Am fünften September 1972 berichtet ein eingeschweißtes Fernsehteam von ABC News live aus der olympischen Stadt in München von einem der größten, sportlichen Events der letzten Jahre. Deutschland erhofft sich von der Austragung einen neuen Blick auf das Land, welches vor dreißig Jahren noch in einen weltweiten Krieg verwickelt war. Für Roone Arledge (Peter Saarsgard) und sein Team ist es ein stressiger Tag wie jeder andere, bei welcher zum ersten Mal live in die ganze Welt gesendet wird... bis in die USA. Sie sind auch live drauf, als plötzlich Schüsse in dem Wohnblock der israelischen Sportler fallen. Schnell stellt sich heraus, dass es sich dabei um einen terroristischen Anschlag handelt. Arledge und sein Team versuchen, die Welt über die Ereignisse zu informieren, indem sie möglichst schnell alle Informationen einholen und mit den Kameras stets so nah wie es nur geht dabei sind. Doch tun sie den Menschen vor den Fernsehbildschirmen und vor allem jenen, die in diesen Minuten um ihr Leben bangen müssen, damit wirklich einen Gefallen?
Eigentlich hatte Steven Spielberg vor zwanzig Jahren mit seinem das Publikum erschütternden Thriller München rein filmisch bereits alles über das grausame Attentat vom September 1972 während der Olympischen Sommerspiele gesagt. Der Ansatz, den nun der Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum versprach, klang aber dennoch interessant, denn der wollte die Anschläge zwar ebenso minutiös aufarbeiten, aber aus einem gänzlich anderen Blickwinkel. Hier sehen wir die schrecklichen Ereignisse nicht aus den Augen der Opfer, der Täter oder der Rettungskräfte, sondern wir schauen durchweg über einen Kontrollraum einer Nachrichtensendung zu. Das ermöglicht erstmal, aufgrund des naturgemäß begrenzten Schauplatzes, ein spannendes Kammerspiel, bei welchem verschiedene Figuren immer wieder blitzschnell auf neue Ereignisse reagieren müssen. Es macht aber auch moralische Fragen auf, über die man durchaus noch länger nachdenken kann und über die damals bereits schon, nachdem sich der Staub über der großen Tragödie zu legen begann, sehr breit diskutiert wurde.
So zum Beispiel welche Pflicht eine solche Nachrichtensendung angesichts solch einer Tragödie hat. Dass darüber berichtet werden muss, ist glasklar, handelt es sich hier doch um eine Situation, die alle Menschen rund um den Erdball interessiert. Doch für wen genau macht man diese Nachrichten? Was ist mit den Angehörigen der potenziellen Opfer, die sicherlich ebenso vor den Fernsehgeräten sitzen? Sollte man mit ihnen im Hinterkopf trotzdem noch riskieren, womöglich in den nächsten Minuten live eine Hinrichtung abzufilmen? Und was ist mit den Tätern? Spielt man denen womöglich noch in die Karten, wenn man deren Pläne und Ziele stoisch in die Nachrichten übernimmt und ihnen so erst die Aufmerksamkeit gibt, die sie unbedingt wollen? Von der schieren Manipulation von Rettungseinsätzen einmal abgesehen. September 5 wagt dabei einen Blick zurück in eine Zeit, in welcher Live-Übertragungen noch eine neue Erfindung waren und man sich der Gefahren und Nachteile solch eines technischen Fortschritts innerhalb einer hochsensiblen und gefährlichen Situation so noch nicht bewusst war... was letztendlich vermutlich Menschenleben kostete.
Andere Themen wiederum fasst der Film kaum oder gar nicht an - wer die Täter waren und was sie wollten, ist in anderen Werken, die sich mit dieser realen Tragödie befassten, aber auch schon zu Genüge aufgerollt worden. Das führt natürlich dazu, dass der Blickwinkel ein wenig eingeschränkt ist. Der Spannungsaufbau hält sich, auch aufgrund des bekannten Ausgangs der Tragödie, dann nicht über die kompletten anderthalb Stunden. Diskutierte Themen wie die Feindschaft gegen Deutschland und auch gegen unbeteiligte Deutsche werden dabei zwar ebenfalls angesprochen, aber zu selten weiter vertieft, da die Figuren zumeist auf ihre reine Funktion beschränkt bleiben. Innerhalb dieser engen Grenzen macht der gesamte Cast seine Sache aber sehr gut. Leider sticht die deutsche Leonie Benesch, die in heimischen Produktionen wie dem großartigen Heldin stets enorm glänzte, diesmal nicht allzu deutlich heraus. Das mag auch daran liegen, dass die deutsche Synchronisation in diesem Film nicht wirklich gut klingt und den Figuren viel von ihrem Charisma zu rauben droht.
Fazit: Ein neuer, durchaus intensiver Blickwinkel an einem schrecklich finsteren Tag sorgt für einiges an Spannung auch für moralisch ambivalente Abgründe. Auch wenn die Dynamik nicht immer funktioniert und die Figuren eher schablonenhaft verbleiben, gelingt ein spannender Film über die Tragödie bei den Olympischen Spielen 1972, die vor allem etwas über die Macht und Ohnmacht der Medien aussagt.
Note: 3+
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