Die Gruppe rund um Hughie (Jack Quaid) und Annie (Erin Moriarty) hat ein ganz klares, neues Ziel: Sie wollen Victoria Neuman (Claudia Doumit) aufhalten, die auf dem besten Wege ist, sich das Amt des Präsidenten zu sichern - wofür sie natürlich über die Leiche des möglichen, zukünftigen Präsidenten Robert Singer (Jim Beaver) klettern müsste. Diese drohende Gefahr wollen sie ausmerzen, wobei ihnen jedoch ausgerechnet Billy Butcher (Karl Urban) ein Klotz am Bein ist, der aufgrund seiner fortschreitenden Erkrankung und seinem Hass auf Homelander (Antony Starr) immer wieder Fehltritte verursacht. Homelander selbst steht aufgrund eines Mordes an einem Demonstranten vor Gericht und bringt aufgrund seiner Beteiligung an Neuman's Wahlkampf auch die potenziell zukünftige Vize-Präsidentin in Bedrängnis. Der Anführer der "Seven" möchte zudem auch sein Team neu aufstellen und greift dabei auf ein frisches Mitglied zurück, welches besonders aufgrund ihrer enormen Intelligenz eine helfende Hand für den nach Macht gierenden Homelander wäre...
In meiner Kritik zur dritten Staffel von "The Boys" sagte ich bereits an, dass sich diese anfänglich so grandiose Serie mittlerweile in einer Abwärtsspirale befindet und wahrscheinlich nicht mehr an ihre alten Erfolge wird anknüpfen können. Nach solchen Worten werde ich gern eines Besseren belehrt, um vielleicht doch noch zu sehen, wie eine zuvor schwankende Serie sich wieder aufrappelt... leider ist dies hier nicht geschehen. Tatsächlich stellt die vierte Staffel den bisherigen Bodensatz der Idee rund um völlig freidrehende und ihre Macht missbrauchende Superhelden dar und ist in seiner Gesamtheit diesmal eine ziemlich schmerzhafte Enttäuschung gewesen. Das hat vordergründig damit zu tun, dass sich die vierte Staffel über weite Strecken wie eine ziemlich zähe Vorbereitung für das große Serienfinale in Staffel Fünf anfühlt, weswegen die ganz großen Konflikte selbstverständlich noch weiter auf die lange Bank geschoben werden müssen. Eine besser geschriebene Serie hätte diese Zeit genutzt, um die Strecke bis dorthin weiterhin spannend zu erzählen, mit neuen Wendungen und mehr Momenten für die eigentlich ja so interessanten Figuren. Tatsächlich verliert Staffel 4 in dem Versuch, ganz viel reinzustopfen, um die Haupthandlung bloß nicht zu schnell voranschreiten zu lassen, völlig den Fokus. Im Kern soll es zwar um die Jagd nach Victoria Neuman gehen, die drauf und dran ist, sich das Präsidentinnen-Amt unter den Nagel zu reißen... doch die Drehbücher machen selbst aus diesem dringlichen Plot noch ein völlig wirres Hickhack.
So ist oftmals nicht nachvollziehbar, warum gewisse Figuren jetzt ausgerechnet so handeln, wie sie es in eben diesem Moment tun und warum Bündnisse mit anderen Charakteren eingegangen werden, die eigentlich auf Feindesseite stehen sollten. Ich habe mehr als einmal mit dicken Fragezeichen vor dem Bildschirm gesessen, weil die einzelnen Figuren so sprunghaft geschrieben sind und bisweilen alle paar Minuten ihre Gesinnung ändern, wie es der Plot gerade braucht. Das ist dann für einen Zuschauer, der eigentlich sehr genau auf stimmige Charakterisierungen und Weiterentwicklungen der Figuren achtet, wahnsinnig frustrierend. Beinahe noch schlimmer ist jedoch, dass immer noch auffällt, wie viele der zuvor so großartig inszenierten Charaktere mittlerweile auserzählt sind, weswegen sich ihre zentralen Konflikte nur noch in schwammigen Wiederholungen suhlen. Das gilt auf sehr enttäuschende Art und Weise für die Liebesgeschichte zwischen Frenchie und Kimiko, wobei deren herzlicher Plot durch eine neu hinzugekommene Figur ad absurdum geführt wird, um am Ende die bereits geführten Konflikte noch einmal von vorne durchzukauen. Ein längst auserzählter Charakter wie "The Deep" ist im Grunde nur noch für die ganz schrägen Nummern drin und selbst zentrale Hauptfiguren wie Homelander oder Billy Butcher agieren nur noch in ihren bekannten, ziemlich düsteren Phasen, ohne dass dabei irgendeine Form der spannenden Weiterentwicklung geschehen würde.
Der einzige Plot, der tatsächlich so etwas wie eine Entwicklung erfährt, die an und für sich interessant ist, ist jener um Homelanders zwischen den Fronten stehenden Sohn Ryan. Allerdings wird auch diese Geschichte angesichts der Masse an völlig unfokussierten, bisweilen arg bemüht geschriebenen und immer wieder frustrierend willkürlich herbeigeführten Subplots an den Rand gedrängt. Die bekannten Eskapaden in sexueller und blutiger Hinsicht sind natürlich ebenfalls noch dabei, kommen aber wie schon in Staffel 3 sehr bemüht daher - gerade die Rückkehr zu einer weiteren, unglaublich langatmigen Orgiennummer hat mit dem Plot einfach nichts zu tun und ist berechnend nur deswegen drin, um dem gierigen Publikum noch mehr Ekel, noch mehr Überzeichnungen zu bieten. Überzeichnend agiert man mittlerweile auch im Humor: Die Serie war schon immer frech und kritisch und das war auch immer gut so. Nun wirken die Anspielungen und Arschtritte gegenüber anderen Superhelden-Filmen jedoch ziemlich platt. Treffer landet die Serie jedoch immer noch, wenn es darum geht, auch gesellschaftlich ordentlich auszuteilen - auch hier zwar mehr als einmal mit einigen extremen Überzeichnungen, aber auch über die Satire hinaus, was bisweilen richtig wehtun kann. Und um zum Schluss doch noch mal auf den ersten Satz meiner Kritik zurückzukommen: "The Boys - Staffel 4" endet nach so vielen groben Enttäuschungen mit einem ganzen Satz an grandiosen Cliffhangern, dass die finale Season diese nur noch verwandeln müsste, um wieder zu alter Stärke zurückzufinden. Man kann nur hoffen, dass die Macher dann wieder genug Fokus beweisen, um diese fiese Erzählung gebührend und mit genügend Mut abzuschließen.
Fazit: Mittlerweile ist leider kaum noch eine stringente Handlung zu erkennen - neben den seltsam herausstechenden, oft sehr bemühten Ekel-Highlights verliert das Plot-Gewusel an Fokus und seinen roten Faden. Die Charaktere wirken entweder auserzählt oder völlig fehlplatziert, immerhin treffen einige satirische und bisweilen gar tragische Spitzen noch ins Schwarze. Ansonsten befindet sich "The Boys" zurzeit jedoch in einer Abwärtsspirale, die ganz besonders von den schwachen Drehbüchern ausgeht.
Note: 4
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