Wenn Sänger oder auch Rapper auf einmal anfangen, plötzlich auch eine Schauspielkarriere zu starten, geht das selten gut. Justin Timberlake ist eine leuchtende Ausnahme, doch was sich Madonna, Jennifer Lopez oder (teilweise) 50 Cent so an Darstellerkünsten erlaubten, das war oftmals doch schon ziemlich peinlich. Auch die Erwartungen an den 2002 erschienenen "8 Mile", in welchem Rapper Eminem zwar nicht sich selbst, aber detailfreudige, wenn auch erfundene Szenarien seines Schaffens spielt, waren niedrig... doch die Überraschung ist groß. Denn Eminem funktioniert nicht nur als Schauspieler, auch der Film funktioniert als solider Coming-of-Age-Movie mit vielschichtigen Charakteren.
8 MILE
Jimmy Smith Jr. (Eminem), auch als "B-Rabbit" bekannt, versucht, groß rauszukommen. Mit seinen Freunden nimmt er im Club "Shelter" an Rap-Battles teil, konnte aber bislang keinen Erfolg verbuchen, machte sich durch einen Hänger sogar zum Gespott. Dennoch schuftet Jimmy hart für seinen Traum und dieser scheint zum Greifen nah, als er die junge Alex (Brittany Murphy) kennenlernt, durch welche er hochrangige Beziehungen herstellen kann. Doch der Stress mit seiner alkoholkranken Mutter Stephanie (Kim Basinger) sowie einer feindlichen Gang, bei welcher Jimmy einen Schritt zu weit geht, bringen ihn immer mehr vom Weg ab...
Nein, wirklich viel erwartet habe ich mir nicht. Auch nicht, als ich hörte, dass Eminem nun kein Biopic aus einem seiner Lebensabschnitte mitverkörpert, sondern "nur" in einer Story auftritt, die deutliche Parallelen zu seinem wirklichen Aufstiegskampf aufweist. Auch wenn die Trailer gut waren, wollte ich mich nicht damit anfreunden, dass nun ein weiterer Musikstar versucht, auf der großen Leindwand Fuß zu fassen. Aber Eminem macht seine Sache hier wirklich sehr gut und dass er anschließend nie wieder als Schauspieler gearbeitet hat, ist beinahe schade. Natürlich hätte er zukünftig beweisen müssen, ob er mehr kann als eine (wirklich fasznierende und mit viel Präsenz und Kraft ausgestattete) Kopie seines eigenen Selbst, aber was er hier abliefert, ist schon wirklich groß. Er hält sogar mit seinen weitaus erfahrenen Co-Stars mit, die hier ebenfalls bravouröse Leistungen abliefern: Mekhi Phifer als Jimmys bester Freund und Mentor "Future" gefällt durch viel Tiefe und die Zeichnung eines über Klischees hinausgehenden Charakters, die viel zu früh verstorbene Brittany Murphy bringt nicht nur ein hübsches Gesicht, sondern auch einen Hauch Undurchsichtigkeit und Traurigkeit ins Spiel. Und Kim Basinger als Jimmys Mutter ist so dermaßen gut und nuanciert, dass man sie kaum wiedererkennt. Abseits der Schauspielleistungen funktioniert "8 Mile" ebenfalls, auch wenn hier Abstriche gemacht werden müssen. Nur einen Teil des Weges zu zeigen, der eben doch sehr autobiographisch und echt wirkt (was an einer starken Inszenierung liegt, welche uns diese Szene ungeschönt und frei darbietet), ist ein wenig lau, denn ein Großteil der Konflikte kann in der zu kurzen Laufzeit nicht immer passend zu Ende geführt werden. So kommen Streit und Versöhnung oftmals doch wieder zu plötzlich um die Ecke, da die Story einen gezielten Aufbau nicht zulässt. Darunter leidet dann nicht nur der Konflikt zwischen Jimmy und dem aggressiven Freund seiner Mutter, sondern auch seine Beziehung zu der Tabula Rasa lebenden Alex. Hier hätten ein paar mehr Details gut getan, denn die Zeit zwischen ihrem ersten Treffen und dem plötzlichen Sex in der Werkstatt ist sehr kurz. Mit ein wenig mehr Genauigkeit hätten hier mehr Emotionen geweckt werden können. Davon aber einmal abgesehen erzählt "8 Mile" eine zwar bekannte, aber dennoch frisch wirkende Coming-of-Age-Story, die ein paar kleine Durchhänger im Mittelteil hat, dafür aber mit einem grandiosen Finale in Form eines Rap-Battles aufwartet, welches so gut eingefangen ist, dass man Jimmy glatt mit anfeuern möchte. Hinzu kommt ein starker Soundtrack, eine wunderbare Kameraarbeit und eine gewisse atmosphärische Reife, welche hier nicht darauf setzt, dem Zuschauer möglichst viel zu bieten, sondern das Milieu, in welchem sich die Charaktere herumtreiben, realistisch in Szene zu setzen. Das mag nicht jedem gefallen, besonders da die Geschichte an sich nichts Neues bietet, doch dank aussagekräftiger Charaktere, starker Schauspieler und gewichtigen Einzelszenen kommt ein Drama herum, dass ihre Wirkung nicht verfehlt. Und Eminem, der sollte sich vielleicht doch noch mal am Schauspiel versuchen, denn hier hat er es wirklich drauf.
Note: 3+
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