Direkt zum Hauptbereich

Sieben

Mit Filmen, die als Klassiker angesehen sind, habe ich oftmals so meine Probleme. Ob ich einfach nur empfinde, dass Streifen mit dreißig oder auch mehr Jahren auf dem Buckel ab und an schlecht gealtert sind oder ob der Hype einfach so groß ist, dass meine Erwartungen nicht erfüllt werden können... vieles, was an vielen Ecken als "einer der besten Filme aller Zeiten" angesagt wird, erreicht bei mir oft nicht mehr als ein Schulterzucken. Auch "Sieben" ist ja im Thriller-Genre einer dieser unsterblichen Klassiker geworden und auch beim erstmaligen Sehen konnte ich dem Film nicht viel abgewinnen. Nun habe ich ihn ein zweites Mal gesehen und sehe mich gezwungen, diese Meinung schnell zu ändern...

SIEBEN

Detective William Somerset (Morgan Freeman) wird in seiner letzten Woche vor der Pensionierung der junge David Mills (Brad Pitt) als Partner zur Verfügung gestellt, der schließlich seine Nachfolge übernehmen soll. Gemeinsam gehen sie einer Reihe von Morden nach, die anscheinend Strafen auf die sieben Todsünden darstellen soll. Nachdem Somerset und Mills einige Zeit im Dunkeln tappen, finden sie schließlich wichtige Hinweise auf den Täter und seine Motive. Doch der offenbar schwer gestörte Verbrecher scheint den ermittelnden Detectives stets mehrere Schritte voraus zu sein...

Ja, hier ist der Beweis dafür, dass ein Thriller tatsächlich keine vor Wendungen nur so strotzende, unvorhersehbare Handlung braucht, um als wirklich guter Film im Gedächtnis zu bleiben. In "Sieben" stellt sich nicht die Frage danach, wer der Killer ist, im Mittelpunkt stehen die laufenden Ermittlungen und die Jagd nach dem Verrückten, um die Morde aufzuklären und womöglich noch weitere zu verhindern. Der Film lebt in erster Linie von seiner grandios-düsteren, beinahe schon deprimierenden und einschüchternden Atmosphäre. Keine Sonnenstrahlen, ständiger Regen, abgedunkelte Tatorte. Die Ausstattung ist an der Perfektion und für einen Streifen, der schon beinahe zwanzig Jahre auf dem Buckel hat, sieht er noch immer so aus, als wäre er erst vor drei Jahren gedreht worden. Die Kameraarbeit ist perfekt abgestimmt, der schleichende Soundtrack tut weiteres dafür, dass es einen stets angenehm schauert und das Skript gibt eine zwar bis zum überraschenden, intensiven Finale lineare, aber nichts desto trotz interessante, stellenweise hochspannende Atmosphäre vor. Wie Somerset und Mills an den übel zugerichteten und so für Zartbesaitete vielleicht nur schwer eträglichen Mordopfern und ihrer Umgebung immer wieder neue, kleine Hinweise entdecken, das ist wunderbar inszeniert und packt über die Laufzeit von gut anderthalb Stunden, ehe sich der Ton mit einer nicht effekthascherisch aufgeladenen, aber dennoch wie aus dem Nichts kommenden Wendung noch mal merklich ändert. Darüber soll hier, falls es tatsächlich Leute gibt, die den Film noch nicht kennen, nichts verraten werden, nur dass das finale Duell ohne große Action schon ziemlich schweißtreibend ist und an die Nieren geht... und die zuvor aufkommenden Handlungsstränge und Puzzlestücke auf starke Art und Weise verbindet. Morgan Freeman ist wie gewohnt großartig in seiner Rolle, auch Brad Pitt reißt mit, einzig und allein Gwyneth Paltrow kann in ihren wenigen Szenen kaum Feuer verursachen. Der Subplot um ihre Rolle, Mills Frau, ist somit auch der einzige, der ein wenig stört und im Mittelteil ein paar störende Längen verursacht, denn der Versuch, die Charaktere so durch etwas Privatsphäre zu erden, funktioniert nicht, da wir auch so nichts Nennenswertes über die Figuren erfahren. Das sorgt dann doch für die ein oder andere Tempopause, die man so nicht gebraucht hätte. Letzten Endes bleibt aber doch ein sehr gut gespielter, hochspannender Thriller, der besonders von seiner finsteren Atmosphäre, seiner vorbildlichen Detailverliebtheit und einem krassen Finale lebt. Nur Zartbesaitete müssen draußen bleiben, denn auch ohne viel Blutvergießen gibt es hier besonders psychisch einige Szenen, die belasten und schockieren können.

Note: 2

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se