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Ein klitzekleines Weihnachtswunder

Das kleine, britische Küstenstädtchen Wellington, welches direkt am Meer gelegen ist, freut sich auf die bevorstehenden Weihnachtstage. Während der von der Scheidung seiner Eltern betroffene und neu in die Gegend gezogene Danny Williams endlich den Mut aufbringen will, seinen schüchternen Schwarm Sam anzusprechen und deren Zwillingsschwester Charlotte allerlei Streiche ausheckt, beginnt jedoch ein Schneesturm aufzuziehen. Nach der ersten Freude über einen schneefreien Schultag gehen jedoch die Probleme los: Familien werden aufgrund des Wetters von ihren Kindern getrennt und Dannys Mutter, die als Krankenpflegerin arbeitet, muss sogar an Weihnachten im Krankenhaus auftauchen, da es sonst fast keiner der Mitarbeiter wegen des Schnees zum Arbeitsplatz schafft. Die Bewohner des kleinen Städtchens lassen sich jedoch nicht den Mut nehmen und feiern Weihnachten auf ihre eigene Art...

Wie jedes Jahr haut Netflix zur Weihnachtszeit allerlei thematisch passende Filme raus und ich hatte davon schon sehr früh die Schnauze voll. Im Grunde hatte ich nach dem furchtbar banalen "The Merry Gentlemen" schon genug und werde mir die restlichen, im Wochentakt veröffentlichten Kitschfilmchen wohl nur noch ansehen, wenn in den nächsten Wochen wirkliche Langeweile obsiegt und es an Alternativen richtiggehend mangeln sollte. Zumindest einen Volltreffer hat Netflix aber doch gelandet und man kann nur hoffen, dass er unter dem restlichen, minderwertigen Schnellschuss-Material nicht untergeht. In "Ein klitzekleines Weihnachtswunder" feiern wir nämlich ausgerechnet die Rückkehr des großen Richard Curtis, der mit seinem Drehbuch zu seiner größten Stärke zurückfindet. So wie in seinem großen Klassiker "Tatsächlich... Liebe" entwirft er hier gleich mehrere, parallel verlaufende Geschichten mit zahlreichen Haupt- und Nebenfiguren, die sich alle hin und wieder tangieren und zu einem berührenden, großen Ganzen finden. Und obwohl man dieses Prozedere an und für sich schon kennt, muss man das einfach gesehen haben... vor allem weil Curtis seine Fähigkeiten zum Verweben von vielen herzlichen Geschichten auch einundzwanzig Jahre später nicht verlernt hat.
Im Gewand eines Animationsfilms ist da natürlich noch ein bisschen mehr möglich, doch tappt der Film niemals in die Falle, aufgrund der fortgeschrittenen Technik immer noch ein Stück weiterzugehen. Im direkten Vergleich mit dem ebenfalls auf Netflix zu findenden und erst vor wenigen Wochen angelaufenen "Spellbound" wirken die Animationen nicht so knackig und spektakulär. Was jedoch überhaupt nichts macht und an und für sich sogar stimmiger wirkt. Denn wo "Spellbound" seine Technik nicht zu nutzen verstand, um eine Fantasiewelt auch ausgesprochen fantastisch darzulegen, reicht diesem Werk der technische Standard bereits, um seine Geschichten mit Dynamik, Tempo und ganz viel Herz zu erzählen. Es braucht kein überbordendes Spektakel, sondern einfach nur ein paar richtig charmante Figuren und ihre alltäglichen, stets sehr menschlichen und deswegen so nahegehenden Probleme, um für anderthalb Stunden ein wohlig-warmes Gefühl in der Brustgegend zu erschaffen. Das reicht bereits: Ob es sich nun um Dannys schüchterne Annäherungsversuche bei seinem niedlichen Schwarm handelt; oder um einen Konflikt mit seiner Mutter, die für ihren Sohn da sein will, aber auch ihre beruflichen Verpflichtungen schweren Herzens in Kauf nehmen muss - alle Geschichten sind mit so viel Sensibilität für seine Figuren erzählt, dass man sich in alle von ihnen verliebt.
Selbst eine Geschichte, die über lange Zeit etwas schwächer als die anderen daherkommt, erhält später noch einen deutlicheren Sinn. Über eine längere Weile wirkt der Plot rund um eine Schar Kinder, die ohne Erwachsene ihr eigenes Weihnachtsfest feiern, ein wenig unausgegoren... bis es pünktlich zum Finale ausgerechnet dieser Plot ist, der in Kombination mit all den anderen Geschichten für einige der packendsten und herzlichsten Momente sorgt. Das Drehbuch ist dabei klug genug, um wirklich jeder Figur noch ihren kleinen Moment des Lichts zu geben, ohne dass dies zu aufgesetzt daherkommen würde. Anders als in vielen, an Kinder gerichtete Animationsfilme werden hier auch die Rollen der Erwachsenen keinesfalls ausgespart - gerade die Geschichten rund um Dannys Mutter oder um die strenge Lehrerin Ms. Tapper sind so überraschend geschrieben, dass das Buch jeglicher Gefahr einer Klischee-Figur quasi tänzelnd aus dem Weg geht. Untermalt mit einem mal wieder wundervollen Score von "Drachenzähmen leicht gemacht"-Komponist John Powell ist das hier schon eine wirklich runde Sache. Wer also dieses Jahr keine Lust hat, zum zwanzigsten Mal "Tatsächlich Liebe" anzuschauen (wobei das ja zu Weihnachten ebenso Pflichtprogramm ist wie die beiden "Kevin"-Filme), der findet hier einen wirklich feinen Ersatz.

Fazit: Richard Curtis feiert mit diesem Drehbuch eine "Tatsächlich Liebe"-Rückkehr im Animationsbereich. Herzlich, bisweilen gar zu Tränen rührend, intelligent, sensibel und immer wieder auch unglaublich witzig - mit diesem Weihnachts-Abenteuer hat Netflix endlich einen Feiertags-Film abgeliefert, der vollends überzeugt.

Note: 2



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