Vor kurzem gab ich noch an, noch nie zuvor einen Film mit Marilyn Monroe gesehen zu haben. Schlimm genug, doch fiel mir auch auf, als ich mich als nächstes für den Klassiker "Zeugin der Anklage" entschied, dass ich auch Marlene Dietrich noch nie auf meinem heimischen Bildschirm gesehen habe. Eine der größten deutschen Schauspielerinnen aller Zeiten, ein ergreifendes Talent... und ich habe bislang keinen einzigen Film mit ihr gesehen? Das durfte nicht sein, also gab es heute Billy Wilders Gerichtsklassiker, der mich von Anfang bis Ende begeistert hat.
ZEUGIN DER ANKLAGE
Eigentlich soll der bekannte Londoner Strafverteidiger Sir Wilfrid Robarts (Charles Laughton) wegen gesundheitlicher Beschwerden kürzer treten, doch ein Mordfall erregt seine Aufmerksamkeit: Der erfolglose Geschäftsmann Leonard Stephen Vole (Tyrone Power) wird des Mordes an der einsamen Witwe Emily French (Norma Varden) angeklagt. Er beteuert seine Unschuld und Robarts willigt ein, ihn vor Gericht zu verteidigen. Dabei stellt sich ihm jedoch überraschenderweise die Ehefrau des Angeklagten, die deutsche Schauspielerin Christine Helm Vole (Marlene Dietrich) entgegen, die versucht, mit ihren Aussagen den Prozess zu beeinflussen und ihren Mann womöglich noch an den Galgen zu bringen...
Auch dieser Film ist historisch von großer Bedeutung. Er gilt auch heute noch als eines der besten und vertracktesten Gerichtsdramen aller Zeiten, heimste im Jahr 1958 sechs Oscarnominierungen ein, schob die zuvor bereits enorm bekannte Marlene Dietrich endgültig ins ernstzunehmende Charakterfach... und es war der letzte Film, den Hauptdarsteller Tyrone Power vor seinem überraschenden Tod vollenden konnte. Trotzdem gehört "Zeugin der Anklage", der auf einem vielbeachteten Theaterstück von Agatha Christie beruht, zu wenigsten Teilen Power. Er spielt sehr gut und gibt dem Mann auf der Anklagebank, von dem man nie sicher sein kann, inwiefern er denn in diesem brutalen Mordfall drinsteckt, die absolut richtige Mischung aus Charme, Verve und Intelligenz.
Neben ihm ist es Marlene Dietrich in der kleineren und dennoch wesentlich aufsehenerregenderen Rolle als verführerische und zutiefst berechnende Dame, welche die Blicke der Zuschauer auf sich zieht und etliche Enthüllungen offenbart. Die beeindruckendste Leistung gehört jedoch ganz klar Charles Laughton: Er besitzt mit Abstand die meiste Leinwandzeit, um ihn dreht und wendet sich der Plot und er beherrscht den Film mit solch einer unbändigen Kraft, mit so viel Ausdruck, Witz und Wahrhaftigkeit, ohne dabei aufdringlich zu sein, dass man ihm förmlich an den Lippen hängt. Daniel Day-Lewis, heute einer der wichtigsten Schauspieler überhaupt, sagte bereits, dass er von Laughtons Werken gelernt habe und ihn als den wohl besten Mimen seiner Generation erachtet... wer ihn in "Zeugin der Anklage" gesehen hat, kann diese Worte schließlich einfach nur noch abnicken.
Auch der Plot überzeugt neben den grandiosen Schauspielerleistungen: Agatha Christie selbst sagte, dass sie all die Verfilmungen ihrer Werke scheußlich fand... bis auf Billy Wilders Gerichtsdrama. Natürlich durfte sich Christie angesichts der enorm spannenden und dabei stets auch gewitzten und trickreichen Geschichte selbst auf die Schulter klopfen, doch was die Drehbuchautoren und Regisseur Wilder noch einmal daraus gemacht haben, verdient ebenfalls mehr als nur Lob. Wilder inszeniert die Gerichtsszenen mit unglaublichem Tempo, lässt die Dialogbälle nur so herumsausen und vergisst dabei bei allem Drama und emotionalen Ausbrüchen auch den Humor nicht, der nur sehr selten einmal deplatziert wirkt.
Dieser schier unwiderstehliche Mix aus charmantem Witz und einer hochspannenden Geschichte zieht einen in seinen Bann und sorgt für einige der herausragendsten Dialogpassagen des Genres, bis zum überraschenden Schlussakt, an dem sich die gesamte Geschichte unvorhersehbar und unverschämt clever noch mehrfach um sich selbst wendet. Möchte man hier etwas mehr mokieren, so sind es einige kleine Längen im Bezug der Geschichte des Ehepaares, dessen Vergangenheit hier doch etwas zu breit ausgewalzt wird und ein etwas zu flotter Schluss. Doch das sind Kleinigkeiten in einem ansonsten durchaus packenden und auch heute noch mehr als nur anschaubaren Werk, zeitlos und einfach nur gut.
Fazit: Charles Laughton und Marlene Dietrich beherrschen den Bildschirm in einem packenden Gerichtsdrama. Spannend, brillant gespielt, dabei aber auch witzig und charmant. Ein zeitloser Klassiker des Genres, mit Schwung, kleinen Längen und einem packenden Schlussakt.
Note: 2
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