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Malignant

Madison Mitchell (Annabelle Wallis) leidet unter den Aggressionen ihres brutalen Ehemannes Derek (Jake Abel) und auch unter ihrer Vergangenheit - drei Fehlgeburten musste die junge Frau bereits durchleiden, psychisch ist sie seitdem nah dran an einem Wrack. Als Madison eines Nachts in ihrer Wohnung von einem mysteriösen Eindringling attackiert wird, glaubt sie erst, den Verstand verloren zu haben - bis sie klarer sieht. Brutale Morde erschüttern die Nachbarschaft und Madison glaubt, eine Verbindung zu dem Killer zu haben, der offenbar nach einem genauen Muster vorgeht. So wird auch die Polizei auf die Frau aufmerksam und verdächtigt sie gar in den prekären Fällen... doch die Wahrheit ist deutlich schockierender.

James Wan hat in Hollywood einen Stein im Brett. Er ist verantwortlich für drei der erfolgreichsten Horror-Franchises aller Zeiten, die auch künstlerisch wertvoll genug waren alsdass er mittlerweile in den größten Blockbuster-Reihen auf den Regiestühlen mitwirken darf. Ähnlich wie Christopher Nolan oder Peter Jackson hat nun also auch Wan eine Art Card Blanche erhalten - er durfte sich sein nächstes Projekt aussuchen, niemand durfte ihm reinreden und er konnte machen, was er wollte. Dass es Wan dabei nach dem glattgebügelten Comic-Actioner "Aquaman" zurück in die düstere Horror-Ecke treiben würde, war im Grunde klar. Und wer nun wissen will, was passiert, wenn ein Schauer-Garant wie er wirklich alle Trümpfe in der Hand sowie freie Bahn in seinen kreativen Ideen hat, der kommt an "Malignant" nicht vorbei... denn dieser Film ist sicherlich nicht mehr, aber auch absolut nicht weniger als das Verstörendste, Originellste und verdammt noch mal Überraschendste, was das Horror-Kino in der letzten Zeit vorgelegt hat. Wan, hier niemals schielend auf potenzielle, finanzielle Einnahmen, verweigert sich dem Mainstream, legt einen durchdachten Plot vor und bündelt seine großen Talente in einem Film: brillante Action, einige schauerliche Szenen und ein verflixt gutes Drehbuch.
Dabei lässt er die intensiven Schauermomente, durch welche vor allem seine beiden "Conjuring"-Filme lebten, weitestgehend außen vor: Nach einem noch recht schleppenden Beginn interessiert er sich viel mehr für ein sich langsam zusammensetzendes Puzzle aus Ereignissen und Fragen. Es wird nicht wenige Zuschauer geben, die gerade in der ersten Hälfte noch äußerst verwirrt aus der Wäsche schauen werden. Das liegt zum einen daran, dass Wan sich bis zur genialen Schlussauflösung nur selten wirklich in die Karten schauen lässt... und zum anderen daran, dass jeder seiner zuvor noch mühsam aufgemachten Plotpoints, jedes kleine Detail und jede Idee, die beim ersten Sehen noch keinen Sinn entfalten will, am Ende wie die Faust aufs Auge passt. In einer fairen Welt würde ein in seiner inneren Logik ungemein gut durchdachter Film wie "Malignant" zumindest eine Oscarnominierung fürs beste Drehbuch abstauben. Da das aber sicherlich nicht passieren wird, können sich geduldige Zuschauer, die dem Film und seinem teils langsamen Plotaufbau eine Chance geben, einfach daran erfreuen, dass Wan seine gesamte Story und alle handelnden Charaktere unwahrscheinlich gut im Griff hat, immer mehr Tempo aufnimmt und sein persönlichstes Werk dementsprechend, je weiter es sich zusammenpuzzelt, immer und immer besser wird.
Zum großen Finale wird eine Hälfte der Zuschauer dann wahrscheinlich schon entnervt aufgegeben haben, weil sie nicht das bekommen, was sie vom Regisseur von "Saw" und "Insidious" erwarten. Und die andere Hälfte applaudiert, wie sicher und spektakulär er seine Auflösung präsentiert - in einem visuellen Maße, das absolut beeindruckend und originell ist und dabei ungemein sinnig daherkommt. Die letzten zwanzig Minuten von "Malignant" sind dann im besten Maße verstörend, hochspannend, alptraumhaft gut gefilmt und vollkommen abgedreht. In diesem wahnwitzigen Mix tummeln sich indes auch Figuren, denen ein wenig mehr Charakterisierung sicherlich gut getan hätte - viele sind hierbei nur Spielbälle innerhalb eines ungemein clever konstruierten Skripts. Herausstechen tut aber ein sympathisches Cop-Duo, welches für leisen Humor sorgt und die Zuschauer bei all dem Irrsinn ein wenig an der Hand nehmen darf. Letztendlich geht es im weitesten Sinne aber weniger um eine ausgeklügelte Charakterzeichnung, sondern um das große Ganze. Und da wandelt sich die anfängliche Enttäuschung, wenn die erste Hälfte eher wie ein Potpurri aus Genre-Zutaten wirkt, schon recht bald zu absoluter Begeisterung, wenn irgendwann klar wird, wohin das Ganze läuft. Das ist fürs Horror-Kino nicht nur mutig, sondern in seiner skurillen Machart auch absolut grenzwertig. Und dementsprechend, trotz unübersehbarer Schwächen, sicherlich ein Film, der in wenigen Jahren Kultstatus haben wird.

Fazit: In seinem neuesten und vielleicht besten Werk konzentriert sich James Wan weniger auf wirkungsvolle Schauerszenen als viel mehr auf ein wahnsinnig ausgeklügeltes Drehbuch. "Malignant" wird nach schleppendem Beginn immer besser, bis zu einem irrsinnigen Finale, bei dem die Zuschauer vor Angst und Überraschung schreien werden - garantiert!

Note: 2



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