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Der Diktator

Jetzt muss ich etwas beichten: Ich habe niemals "Borat" gesehen. Obwohl ich seit Jahren vorhabe, diese ebenso freche wie anscheinend zum Brüllen komische Pseudo-Dokumentation, die Sacha Baron Cohen abseits der Fernsehbildschirme zum gefeierten Hollywood-Star machte, nachzuholen, kam ich bislang einfach nicht dazu. Stattdessen habe ich nun aber immerhin "Der Diktator" gesehen - ein anderer Film, in dem Cohen die Hauptrolle übernahm und mit überzeichnetem Humor gegen alles austeilt, was ihm irgendwie vor die Flinte kommt und sich dabei auch nicht zu schade ist, dahin zu schlagen, wo es gerade den Amerikanern wehtut. Dabei sammeln sich einige richtig gute Gags, auch wenn einem das Lachen manchmal gar im Halse steckenbleibt... ein guter Film ist dabei aber sicherlich nicht entstanden.

DER DIKTATOR


In der Republik Wadiya in Eritrea herrscht der Diktator Aladeen (Sacha Baron Cohen), der bereits im Alter von sieben Jahren an die Macht kam und sich seitdem mit Amerika auf Kriegsfuß befindet. Aladeen herrscht mit strenger Hand und ist sich dabei auch nicht zu schade, Verbündete hinrichten zu lassen, wenn die die Form seiner Atomrakete nicht nach seinen Vorstellungen anpassen können. Nun entscheidet er sich zu einer Reise nach Amerika, um sich dort zu den Gerüchten zu äußern, dass er Atomwaffen besitzen würde. Dabei wird Aladeen Opfer eines Putschs aus den eigenen Reihen und findet sich plötzlich als unerkannter Normalbürger wieder. Um seinen Platz an der Spitze wiederzuerlangen, muss er sich mit der Ökoaktivistin Zoey (Anna Faris) zusammentun und über seinen eigenen Schatten springen...

Wer Sacha Baron Cohen und seinen grenzüberschreitenden Humor kennt, der dürfte auch hier ganz genau wissen, worauf er sich einlässt. In "Borat" und "Brüno" zog man dies noch als Pseudo-Doku auf und konfrontierte ahnungslose Normalbürger mit diesen überzeichneten Figuren, was Cohen bis heute zu einem wahren Popkultur-Phänomen machte. Auch auf diversen Veranstaltungen, zum Beispiel der Oscar-Verleihung trat Cohen als seine Figuren auf und sorgte somit auch in der realen Welt immer wieder für erstaunte Gesichter... 2012 hat es dann jedoch "nur" noch für einen normalen Spielfilm gereicht, weil das Thema und die Figur, die er nun anpacken wollte, wohl doch etwas zu gewagt gewesen wäre, um sie einfach auf die reale Meute loszulassen. 
Das führt aber auch zu deutlich weniger Biss und einem erhöhten Maß an klamaukiger Überzeichnung. Cohen überschreitet immer noch Grenzen und ist dabei teilweise einfach so böse und gleichzeitig erschütternd witzig, dass er etliche laute Lacher erntet - je nachdem, wie sehr man solch schwarzen Humor schätzt, dürfte die Gag-Qualität aber von Zuschauer zu Zuschauer anders ausfallen. Darüber hinaus leistet man sich aber auch etliche Kalauer, die man sich auch gerne hätte sparen können. So fällt besonders der Einsatz des üblichen Fäkalhumors ungemein negativ auf: Cohen lässt seine Gags lieber laut und mit dem Holzhammer los statt sie mit Köpfchen und Satire einzuspielen. 
Das zeigt sich dann insbesondere in den hoffnungslos unlustigen Momenten, in denen Aladeen zum ersten Mal Hand an sein eigenes Glied anlegt und anschließend durch die Reihen eines Geschäfts läuft, um von seinem "Erfolg" zu berichten oder wenn es immer wieder um Achselhaare geht und sogar ein hochangesehener Politiker vor Fernsehkameras angepinkelt wird. In diesen Momenten wirkt "Der Diktator" gerade im direkten Vergleich mit Cohens früheren Werken einfach nur pubertär und unlustig, doch gibt es glücklicherweise immer wieder Gags, die es durchaus besser machen. Unglaublich witzig und dabei auch mal den Spiegel der Realität zückend ist zum Beispiel die bereits im Trailer ausgespielte Szene, in der Aladeen mit einem Gefährten an einem Hubschrauberrundflug um Manhattan teilnimmt und dabei aufgrund seiner Wortwahl und der Muttersprache die anderen Passagiere verschreckt. 
Auch in Sachen Slapstick und der reinen Zeichnung seiner Hauptfigur macht "Der Diktator" eine gute Figur und ist so überzeichnet, dass man daran nur seine Freude haben kann. Insgesamt ist der Film also ein zweischneidiges Schwert: Cohen ist erneut mit viel Spielfreude unterwegs, die restliche Besetzung verrichtet eher Dienst nach Vorschrift. Ein Teil der Gags trifft das Zwerchfell perfekt, andere Kalauer wirken aber nur peinlich. Das kann einem gefallen, muss es aber nicht und zeigt, dass auch Sacha Baron Cohen mal danebengreifen kann. Man kann nur hoffen, dass er beim nächsten Mal wieder etwas mehr Biss mitbringt und sich nicht zu arg auf die nervigen Mainstream-Comedyelemente Hollywoods verlässt. Die stehen ihm und seinem Film im Ganzen nämlich einfach nicht gut zu Gesicht.

Fazit: Dem Diktator fehlt es zumeist an dem Biss und der genialen Spritzigkeit von Cohens früheren Arbeiten. Obwohl ihm einige herrlich böse und satirische Gags gelingen, hängt er sich all zu oft an pubertären Witzchen auf und liefert eine Handlung, die der Rede nicht wert sein sollte.

Note: 4+





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