in sich trägt, um noch länger nachzuwirken.

Fazit: "Der verlorene Sohn" erzählt eine Geschichte, die so furchtbar anmutet, dass man kaum glauben mag, das sie wahr ist. Regisseur Joel Edgerton trifft darin nicht immer den richtigen Ton, doch in den ruhigen Familienszenen und in der Schauspielführung leistet er starke Arbeit.

Note: 3+






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