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Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez

Im Jahr 1989 stürmen die beiden Brüder Lyle (Nicholas Alexander Chavez) und Erik Menendez (Cooper Koch) in ihr Wohnhaus und ermorden ihre Eltern Jose (Javier Bardem) und Kitty (Chloe Sevigny) mit mehreren Schüssen aus Schrotflinten. Anschließend versuchen sie, sich ein Alibi für die Tatnacht zu besorgen und beginnen ein Leben in Saus und Braus. Doch der Verdacht gegen die beiden Brüder, in den Doppelmord verwickelt zu sein, erhärtet sich schnell und besonders Erik wirkt labil und könnte gefährdet sein, seine Schuld bald auszuplaudern. Um sich abzusichern, müssen er und Lyle alles Erdenkliche tun und gehen dabei über etwaige Grenzen hinaus. Der Mord an Jose und Kitty Menendez wird in der Folge zu einem der aufsehenerregendsten in der Kriminal-Geschichte...

Nachdem sie mit einer Serie über den Serienkiller Jeffrey Dahmer im Vorjahr bereits einen großen Erfolg feiern konnten, führt Netflix seine "Monster"-Reihe nun fort und widmet sich dem vielfach besprochenen und bis heute lebendig diskutierten Fall rund um die beiden Brüder Erik und Lyle Menendez an. Und auch hier beweist Netflix zum wiederholten Male, dass sie auf dem Serienmarkt immer noch hervorragend aufgestellt sind und gerade im True-Crime-Fach immer wieder richtig starken Stoff aufbereiten können. Dabei sind die dramaturgischen Unterschiede zum Dahmer-Fall groß genug, um nicht noch einmal bloß etwas Ähnliches abzuliefern, sondern sich angenehm vom bisher Gesehenen der Reihe abzugrenzen. Das gibt die wahre Geschichte so natürlich auch schon vor und wer nicht vorab mit den realen Fakten des Falls bestens vertraut ist, der dürfte hier mehr als einmal gefesselt sein. Das liegt auch an den beiden Hauptcharakteren, denn die Geschichte versteht es auf bravouröse Art und Weise, das Publikum für die beiden Mörder einzunehmen. Über eine lange Zeit weiß man als unbedarfter Zuschauer schon gar nicht mehr, wer hier eigentlich das titelgebende Monster ist - es kommen neben Erik und Lyle nämlich noch zahlreiche Figuren in Frage.
Und obwohl die Serie im Verlauf ihrer neun Folgen ein recht klares Urteil fällt, sodass man am Ende im Grunde ganz genau weiß, wer hier in welcher Form ein Hassobjekt ist, bleibt vieles in ambivalenten Grauzonen verhaftet. Um dies zu bewerkstelligen, macht die Serie einen ganzen Haufen an Nebenschauplätzen auf, springt in der Zeit vor und zurück und beleuchtet jede Figur und jede Situation, die irgendwie mit dem Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, dem Mord an zwei Menschen, zu tun hat. Ein großes Lob muss dabei den Autoren und Autorinnen gemacht werden, denn wie es ihnen gelingt, so viele verschiedene Figuren aus völlig verschiedenen Ecken und mit unterschiedlichen Standpunkten und moralischen Grundsätzen zusammenzuführen und ihre Geschichten zu erzählen, ohne die ganze Serie dabei zerfasern zu lassen, ist schon grandios. Immer wieder glaubt man, die wahren Beweggründe ausgemacht und verstanden zu haben, bevor doch noch eine neue Wahrheit Einzug hält und das bisher Gesehene in ein völlig neues Licht rückt. Natürlich erreicht diese Geschichte dann nicht die bisweilen intensiven, aber eben auch etwas zu plakativen Spannungsspitzen rund um den Dahmer-Fall, aber das will sie auch gar nicht. Dem oberflächlichen Suspense stehen hier menschliche Dramen gegenüber, die packender, aufwühlender und grausamer sind als jeder gezeigte Mord. Hier sei vor allem die Figur des Variety-Reporters Dominick Dunne erwähnt, der eigentlich nur marginal mit dem im Zentrum stehenden Kriminalfall zu tun hat und sich trotzdem zu einem emotionalen Zentrum entwickelt, welches im tiefsten Herzen erschüttert. Dementsprechend und dennoch überraschend liefert "Only Murders in the Building"-Star Nathan Lane hier auch die eindrücklichste Performance in einem Ensemble, welches ohnehin schon durchweg Bestleistungen aufzeigt.
Denn auch die Quasi-Neuentdeckungen Nicholas Alexander Chavez und Cooper Koch sind in den zentralsten Rollen absolut brillant und decken über neun Folgen so viele emotionale Haltungen und Stürze ab, dass man sie ebenso gut hassen wie bemitleiden kann - je nachdem, wie sehr die Geschichte das Publikum einspannen kann, um Lügen und Wahrheiten nicht mehr auseinander halten zu können. Das ist dann auch ein weiterer großer Gewinn dieser Serie, die sich nicht in die Karten schauen lässt und dem Publikum oftmals über mehrere Folgen eine Sicherheit vorgaukelt, die dann aber plötzlich nicht mehr gegeben ist... und dabei offen zeigt, wie leicht es doch ist, uns zu täuschen. Das Erzählprinzip, während welchem die Serie gerade im Mittelteil ganze Folgen aufwendet, um die Vergangenheit einzelner Figuren aufzudröseln und uns mittendrin neue, kleine Hinweise auf etwas bietet, was wir vorab vermutet haben, erfordert absolute Konzentration, die sich hintenraus aber mehr als auszahlt. Ein kleines Highlight ist dabei eine halbstündige Episode, die nicht nur als One-Take inszeniert ist, sondern nur eine Einstellung aufbietet, während welcher eine Figur aus seinem Leben erzählt: Brillant gespielt, mutig inszeniert und aufwühlend geschrieben. Die wahre Geschichte fordert derweil natürlich soweit ihren Tribut, dass auch die Serie nicht auf alle Fragen zufriedenstellende Antworten liefern kann. Das mag manche "Dahmer"-Fans enttäuschen, doch macht es eine durchweg starke Thriller-Serie, die ihr publikum in vielerlei Hinsicht fordert, definitiv nicht schwächer.

Fazit: Ohne Suspense-Spannungsspitzen, dafür aber mit dringlich und intensiv geschriebenen Täuschungsmanövern ist die zweite "Monster"-Staffel ein packender, aufwühlender und bis zum Schluss wendungsreicher Thriller, der mehrere Schläge in die Magengrube ebenso bereithält wie ein brillantes Ensemble.

Note: 2



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