Schauspielerin Glenn Close hält einen Rekord, der ebenso beachtlich wie traurig anmutet: Sieben Mal war sie bereits für den begehrten Filmpreis Oscar nominiert, darunter viermal als beste Hauptdarstellerin. Heute ist sie zweiundsiebzig Jahre alt, blickt auf eine grandiose Karriere zurück, hat den Goldjungen aber noch immer nicht erhalten. Zuletzt war sie tatsächlich in diesem Jahr nominiert, hatte jedoch gegenüber der brillanten Darstellung von Olivia Colman in "The Favourite" das Nachsehen. Colmans Spiel war mehr als würdig für den Oscar und man muss anmerken, dass es schwer für Close war, dagegen noch anzukommen. Sieht man sich nun jedoch "Die Frau des Nobelpreisträgers" an, der weitestgehend von ihrer ungemeinen Präsenz zehrt, ist es fast schon wieder schade, dass sie es nicht war, die den Oscar in den Händen hielt... auch wenn uns damit Colmans bereits klassische, wunderbare Rede durch die Lappen gegangen wäre, die ich heute keinesfalls mehr missen möchte.
DIE FRAU DES NOBELPREISTRÄGERS
Die Stimmung im Hause Castleman ist exzessiv: Joe Castleman (Jonathan Pryce) soll als einer der bedeutendsten Autoren der Neuzeit mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet werden. Gemeinsam mit seiner ihn stets unterstützenden Ehefrau Joan (Glenn Close) begibt er sich nach Stockholm, wo er den Preis unter Partys, Blitzlichtern und ihn anhimmelnden Fans entgegennehmen soll. Doch schon bald hängt der Haussegen schief, als Joe nicht nur seine Frau, sondern auch seinen Sohn, den noch in seinen Anfängen stehenden Schriftsteller David Castleman (Max Irons) mit hochtrabenden Worten vor den Kopf stößt. Für Joan ist der Rummel nur schwer zu ertragen... vor allem, da sie es eigentlich ist, der Joe den Ruhm zu verdanken hat.
Der Film beruht auf einem Roman von Meg Wolitzer - Regisseur Björn Runge inszenierte die Verfilmung, die Anfang 2019 bei den Oscars mitmischte, allerdings leer ausging. Über den Film an sich reichen dabei wenige Worte: Es ist ein spannender Konflikt, der besonders in seinen leisen Tönen überzeugt und immer dann schwächelt, wenn man eben diese doch etwas lauter ausspricht. In der Figur des von "Mr. Robot"-Star Christian Slater gespielten Reporters werden die Schwächen dabei deutlich, da hier auf Gedeih und Verderb versucht wird, einen riesigen Keil zwischen die beiden Hauptpersonen zu treiben. Den Konflikt hätte man dabei wesentlich prägnanter aus den Gefühlen und Empfindungen beider erzählen können - glücklicherweise verlässt sich "Die Frau des Nobelpreisträgers" gegen Ende auch wieder weitestgehend auf diese stillere Note und findet dabei den richtigen Ton.
Ebenfalls stark ist der Plot, der von Joe Castleman und seinen Sohn David handelt. Nur selten etwas zu plakativ findet man hierbei genau das richtige Gespür, um den Sohn, der im Schatten seines Vaters steht und um Anerkennung oder gar nur ein paar ehrliche, nette Worte ringt, darzustellen, ihn aber nicht zu einer eindimensionalen Variante zu machen. Ob dieser nun wirklich so begabt ist oder ob die kritischen Worte des Vaters hier tatsächlich eine Wahrheit aussprechen, bleibt offen und regt angenehm zum Nachdenken an.
An vorderster Front ist es aber natürlich die Geschichte von Joan Castleman und ihrem inneren Konflikt, der durchgehend unter der Fassade der Blitzlichter und des Erfolges mitmischt. Wenn sich Glenn Close in ihre eigenen Gedanken zurückzieht, die Kamera die leisen Regungen ihres Gesichts einfängt, dann ist "Die Frau des Nobelpreisträgers" genau der Film, der er sein sollte: Er braucht nicht viele Worte, er braucht nur eine Schauspielerin, die so gut ist, dass sie etwaige Schwächen in der Handlung durch ihre einnehmende Performane hinwegweht. Mit Close hat Runge genau eine solche Schauspielerin gefunden - durch sie lebt und atmet das gesamte Werk, es sind die kleinen Gesten, die hier doppelt so viel zählen wie die ausgesprochenen und oftmals gelogenen Worte.
Neben ihr überzeugt ebenfalls "Die Frau in Gold"-Star Jonathan Pryce in einer für ihn angenehm großen Rolle: Der Mann, der in großen Serien und Filmen wie "Game of Thrones" oder "Fluch der Karibik" stets eher prägnante Nebenrollen einnahm, muss zwar auch hier im Schatten der Hauptdarstellerin stehen, spielt ihr aber so leichtfüßig und überzeugend die Bälle zu, findet auch ein eigenes emotionales Zentrum, welches durchaus trägt, dass man ihm nur zu gerne zusieht. Am Ende ist es eben dieser Hauptkonflikt, der durch seine vorhersehbare und hier etwas zu groß aufgezogene Wendung etwas schlaucht - hier wäre weniger mehr gewesen. Die Aussage, die der Film vollzieht, ist aber dennoch eine wichtige und richtige, unterteilt die Figuren nicht in Schwarz und Weiß, lässt Fehler und Nachdenklichkeit zu. Ein Zugang fällt dabei nicht immer leicht, hat man ihn aber erst gefunden, sieht man einen Film, der nicht frei von Plot-Schwächen ist, aber zu packen versteht.
Fazit: "Die Frau des Nobelpreisträgers" ist allen voran eine grandiose Vorstellung von Glenn Close, die hier auf ihre alten Tage noch einmal alle Register der leisen Schauspielkunst zieht. Im spannenden Hauptkonflikt hapert es nur dann im Getriebe, wenn sich Regisseur Björn Runge nicht mehr auf diese stillen Töne verlässt und seine Wendung etwas zu groß aufzieht, was weniger glaubwürdig wirkt.
Note: 3+
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