Wenn der Protagonist in einem Portrait des echten Lebens von sich selbst gespielt wird (falls ihr wisst, was ich meine), kann das ziemlich nach hinten losgehen, im schlimmsten Fall wie reine Selbstverliebtheit aussehen. Leise Skepsis war daher auch angesagt, als der bekannte Comedian Kumail Nanijani sich selbst spielen sollte, innerhalb einer tragischen Romantic Comedy... die einen Teil seines (Liebes)lebens darstellt. Das ist in dieser Form aber tatsächlich ein ziemliches Novum und dementsprechend auch ein spannendes Experiment, welches dahingehend geglückt ist, dass man einen der charmantesten Genrefilme der letzten Zeit zu sehen bekommt: "The Big Sick" ist witzig, clever, romantisch, in höchstem Maße ehrlich und schlichtweg grandios geschrieben.
THE BIG SICK
Kumail (Kumail Nanijani) ist Pakistani und lebt in Chicago, wo er sich als Stand-Up-Comedian durchschlägt. Seine Eltern drängen ihn zu einer arrangierten Ehe, Kumail möchte mit diesen Fesseln allerdings nicht leben und bringt seine streng gläubige Familie so immer mehr gegen sich auf. Eines Tages lernt er während eines Gigs die junge Emily (Zoe Kazan) kennen und die beiden daten sich eine Zeitlang zwanglos. Obwohl Emily klar aussagt, dass daraus nichts Ernstes werden soll, entwickelt sich mehr zwischen den beiden... was Kumail schon bald in Not bringt, möchte er diese Beziehung seiner strengen Familie doch verheimlichen, da er befürchtet, diese würde ihn verstoßen. Zwischen den Fronten stehend muss er auch bald einem tragischen Unglück entgegensehen, was Emily betrifft und bis dahin einige schwere Entscheidungen treffen.
Zuallererst: Dass Kumail Nainijani sich hier selbst spielt, wirkt zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt, selbstverliebt oder fehlbesetzt. Ganz im Gegenteil: Wer über diesen Fact, der erst im Abspann des Films noch einmal wirklich thematisiert wird, gar nicht erst Bescheid weiß, dürfte kaum ahnen, dass es sich hier um solch eine "spezielle", in diesem Fall aber auch naheliegende, weil unglaublich passende Besetzung handelt. Und auch darüber hinaus ist "The Big Sick" im Grunde durchgehend ein unglaublich charmanter, bewegender und kluger Film geworden, der den üblichen Fallstricken des Genres gekonnt ausweicht: Er berührt, ist aber nicht rührselig oder kitschig. Er ist intelligent, verstrickt sich aber nicht in lebensbejahenden Phrasen, sondern bleibt ehrlich - nicht alles kann immer funktionieren. Er ist witzig, dabei aber nicht albern und gewinnt auch den anfänglich noch wie Stereotype wirkenden Nebenfiguren Leben ab (einzige Ausnahme bleibt Kumails Mitbewohner, doch da dessen Rolle klein ausfällt, ist das noch zu verzeihen).
Im Grunde trifft der Film fast immer den richtigen Ton, hat ein erstaunlich sensibles, dabei aber hin und wieder auch ungemein mutiges Skript zu bieten, welches schwierigere Themen nicht nur nicht ausspart, sondern sich ihnen ernst und mit Sorgfalt widmet, und er ist in seinem Mix aus Komödie, Romanze, Drama und Coming-of-Age so charmant, leichtfüßig und witzig, dass man kaum anders kann, als ihn zu lieben. Dabei nimmt "The Big Sick" viele Hürden und verändert seinen Ton immer wieder, ohne dabei aber die Essenz der Geschichte oder der Message, die er zu geben hat, umzudrehen. Von einer ungemein charmanten Romantic Comedy, wobei zwischen Kumail Nanijani und "The F-Word"-Star Zoe Kazan die Funken nur so sprühen, geht es hin zu einem teils urkomischen, teils aber auch bemerkenswert ernsthaften Familiendrama, bis nach einem Drittel die Wendung hereinplatzt, die man aus den Trailern schon kennt, dem Film aber erneut neue Türen öffnen.
Durch den Auftritt von Sitcom-Star Ray Romano und Holly Hunter erhält "The Big Sick" erneut neuen Schwung, wenn Kumail ohne Anwesenheit seiner Freundin (?) mit ihren Eltern klarkommen muss. Auch hier verzichtet der Film auf unlustige Klischee-Schubladen und baut zwischen diesen so unterschiedlichen Charakteren eine echte und glaubwürdige Beziehung auf, ohne dabei den Humor zu vergessen. Sicher, im Bezug auf die Hintergrundgeschichte von Emilys Eltern ist nicht jede Fußnote gelungen, doch das sind im Gegensatz zu dem, was der Film sonst so leichtfertig unter einen Hut bekommt, nur Kinkerlitzchen. Nebenbei erzählt man uns dann auch noch etwas über Stand-Up-Comedians - diese lustigen Leute, die auf der Bühne selbst dann nur über ihren Witz gedeutet werden, wenn sie gerade eine schreckliche Tragödie verdauen müssen. Hier teilt "The Big Sick", ohne dabei mit dem Holzhammer zuzuschlagen, sogar noch aus und gibt uns so einige Momente, über die wir gerne einmal nachdenken dürfen.
Das ist dann sogar mit den hohen Erwartungen, die ich bereits hatte, noch mehr, als ich zu bekommen geglaubt habe und dementsprechend einfach tolle Unterhaltung. Brillant gespielt, ohne zu überzeichnen, mit einer perfekt austarierten Balance, geschliffenen, aber niemals aufgesetzten Dialogen, Herz, Charme und Witz. Auch wenn er letztendlich zehn Minuten zu lang ist und hin und wieder die Reaktionen der Figuren auf bestimmte Ereignisse etwas seltsam anmuten, ist das wirklich eine der besten Romantic Comedys, die ich in den letzten Monaten sehen durfte - ein Film, der den Rahmen seines Genres sprengt und sich dabei nicht selbst überholt. Hut ab!
Fazit: Ein Teil der Lebensgeschichte des bekannten Comedians, der sich hier selbst spielt, zeigt dem Zuschauer, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Ein ungemein kluger Film, herrlich witzig, teils schmerzhaft ehrlich, charmant, romantisch und fantastisch besetzt. Trotz einiger kleiner Mankos bezüglich gewisser Nebenfiguren macht "The Big Sick" sehr viel Spaß, lässt uns nachdenken, träumen, lachen und manch eine Träne vergießen.
Note: 2
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