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Sweethearts

Letztes Jahr war der deutsche Film nicht ganz so stark, sowohl finanziell als auch qualitativ, obwohl Hape Kerkelings "Der Junge muss an die frische Luft" Ende Dezember noch so einige Kohlen aus dem Feuer holte. Zwar gab es 2018 auch die herrliche Komödie "Der Vorname", ansonsten eben aber auch eine Menge höchstens solides oder absolutes durchschnittliches Material, wobei ich natürlich längst nicht alle deutschen Kinofilme des Jahres gesehen habe. Ob es 2019 diesbezüglich etwas besser wird, kann man nur mutmaßen - mit "Kalte Füße" ging es zumindest erneut in durchaus nette, aber auch keinesfalls aufsehenerregende Gefilde. Und nun kehrt Karoline Herfurth zurück, mit ihrem zweiten Regieprojekt, in welchem sie erneut die Hauptrolle übernimmt, wobei meine Erwartungen nach den überraschend freundlichen Kritiken auch nicht mehr ganz niedrig waren...

SWEETHEARTS


Die alleinerziehende Mutter Mel (Hannah Herzsprung) raubt den örtlichen Juwelier aus, muss innerhalb dieser kriminellen Tat jedoch improvisieren und nimmt während ihrer Flucht kurzerhand die überängstliche, schnell hyperventilierende, dauerquasselnde Franny (Karoline Herfurth) zur Geisel. So richtig entgegenspielen tut Mel dieser Akt jedoch nicht, hat sie mit Franny nicht nur eine echte Nervensäge, sondern schon bald auch eine energetische Gegenspielerin am Hals. Als auch der Polizist Harry (Frederick Lau), der eigentlich auf der Jagd nach Mel war, zum Trio stößt, verkompliziert sich die Situation, Beziehungen formieren sich neu... und am Ende werden aus Feinden sogar irgendwie Verbündete.

Das Regiedebüt von Karoline Herfurth habe ich nicht gesehen, tatsächlich zeigten sich die Kritiker von "SMS für dich" aber doch so angetan, dass ich denke, diesen bald mal nachholen zu sollen. Auch über ihren zweiten Film verloren sie viele positive Worte, wobei "Sweethearts" an den Kinokassen wohl keine große Rolle spielen wird... und das ist eigentlich auch gut so, denn als reiner Film ist er einfach nicht gut genug. Man merkt, dass Herfurth sowohl vor als auch hinter der Kamera mit ganzem Herzen dabei war und offensichtlich sehr an ihr Projekt geglaubt hat, dennoch ist all das irgendwie zu viel des Guten. Und obwohl sie ihre Charaktere immer nah an der Grenze der absoluten Überzeichnung oder sogar darüber angelegt hat (man denke nur mal an ihren schrillen, aber dennoch enorm liebenswürdigen Part in "Fack Ju Göhte"), so ist erst jetzt bei "Sweethearts" passiert, dass Herfurth begonnen hat, mich zu nerven.
Als ständig kreischende und vollkommen elektrisierte Franny steht sie ständig unter Strom, redet in einer Tour und ist förmlich hypernervös - neben ihr wirkt Hannah Herzsprung wesentlich bodenständiger... und das, obwohl sie hier die Verbrecherin spielt, der eigentlich angesichts der Verstrickungen, die sich nach dem Überfall auf den Juwelier ergeben, der Arsch auf Grundeis gehen müsste. Herzsprung hält sich dabei zumindest soweit zurück, dass auch der später zu den beiden Damen stoßende Frederick Lau, bekannt aus "Die Welle" und "Simpel", noch Akzente setzen kann und dabei durchweg sympathischer und nahbarer wirkt als seine weiblichen Kollegen. Wobei man den beiden Frauen auch zu Gute halten muss, dass ihnen mit den Figuren, die sie hier verkörpern müssen, kein großer Gefallen getan wurde, denn sowohl in der Charakterzeichnung als auch in dem Drehbuchgepinsel, welches uns hier als Handlung zugemutet wird, lässt sich wenig finden, woran gestandene Schauspielerinnen wirklich gut arbeiten können.
Die Beziehungen der Protagonisten sind ein reines Wirrwarr, insbesondere die hektische Franny ist erschreckend schlecht geschrieben - wieso sich die Beziehung zwischen ihr und der kriminellen Mel so entwickelt, wie sie das letztendlich tut, wirkt nicht nur ungemein bemüht, sondern ist auch förmlich an den Haaren herbeigezogen. Da die grundlegende Geschichte größtenteils von eben diesem Zusammenspiel lebt, ist es also nicht verwunderlich, dass diese eher wirr und schwunglos vonstatten geht... und wenn Herfurth später auch noch versucht, mit ausladenden Actionszenen, epischen Zeitlupen und tränendrückenden Abschieden einen auf Hollywood zu machen, wird es sogar richtiggehend unangenehm.
So ganz weiß man also nicht, was die Macher hier erzählen wollten, sie mäandern recht ungeschickt zwischen überzeichnetem Drama und recht nerviger Komödie. Dass dabei immer wieder einige Gags sitzen, die Schauspieler ihr Möglichstes tun und manch eine Station, die Mel, Franny und Harry während ihrer Reise anpeilen, tatsächlich gute Unterhaltung liefert, ist sicherlich nicht zu übersehen... und so auch nicht das Potenzial, welches in dieser eigentlich netten Geschichte steckt. Hätte man aber etwas mehr Hirnschmalz in die eigentlich komplexeren Charaktere gesteckt, die hier oberflächlich und ziemlich seltsam zurechtgeschrieben wirken, dann wäre dabei auch ein besserer Film herausgekommen.

Fazit: Ziemlich wilder Film, der etwas anstrengend zwischen überzogenem Drama und wirrer Komödie wechselt. Die Beziehungen der Charaktere wirken bemüht, der Plot biedert sich seltsam an unpassenden Hollywood-Standards an. Das ist streckenweise durchaus unterhaltsam, insgesamt aber auch ziemlich uninspiriert und emotional schwach auf der Brust.

Note: 4+







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