Die Menschheit ist seit langer Zeit ausgestorben. Die Welt ist zu einer Eiswüste verkommen. In diesem Eis, den Blick auf die letzten Bauten der Menschen gerichtet, treibt eine intelligente Boje daher, die ehemals einen Nutzen hatte, nun jedoch, nach dem Aussterben der Menschheit, praktisch nichts mehr tut. Zudem kreist ein Satellit um die Erde, der noch immer seine letzten Worte ruft. Willkommen auf der Erde. Die Boje greift diese Worte schließlich auf und stellt einen Kontakt zu dem Satelliten her - nun, da sie nicht mehr allein ist, sehnt sie sich nach einem Gespräch. Doch der Satellit ist darauf programmiert, nur mit menschlichen Wesen in Kontakt zu treten und diesen zu helfen. In ihrer Sehnsucht verliert sich die Boje in den Resten des noch existierenden Internets in den Videos und Posts eines Influencer-Paares (Kristen Stewart, Steven Yeun) und nimmt eine ihrer Identitäten an, um den Satelliten zu täuschen... und vielleicht ihre Einsamkeit zu bekämpfen.
Ein Film über eine Boje, die sich in einen um die Erde kreisenden Satelliten verliebt - auf eine solche Idee wäre vermutlich nicht mal Pixar gekommen. Ganz anders als in den Animationsfilmen, die ebenso tiefgründig, aber zuvorderst auch als Unterhaltungsprodukt geplant waren, geht es in Love Me aber um sehr existenzielle Fragen. Was ist ein lebendes Wesen? Was ist die Liebe? Ist sie von Dauer, über alles hinaus? Wer bin ich? Kann ein künstliches Wesen fühlen? Kann es ein Mensch sein? Und wenn ja - in welcher Form? Das sind solch gigantische Fragen, dass wohl kein Film der Welt diese beantworten könnte und selbst wenn, dann wäre es nur noch reine Spekulation. Man kann Love Me dementsprechend vorwerfen, dass er angesichts dieser gigantischen Themen letztendlich doch zu kitschig ist, um diesen wirklich gerecht zu werden. Wie kreativ er sich dabei aber austobt und trotz seiner reichlich diffusen Ausgangssituation eine ungemein intelligente, letztlich sogar menschliche Geschichte über die Liebe, das Zusammensein und das allgemeine Ende erzählt, ist definitiv bemerkenswert.
Man könnte fast soweit gehen, dass der Film das filmische Medium an seine Grenzen treibt. Um der Technologie von zwei KI's, die Kontakt zueinander aufnehmen und letztendlich sogar Gefühle füreinander zu entwickeln, überhaupt bildlich einzufangen, mussten die Filmemacher auf jede Menge Ideen zurückgreifen. So erinnern einzelne Sektionen an Animation oder auch an alte Videospiele. Über lange Strecken sehen wir gar keine Spur menschlicher Anatomie und betrachten einzig und allein die einsame Boje, die irgendwie versucht, aus ihrem Dasein noch etwas zu ziehen. Dank einer tollen Bildgestaltung, einer wundervollen Kameraführung und genau dem richtigen Gespür für Tempo und Dynamik sind diese Momente sehr schön anzusehen und gehen ans Herz. Wenn die Boje, praktisch noch gar nicht dazu befähigt, überhaupt Worte zusammenzufügen oder gar ihre Bedeutung zu verstehen, immer dringlicher den Kontakt zum Satelliten sucht, dann schwingen hier ganz große Gefühle mit, die man in dieser Hinsicht kaum zu finden erhoffte.
Trotzdem scheitert Love Me an seinen enormen Ambitionen. Wobei das Scheitern immer auch subjektiv zu sehen ist und im Grunde davon abhängt, was man sich von diesem Film erhofft. Eine höchst wissenschaftliche Abhandlung ist das hier ebenso wenig wie ein Eintauchen in die Gefühlswelt von immer menschlicher werdenden, künstlichen Intelligenzen. Da der Film dahingehend gewisse Richtungen einschlägt, die wie eine Flucht vor diesen Themen wirken, ohne sie aber gleich zu missachten, droht er sich alsbald ein wenig in seinen Bilderfluten zu verlieren. Trotzdem gelingen ihm immer wieder inszenatorische Meisterstücke, auch übertragen durch viel sarkastischen Humor. Er zeigt auch, was eigentlich von der Menschheit übrigbleiben könnte, wenn wir schon lange, lange nicht mehr Teil der Erde sind - was durchaus niederschmetternd sein kann, wenn nicht große Kunstwerke, sondern seltsame Kitzel-Challenges letztendlich die Zeit überdauern. Oder es ist schön und pur, wenn man so will. Love Me ist in dieser Hinsicht optimistisch und pessimistisch zugleich, wobei der Zeiger am Ende deutlicher in eine bestimmte Richtung ausschlägt, was so auch nicht jedem schmecken wird. Aber Eindruck hinterlassen, das tut der Film, ohne Wenn und Aber.
Fazit: Eine faszinierende Allegorie über die letzten Spuren der Menschheit, über Liebe, Endlichkeit und ebenso banale wie übergroße Themen. Diesen Ambitionen hält der Film besonders gegen Ende in seinem zu seichten Kitsch nicht stand, findet aber selbst dann immer noch beeindruckende, filmische Tendenzen, um selbst der künstlichen Liebe noch beeindruckende Bilder und Stimmungen zu verschaffen.
Note: 3+
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