Direkt zum Hauptbereich

Das Urteil - Jeder ist käuflich

Amazon Prime bietet tatsächlich einen ganzen Haufen an Grisham-Verfilmungen an... oder bot, denn mittlerweile sind viele von ihnen von der Streamingplattform, die ja immer wieder Filme rauswirft, um neue aufzunehmen, verschwunden. "Die Kammer" war dabei die erste Verfilmung von Grishams Romanen, die ich je sah... und sie enttäuschte mich ziemlich herbe. Doch ich wollte mich nicht unterkriegen lassen, denn die Besprechungen manch eines anderen Films war einfach zu gut. Deswegen machte ich nur wenig später mit einer weiteren Verfilmung weiter: "Das Urteil", etwas frischer aus dem Jahr 2003. Und hier habe ich mich nun wirklich gut unterhalten gefühlt.

DAS URTEIL


Der Technikwarenhändler Nicholas Easter (John Cusack) wird für eine Gerichtsverhandlung als Geschworener geladen. Dabei wird die Waffenfirma Vicksburg Firearms wegen eines vor zwei Jahren begangenen Attentats mit elf Todesopfern verklagt - der Schütze konnte sich eine der Waffen illegal auf dem Schwarzmarkt besorgen. Im Saal treten Anwalt Wendell Rohr (Dustin Hoffman) und Geschworenenberater Rankin Fitch (Gene Hackman), der Verteidiger Durwood Cable (Bruce Davison) unter Kontrolle hat, gegeneinander an - alle wollen sie die Geschworenen manipulieren, um so ein passendes Urteil zu erwirken. Dabei haben sie die Rechnung jedoch ohne die mysteriöse Marlee (Rachel Weisz) gemacht, die inner- und außerhalb des Gerichtssaals eigene Pläne schmiedet, um die Verhandlung zu manipulieren...

Der zugrunde liegende Roman von John Grisham wurde in einigen Teilen abgeändert - so geht es im Film nicht mehr um die Tabak-, sondern um die Schusswaffenindustrie. In Amerika ist dies immer noch ein wichtiges Thema und "Sag kein Wort"-Regisseur Gary Fleder widmet sich diesem gleich von mehreren Seiten, wobei es schwer fällt auszusagen, welche denn nun die spannendste ist. Tatsächlich schleicht er sich auch für einige enthüllende, beinahe anklagende Momente im US-Rechtssystem ein, entschleiert Manipulationen und Taktiken, hat dabei auch noch ein ziemlich treffsicheres Charakterdrama und im Kern einen entlarvenden Justizthriller zu bieten, getragen von einer namhaften Besetzung und einigen herrlichen Dialogsalven, die sich die zahlreichen Charaktere in einem komplexen Puzzle hin und herschießen... und das alles verpackt in zwei ebenso temporeiche wie belehrende Stunden. 
Sicher, nicht jeder Topf findet hier seinen passenden Deckel und gerade im Hinblick auf die Geschworenen bleibt manch ein Charaktermuster etwas unpassend und auch die Rolle der Marlee, gespielt von "Die Mumie"-Star Rachel Weisz, bleibt lange Zeit ein etwas seltsames Mysterium, welches man nur schwer einordnen kann. Darüber hinaus ist es Fleder jedoch auf beachtenswerte Weise gelungen, seine etlichen Handlungsstränge stark aufeinander zuspielen zu lassen, um daraus ein vetracktes Geflecht zu entwickeln, bei welchem es Spaß macht, dieses nach und nach zu entwirren. Jede Figur in diesem Komplott ist wichtig, jeder kleine Wink ein Teil eines ausgereiften Plans. Fleder streut dabei geschickt falsche Fährten, überrascht mit großen und kleinen Wendungen und fährt auch die Dramaturgieschiene, ohne dabei zu überzeichnen oder die Moralkeule zu schwingen - was angesichts des Themas schon erstaunlich ist. 
Dabei verbinden sich unterschiedliche Genres, zwischendrin wird es dank der starken Dialogzeilen sogar ein wenig heiter und wie in einer Detektivserie besehen wir uns jede Figur genauer, achten auf jegliche Geste. Fleder erzeugt beim geneigten Zuschauer angesichts der wichtigen Details gar eine gewisse Paranoia und irgendwann vertrauen wir glatt niemandem mehr, bis das Spiel nach zwei Stunden ebenso passend wie rund aufgeklärt wird - starkes Spannungskino, mit Gefühl, Hirn und leisem Humor. Für die Starbesetzung, wobei sich selbst in den kleinsten Rollen noch bekannte Namen finden (in Nebenrollen sind beispielsweise der verstorbene "Spider-Man"-Star Bill Nunn, Komiker Orlando Jones oder auch Gerry Bamman, der fiese Onkel aus den "Home Alone"-Filmen, zu sehen), ist das natürlich ein gefundenes Fressen und für den Zuschauer eine große Freude. 
Insbesondere, die beiden Altstars Gene Hackman und Dustin Hoffman zum ersten Mal gemeinsam in einem Film zu sehen, wo sie sich dann auch wunderbar und nuanciert in die Haare kriegen, ist wirklich eine Wohltat... und dazwischen hängt John Cusack, dessen Karriere gerade zur Jahrtausendwende ja einen ordentlichen Schub bekam. Hier erkennt man dann auch, wieso das der Fall ist, denn der "Zimmer 1408"-Star begleitet das Ensemble als Puzzlestück, geistert sich trickreich durch die Szenerie und bleibt dabei ebenso undurchsichtig wie von grundauf sympathisch.

Fazit: Elektrisierender Thriller, der sowohl mit der Waffenlobby als auch mit dem US-Rechtssystem in einem herrlich vertrackten Puzzle abrechnet, getragen von einer herausragend aufgelegten Starbesetzung. Hochspannend, komplex, clever, mit Herz und Hirn - eine ganz starke Grisham-Verfilmung.

Note: 2




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se