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The French Dispatch

Wie aus den Seiten eines Magazins sind sie entsprungen: In seiner eigenen Geschichte versucht der berühmte, jedoch im Gefängnis versauernde Maler Moses Rosenthaler (Benicio Del Toro) wieder einen Hang zur Kunst zu finden und erwählt daher die Wärterin Simone (Lea Seydoux) zu seiner Muse. In einer anderen Geschichte führt der junge Revoluzzer Zeffirelli (Timothee Chalamet) eine Affaire mit der Journalistin Lucinda Krementz (Frances McDormand), die zeitgleich mit sich und ihren beruflichen Fähigkeiten hadert. Und schließlich wird in einer weiteren Geschichte auch noch der Sohn eines Kommissars entführt (Mathieu Amalric)...

Zwischen mir und Wes Anderson gibt es eine Art Hassliebe - ich vergöttere die kreative Energie, die er in jedes seiner Projekte steckt. Immer wieder erfindet er sich neu und bleibt dennoch seinen Prinzipien treu. Jeder Film von Wes Anderson bietet zwar zugleich etwas Nie gesehenes, etwas ganz Eigenes und trotzdem erkennt man den Regisseur sogleich an seinem eigenen Stil, der unnachahmlich ist. Alles, wofür die Fans ihn lieben, bekommen sie auch in seinem neuesten Film "The French Dispatch", nur macht er es all jenen, die mit seinen Plotstrukturen, seinem Humor und seinem Storytelling bislang gehadert haben, hier noch ein wenig schwerer. Denn rein dramaturgisch folgt er nun mehreren völlig voneinander losgelösten Episoden - diese werden nur zusammengehalten, da ihre Geschichten in der letzten Ausgabe eines berühmten Magazins abgebildet werden. Diese Ausgangslage ist mehr als nur kreativ und lässt uns den Film tatsächlich so genießen, als würden wir gerade eine Zeitschrift durchblättern - wir wissen nie, was uns auf der anderen Seite erwartet.
Das führt natürlich dazu, dass die Dramaturgie an und für sich nicht stimmig ist. Wie in einer Zeitschrift ist jeder Artikel, jede Geschichte eine andere, die die vorherige nicht tangiert. Und natürlich schwankt zwischen den einzelnen Geschichten dann auch mal die Qualität, was bei einem Episodenfilm aber gang und gäbe ist - es gibt eben immer Plots, die etwas schöner und besser geschrieben sind als andere. Doch auch wenn "The French Dispatch" hin und wieder mal schleift und nicht jede Idee wirklich zündet, ist auf den Regisseur Anderson immer noch Verlass. In einer herausragenden Bildkonstruktion, wo jede Aufnahme einem Portrait gleicht, mit einem hervorragenden Tempo, tollen Dialogen und einem herrlichen Soundtrack gelingt es ihm, jede Szene stimmig, packend und spaßig zu halten. Da macht es wenig, dass er sich gerade im Mittelteil ein wenig verrennt, wenn die Inszenierung so sauber, kreativ und ungehemmt auf den Zuschauer einprasselt.
Das gilt, wie für einen Anderson-Film üblich, auch für die Star-Armada, die er dabei erneut um sich versammeln könnte. Dabei auch nur einen von ihnen herauszuheben, käme im Grunde einem Frevel gleich, denn angesichts der unzähligen bekannten Gesichter, die hier teilweise nur für winzige Auftritte durchs Bild laufen, ist es eher die Masse, die beeindruckt. Dass all diese Mimen dabei mehr als nur bloßen Dienst nach Vorschrift verrichten, sondern allesamt zu begeistern wissen, liegt natürlich auch an Anderson, der seine Stars nach wie vor hervorragend zu führen weiß. Allerdings führt dies auch dazu, dass sich letztendlich niemand so richtig nach vorne spielen kann und viele Cameo-Auftritte in der Flut ebenjener ein wenig unterzugehen drohen. Es macht zwar durchaus Spaß, immer wieder auf ein neues bekanntes Gesicht zu treffen (und tatsächlich wartet hinter förmlich jeder Ecke eines), aber oftmals fehlt dem Werk die Zeit, diese fantastischen Schauspieler auch wirklich atmen zu lassen, sie in einer Szene aufleben zu lassen. Dies gelang in anderen Werken des Ausnahme-Regisseurs noch etwas leichtfüßiger und auch stimmiger.

Fazit: Wes Andersons charmante Komödie, wie aus einer Zeitschrift erschaffen, ist maßlos kreativ, hervorragend inszeniert und unwiderstehlich witzig. Leider kann der Film die etwas holprigen Eigenheiten einer Nummernrevue nicht immer abstreifen.

Note: 3+



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