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Gen V - Die erste Staffel

Die achtzehnjährige, mit Supe-Fähigkeiten ausgestattete Marie Moreau (Jaz Sinclair) träumt seit Jahren von nichts anderem, als an der "Godolkin University" aufgenommen zu werden. Die prestigeträchtigste Universität für junge Superhelden bildet seit jeher die zukünftigen großen Stars der Branche aus - ob vor Filmkameras oder als wahre Schützer der Menschen, wie die großen "Seven". Als ein Stipendium ihren Traum möglich macht, ist Marie Feuer und Flamme. Doch noch ahnt sie nicht, dass sie an der Godolkin schnell die Schattenseiten eines Supe-Daseins kennenlernen wird. Da sind die durchaus seltsamen Gelüste ihrer Kommilitonen noch das geringste Problem, denn nach kurzer Zeit findet sie heraus, dass ihre Anwesenheit nicht so sehr erwünscht ist wie anfangs gedacht... und dass sich unter den Mauern der Universität ein schreckliches Geheimnis verbirgt.

Nach dem gigantischen (und immer noch währenden) Erfolg des Amazon-Originals "The Boys" wollte man aus der Marke selbstverständlich noch möglichst viel Material herausquetschen - auch angesichts der Tatsache, dass die Hauptserie mit der fünften Season ihr Ende finden soll. Wie es auf dem heutigen Film- und Serienmarkt üblich ist, ging der Gedanke natürlich schnell hin zu einem Spin-Off, um die Wartezeit zwischen der dritten und der vierten Staffel zu verkürzen. Ich blieb jedoch skeptisch und befürchtete, dass die neue Serie in dieser Hinsicht ziemlich schnell als etwas harmlosere und dementsprechend uninteressantere Teenie-Variation enden könnte, die deutlicher auf Nummer sichergeht, um ein jüngeres Zielpublikum anzusprechen. Was diese spezielle Skepsis angeht, geben die ersten Folgen jedoch bereits Entwarnung: Zwar findet man die ganz extremen Gewalt- und Sexeskapaden hier seltener, doch wenn es dann mal wirklich schlüpfrig und brutal werden soll, dann wird es das auch. In dieser Hinsicht muss sich "Gen V" wahrlich nicht hinter der Mutterserie verstecken und liefert schon in der ersten Folge genügend "krassen Scheiß", um Fans sofort abzuholen.
Da man diese Momente auch meistens passend in die Geschichte einbaut und so nicht Gefahr läuft, sie zu ziemlich merkwürdig herausstechenden Nummernrevuen verkommen zu lassen, wie es noch in der dritten Staffel von "The Boys" der Fall war, findet man bisweilen auch zurück zu alten Stärken. Die Charaktere und die Geschichte stehen hier im Vordergrund und das groteske Drumherum, bei denen Köpfe ebenso plötzlich explodieren können wie eregierte Penisse, bleibt der Hintergrund. Allerdings hat die Serie darüber hinaus andere Schwächen, die im Storytelling verankert sind. So ist das große Geheimnis rund um die "Godolkin University" zu Beginn ein wahnsinnig spannender Aufhänger, der mit der Zeit jedoch immer mehr an Fahrt und Brisanz verliert, sobald eigentlich klar ist, worum es hier genau geht. Trotz der knackigen Laufzeit der einzelnen Folgen, die deutlich kürzer sind als die regulären Episoden der Hauptserie, hat man bisweilen das Gefühl, dass der Kern der Geschichte etwas dünn ist und dementsprechend aufgeplustert werden muss, um auf die üblichen acht Folgen zu kommen. Da spürt man vor allem im Mittelteil, dass der Plot sich durchaus anstrengen muss, um die Hauptfiguren bei der Auflösung des Geheimnisses auszubremsen, damit sich die ganze Nummer nicht schon nach weniger Episoden ihrem Ende nähert.
Immerhin finden sich in diesem letztendlich doch eher weniger packenden Plot noch einige interessante Figuren, denen man durchaus gerne auf ihrer Reise folgt. Auch wenn hier kein so extrem herausstechendes Individuum wie Homelander dabei ist, so nimmt der Plot die Bedürfnisse der jungen Protagonisten durchaus ernst und dichtet ihnen allen nachvollziehbare Probleme und Antriebe an. Einzig die erstaunlich viel Raum einnehmenden, in dieser Form aber auch nicht sonderlich erfrischend geschriebenen Liebesbeziehungen unter den Haupt- und Nebenfiguren nehmen immer wieder das Tempo raus und beißen sich zudem mit der düstereren Hauptgeschichte. Hier ist den Machern zu oft zu wenig eingefallen, um die Figuren auch über ihre romantischen Geflechte hinaus zu definieren. Immerhin macht der junge Cast seine Sache durch die Bank weg gut und die vielen Anspielungen auf die Hauptserie sind nicht nur als (nur teilweise bemühter) Fanservice gut, sondern zeigen auch auf, dass das hier Gesehene nicht bloß die kleine Schwester von "The Boys" ist. "Gen V" ist fest verwurzelt mit der Hauptserie und spielt nicht einfach bloß auf sie an, sondern erzählt diese auch weiter... nur mit einem anderen Fokuspunkt. In dieser Hinsicht zeigt auch das Finale, welches bemerkenswert offen endet, dass es hier noch länger weitergehen wird - sowohl im Spin-Off selbst (für welches eine zweite Staffel längst bestätigt ist) als auch in der Muttershow, die nun kaum noch drum herumkommen wird, die hier geschilderten Ereignisse ebenfalls in ihren übergeordneten Plot zu involvieren. Und diese Zusammenfügung aus verschiedenen Serien und Elementen könnte dann durchaus spannend werden.

Fazit: "Gen V" ist deutlich mehr als nur ein kleines Spin-Off zu "The Boys", liefert starke Charaktere und den von der Mutterserie gewohnten Irrsinn, der diesmal nicht im Dauerfeuer losgelassen wird. Der übergeordnete Plot hat jedoch, nach einem starken Beginn, mit Dynamik-Problemen und der Spannungskurve enorm zu kämpfen.

Note: 3



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