Direkt zum Hauptbereich

Die Königin und der Leibarzt

Und erneut ein Kostümfilm, bei welchem ich einer Sichtung nicht widerstehen konnte, obwohl ich mit dem Genre an sich tatsächlich eigentlich sehr wenig anfangen kann. Die neueste Verfilmung von "Jane Eyre" sah damals ebenfalls interessant aus, ließ mich aber erwartungsgemäß enttäuscht zurück und ich befürchtete, dass dies nun vielleicht auch bei "Die Königin und der Leibarzt" der Fall sein würde. Die Besetzung blendete mich jedoch, schließlich bin ich seit "The Danish Girl" ein großer Fan von Alicia Vikander und Mads Mikkelsen ist ja ohnehin immer mindestens sehr gut. Also Film ab für über zwei Stunden Perücken und gestelztes Gerede... diesmal steckte aber tatsächlich doch noch ein bisschen mehr drin.

DIE KÖNIGIN UND DER LEIBARZT


Im Jahr 1766 heiratet Caroline Mathilde (Alicia Vikander) voller Vorfreude den König von Dänemark, Christian VII. (Mikkel Boe Folsgaard). Die Enttäuschung ist jedoch groß - Christian stellt sich als psychisch krank, herrisch und aggressiv heraus, nicht der Traummann, den sie sich erhofft hatte. Nun fristet Caroline am dänischen Hof ein Leben in Einsamkeit und lässt niemanden an sich heran... bis der deutsche Johann Friedrich Struensee (Mads Mikkelsen) auftaucht, der als Leibarzt des Königs bestellt wurde. Zu ihm baut Caroline eine eigene Verbindung auf und schon bald verliebt sie sich ihn. Dieser Skandal, sollte er denn öffentlich werden, bleibt den Hofdamen jedoch nicht für immer verborgen.

Ich gebe zu, große Erwartungen hatte ich nicht: 2017 erschuf Nikolaj Arcel mit "Der Dunkle Turm" zwar solides Blockbuster-Kino, welches aber weit hinter den grandiosen Büchern von Stephen King zurückblieb... ob er an anderer Front ein Kostümdrama würde stemmen können, blieb also abzuwarten. Tatsächlich macht er seine Sache diesmal aber gar nicht schlecht, auch wenn das nicht der Verdienst seiner eigenen Inszenierung ist - diese bleibt nämlich genredbedingt eher bieder und bietet nur wenige wirklich geglückte Einfälle, während man sich sonst am Alphabet abhangelt und alles ein wenig nach Lehrbuch filmt. Trotzdem gelingt es der Geschichte, die sich vor langer Zeit in Dänemark tatsächlich so abgespielt und das endliche Zeitalter der Aufklärung eingeleitet haben soll, immer wieder bei der Stange zu halten. 
Der Film beginnt bereits stark, wenn sich König und Königin zum ersten Mal treffen und für Caroline Mathilde quasi ein ganzes Kartenhaus zusammenbricht. Wie Arcel später den Alltag am Hof auf Film bannt, ein Tanz zwischen getrockneter Langeweile, grausamen Pflichten und gestelztem Tratsch, möchte man ihm bereits applaudieren... hier hat wohl jemand verstanden, wie man eine solche Geschichte mit genügend Ruhe und Verve zugleich umsetzt, um auch ein Publikum, welches mit Kostümfilmen weniger anfangen kann, ein wenig bei der Hand zu nehmen. Wenn die unvermeidliche Liebesgeschichte und damit auch ein Dreiecksplot durch den Auftritt von "Doctor Strange"-Bösewicht Mads Mikkelsen schließlich ihren Anfang nimmt, wird es zwischendurch aber erwartungsgemäß immer wieder dröge. 
Der Plot gestaltet sich für einige Zeit als recht vorhersehbar, selbst wenn man mit der europäischen Königsgeschichte nicht vertraut ist und das ein ums andere Mal schwelgt Nikolaj Arcel auch zu lange in verträumten Romanzen, in Kitsch, der aber natürlich zu diesem Genre einfach dazugehört. Er fängt die unerwiderte Leidenschaft einer einsamen Frau gut ein, trotzdem fehlt es dem Werk dabei in etlichen Szenen deutlich an Schwung und auch ein wenig an Herz. Dass man dabei aber immerhin einen wesentlich flotteren, unterhaltsameren und auch spannenderen Plot hinzudichtet, an dem Mikkelsen beteiligt ist und in welchem er im Königshaus mal kräftig aufräumt, ist definitiv auf der Habenseite des Werks zu verzeichnen, wenn sich leiser Humor mit wahrem Einfallsreichtum verbinden. 
Natürlich, etwas zäh und manchmal auch zu naiv bleibt das Werk dennoch, dafür helfen aber die drei Hauptdarsteller mit starken Leistungen über Längen hinweg. Hervorzuheben ist hierbei, wie könnte es auch anders sein, die später für ihre Nebenrolle in "The Danish Girl" mit dem Oscar ausgezeichnete und mittlerweile als Lara Croft durch Gräber und Urwälder hüpfende Alicia Vikander, die ihrer Caroline Mathilde eine schier umwerfende Tiefe verleiht - ein Blick in ihr Gesicht genügt und es entfaltet sich ein Sammelsurium aus aufkeimenden Gefühlen, die einen schier erschlagen. Neben ihr ist ein Mads Mikkelsen natürlich nach wie vor grandios, doch auch Mikkel Boe Folsgaard verdient sich eine Extraerwähnung, war bei seiner Rolle doch die Gefahr am größten, dass der König zu einer Art Vorzeigekasper wird. Durch seine abwechslungsreiche Darstellung erfährt Christian jedoch genug Tiefe, dessen sich auch das Drehbuch annimmt, um den König nicht bloß als Scharlatan, sondern auch als wirklichen Menschen mit Gefühlen und Stimmungen ernstzunehmen.

Fazit: Wer keine Kostümfilme mag, wird hier nicht bekehrt, dennoch muss man sagen, dass Nikolaj Arcel seine Schauspieler grandios führt, dass der Plot trotz der eher schalen Liebesgeschichte ein stimmiges Bild des Königshauses entwirft und dass trotz deutlicher Längen der Plot immer wieder an Fahrt aufnimmt. Kein guter Film, aber zumindest unterhaltsam und stellenweise gar packend.

Note: 3




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid