Direkt zum Hauptbereich

Emma (2020)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Die einundzwanzigjährige Emma Woodhouse (Anya Taylor-Joy) lebt gemeinsam mit ihrem Vater (Bill Nighy) auf dem Anwesen Hartfield in der Nähe von London. Gewitzt und mit allerlei Tatendrang ausgestattet versucht Emma nun, ihre Freundin Harriet (Mia Goth) in die höhere Gesellschaft einzuführen und möchte daher nach einem für sie passenden Ehemann Ausschau halten. Ihre Pläne gehen allerdings nach hinten los und Emma stiftet nach und nach immer mehr Chaos in der Familie und unter ihren Freunden. Etwas, was auch George Knightley (Johnny Flynn), einem Freund der Familie Woodhouse, nicht verborgen bleibt...

Obwohl mein Herz wahrlich nicht für Kostümfilme schlägt, wie die langjährigen Leser dieses Blogs mittlerweile wissen dürften, kam ich um "Emma" nicht herum, was zu besonderen Teilen der großartigen Anya Taylor-Joy zu verdanken ist. Diese gehört zu den vielversprechendsten Jungtalenten ihrer Generation und war bislang in jedem ihrer Auftritte absolut grandios - ganz gleich ob in kreativen Horrorfilmen, in Netflix-Dramen oder gar einem Ausflug in die Welt der Marvel-Mutanten in "The New Mutants". Und sie ist dann auch hier der vordergründigste Fakt, um sich "Emma" anzusehen: Mit spitzer Zunge, einer herrlichen Ausstrahlung, schnippischen Kommentaren und zugleich einer Portion ehrlicher, beinahe klassischer Verletzlichkeit gibt Taylor-Joy der Titelfigur ein solches Maß an Eleganz, Würde und Tiefsinn, dass man förmlich an ihren Lippen hängt. Da muss dann sogar der fantastische Bill Nighy zurückstecken, der zwar in vielen kleinen Szenen gewohnt komisch ist, hier aber doch noch einmal deutlich überstrahlt wird. Und auch der Rest des Casts, darunter so illustre Namen wie "Game of Thrones"-Star Gemma Whelan oder Johnny Flynn, können da nicht mithalten.
Was mich an "Emma" ebenfalls interessierte, war die Vermutung, inwieweit der Film mit den üblichen Klischees des Genres brechen würde - der Trailer schien eine solche Richtung gerade aufgrund der Hauptfigur zwar zu attestieren, doch angesichts der Romanvorlage, die von Jane Austen stammt und daher eine ganz klassische Geschichte des Genres darstellt (und die nebenbei Kultstatus besitzt), war ich mir da gar nicht mehr so sicher. Und nein, ganz so "anders" ist der Film dann doch nicht und dringt bei weitem nicht in solch provokante Sphären wie dem oscarprämierten "The Favourite" durch, was so aber auch nicht zu erwarten war. Stattdessen bekommen wir ein weitestgehend klassisches Kostümdrama mit vielen spaßigen Einlagen, den üblichen Verrenkungen, Dramen und viel Herzschmerz, welches aber deutlich leichtfüßiger und nicht ganz so schmachtend daherkommt wie diverse Konkurrenzprodukte. Und obwohl die Geschichte keine Bäume ausreißt und nicht mit Überraschungen aufwartet, sind kaum Längen beklagen - was in einem Film dieses Genres und bei einer Laufzeit von über zwei Stunden auch nicht unbedingt zu erwarten war. Regisseurin Autumn de Wilde beweist jedoch genug Verve, um die manchmal etwas zu sehr mäandernde Handlung flott genug zu gestalten.
Und wen das Ränkespinnen der zahlreichen, nicht immer interessant geschriebenen Figuren nicht so sehr kümmert, der darf sich an den wunderschönen Bildern sattsehen. Nicht nur sind die Landschaften, die akribisch hergerichteten Wohnräume und die prachtvollen Kostüme ohnehin ein Augenschmaus, die fantastische Kameraarbeit macht diese Bilder gar zu einzelnen Gemälden. Darüber hinaus weiß der leichte Score von Isobel Waller-Bridge zu gefallen, der nie in Gefahr läuft, kitschige Szenen auch noch mit kitschiger Musik zu untermalen. Das hat zwar am Ende nicht gereicht, um mich wirklich zu begeistern - trotz der schönen Inszenierung und der großartigen Hauptdarstellerin bin ich aufgrund des Themas immer wieder abgeschweift. Wenn jedoch schon mir, als Kostümfilm-Vermeider, dieser Film einigermaßen gefällt, werden Freunde des Genres hier sicherlich voll und ganz verzückt sein. Deswegen stelle ich diesen ohne jegliche Zweifel eine Empfehlung für "Emma" aus - und all denjenigen, die sich in diesem Thema sonst eigentlich gar nicht zuhause fühlen, kann man dennoch empfehlen, zumindest mal reinzuschauen. Sie könnten schließlich positiv überrascht werden.

Fazit: "Emma" ist ein Kostümfilm und deswegen nicht mein Ding. Dank der großartigen Anya Taylor-Joy in der Titelrolle, einer bildschönen Inszenierung und einem bemerkenswerten Tempo habe ich mich dennoch unterhalten gefühlt, auch wenn ich mir deutlich mehr Provokation gewünscht hätte, um vom altbekannten klassischen Thema ein wenig abzuweichen.

Note: 3





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se